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Alte Wälder gehen gestärkt in Wetterextreme

In einer Studie der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde und des Writtle College (UK) nutzten die AutorInnen die thermodynamische Theorie, um Waldbestände anhand verschiedener Parameter zu vergleichen und Rückschlüsse über Vielfalt und Resilienz von Waldökosystemen zu ziehen.

Dabei wurden die Oberflächentemperaturen in Beständen des Vereinigten Königreichs, Deutschlands und der Ukraine gemessen und auf Theorien bezüglich des Energieabbaus und der Temperaturminderung getestet. Resiliente Ökosysteme weisen komplexe Strukturen, eine hohe Biomasse und funktionale Vielfalt auf. Wälder, die diese drei Eigenschaften aufwiesen, zeigten auch unter Extremwetterbedingungen eine kühlere Oberflächentemperatur.

Cool bleiben

Kommt es im Wald zu einer Störung, verringert sich die Komplexität seiner Strukturen und funktionalen Netzwerke, wodurch die Fähigkeit des Systems Energie abzubauen, verringert wird. Dies führt zu höheren Oberflächentemperaturen, da die auftreffende Sonnenenergie weniger abgeschwächt wird, sowie zur Beeinträchtigung von Ökosystemleistungen und einer herabgesetzten Widerstandfähigkeit des Ökosystems.

Die AutorInnen der Studie kommen zu dem Schluss, dass in alten Wäldern eine geringere Oberflächentemperatur herrscht, als in Plantagen aus einheimischen Baumarten. In europäischen Urwäldern mit hohen Biomasseanteilen wurden geringere Temperaturen beobachtet, als in bewirtschafteten Beständen gleicher Artzusammensetzung. Besonders deutlich wurde der Unterschied bei steigenden Umgebungstemperaturen, wie sie beispielsweise auch im Klimawandel erwartet werden.

Weiterhin kommt die Studie zu dem Schluss, dass sich Urwälder in ihrem Lebenszyklus zu konkurrenzfähigen und stresstoleranten Gemeinschaften entwickeln. Im Gegensatz dazu weisen intensiv bewirtschaftete Forste einen höheren Anteil an Generalisten (bzgl. ihrer Umweltansprüche wenig spezialisierte Arten) auf, sowie Arten, die charakteristisch für stark vom Menschen geprägte Waldgesellschaften sind.

Aus den Studienergebnissen wird gefolgert, dass Naturschutzpraxis und Managementpolitik, die die Komplexität von Beständen erhalten, einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten können, da solche Systeme die Auswirkungen extremer Temperaturen abschwächen, und zudem die Klimaregulierung, Primärproduktion sowie die Wasserrückhaltung verbessern. Sie sprechen Urwäldern daher eine bedeutende klimaschützende Funktion zu.

Kommentar

Die Studie von Norris et al. reiht sich ein in eine Liste von Publikationen, die die Bedeutsamkeit alter Wälder und vor allem der letzten verbliebenen Urwälder betonen. Der Klimawandel und die damit verbundenen häufigeren und stärkeren Wetterextreme mahnen schon jetzt, Wälder nicht nur als CO2-Binder zu sehen, sondern als komplexe Systeme, denen wir weitere Ökosystemleistungen verdanken und die für den Erhalt der Biodiversität unserer Naturräume entscheidend sind. Durch den Kühlungseffekt, den besonders alte Wälder aufweisen, profitieren die umgebende Landschaft wie auch waldnahe Stadtgebiete. Lange Trockenperioden können besser überstanden werden, da solche Waldökosysteme mehr Wasser zurückhalten, und auch das Waldbrandrisiko ist in solchen naturnahen Systemen stark verringert. Eine Investition in den Erhalt alter Wälder und die Anlage von zukünftigen Urwäldern bedeutet eine Erhöhung der Stresstoleranz unserer zukünftigen Ökosysteme.

Literatur


Norris, C., Hobson, P. and Ibisch, P.L. (2012), Microclimate and vegetation function as indicators of forest thermodynamic efficiency. Journal of Applied Ecology, 49: 562-570.

Ergänzende Literatur

Studie, die zeigt, dass Primärwälder (Fichtenwald in den Karpaten) vermutlich auch im hohen Alter noch anpassungsfähig sind und die Biomasse alter, großer Bäume im Klimawandel weiterhin zunimmt.

Begović, Krešimir et al: Large old trees increase growth under shifting climatic constraints: Aligning tree longevity and individual growth dynamics in primary mountain spruce forests, Global Change Biology, 30.09.22, https://doi.org/10.1111/gcb.16461