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Alte Wälder mit Totholz als Rückzugsraum für Amphibien

Frösche quaken im Teich, sitzen im Wasser oder hüpfen zumindest in dessen grünen Ufern herum. So stellen sich viele Menschen das Leben von Amphibien vor. Eigentlich verbringen Frösche, Kröten, Salamander und Molche aber einen Großteil ihres Lebens an Land und suchen Gewässer hauptsächlich zur Fortpflanzung auf.

Weltweit sind etwa 40 Prozent aller Amphibienarten vom Aussterben bedroht (IUCN 2024), in Deutschland ist jede zweite Amphibienart in ihrem Bestand gefährdet (BfN 2021). Eine Bedrohung stellt zum Beispiel der Klimawandel, invasive Arten, Krankheiten, die Nutzung von Pestiziden, aber vor allem der Verlust von Lebensräumen dar. Tatsächlich sind Wälder wichtige Lebensräume für Amphibien, weshalb auch die Waldbewirtschaftung eine große Rolle für deren Schutz und somit den Schutz der Biodiversität spielt.

Vergleichsflächen wichtig

In einer wissenschaftlichen Studie, die 2023 erschienen ist, untersuchten polnische Wissenschaftler:innen die Entwicklung der Amphibienpopulationen in einem bewirtschafteten Eichenwald nahe Krakau. In dem untersuchten Niepołomice-Wald, der hauptsächlich zur Holzgewinnung genutzt, findet man überwiegend Eichen, allerdings auch Winterlinden, Hainbuchen und Schwarzerlen. Dort wurden bereits Ende der 1960er Jahre Untersuchungen zu Amphibienzahlen und deren Biomasse durchgeführt, die nun nach 50 Jahren mit neuen Daten der gleichen Untersuchungsstandorte verglichen wurden.

Um zu prüfen, wie sich die Waldbewirtschaftung auf die Amphibienanzahl, deren Biomasse sowie deren körperliche Verfassung auswirkt, erhoben die Wissenschaftler:innen zum Vergleich auch zusätzliche Daten in einem Schutzgebiet im selben Wald, das seit 1957 nicht mehr forstlich bewirtschaftet wird. Dort findet man eine Vielzahl besonders alter Eichen und auf dem Boden zudem viel liegendes Totholz unterschiedlichen Durchmessers, was im Gegensatz zur Struktur des Waldbodens in jüngeren, bewirtschafteten Wäldern steht, in denen Holzabfälle routinemäßig entfernt werden. Die Wissenschaftler:innen fingen, bestimmten und vermaßen alle Amphibien im Verlauf von einer Woche auf 16 Untersuchungsflächen (30×30 Meter). Von den 16 Flächen lagen sechs im Gebiet der bewirtschafteten Untersuchungsflächen aus den 1960er Jahren, sechs weitere im beschriebenen Schutzgebiet sowie vier zusätzliche Flächen in einem anderen bewirtschafteten Teil des Waldes.

Deutlicher Rückgang

Die Autor:innen der Studie dokumentierten im untersuchten Gebiet einen deutlichen Rückgang der Amphibienzahlen um etwa das Vierfache der gefundenen Individuen im Vergleich zu den Erfassungen in den 1960er Jahren. Damit ging auch deutlicher Rückgang der Biomasse der Amphibien einher. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit anderen Studienergebnissen, die ebenfalls den Rückgang von Amphibienpopulationen sowohl in Mitteleuropa als auch weltweit zeigen. Neben dieser starken Abnahme der Individuenzahlen zeigte sich auch eine Veränderung in der Zusammensetzung der gefundenen Arten. Insbesondere der Anteil von Moorfröschen war deutlich reduziert, was die Wissenschaftler:innen auf die verstärkte Entwässerung von Wald zurückführen.

Auch beim Vergleich der bewirtschafteten und unbewirtschafteten Waldflächen stellten die Wissenschaftler:innen einen deutlichen Unterschied fest. Auf den untersuchten unbewirtschafteten Waldflächen lebten im Durchschnitt fast doppelt so viele Amphibien wie auf den bewirtschafteten Untersuchungsflächen. Die Autor:innen sehen hier einen Zusammenhang mit dem Vorhandensein von grobem Totholz von Stämmen und Ästen, was sich in Modellen in der Studie als wichtigster gemessener Faktor herausstellte.

Totholz ist wichtig

Totholz dient den Amphibien zum Beispiel als Versteck, wirkt sich positiv auf den Feuchtigkeitshaushalt aus und macht so das Habitat wertvoller. Bei der Untersuchung der körperlichen Verfassung der am häufigsten gefangenen Grasfrösche zeigte sich zudem, dass diese in unbewirtschafteten Wäldern durchschnittlich besser in Form waren als im Wirtschaftswald.

Die Autor:innen der Studie konnten zeigen, dass die Anzahl der Amphibien im untersuchten Waldökosystem in Mitteleuropa im letzten halben Jahrhundert erheblich zurückgegangen ist. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen den Autor:innen zufolge, dass die Erhaltung alter Wälder mit grobem Totholz sich positiv auf die Individuenzahl und die körperliche Verfassung von Amphibien auswirken kann und so auch langfristige Populationsrückgänge abgefedert werden können. Außerdem betonen sie die Rolle von Totholz im Ökosystem Wald und weisen darauf hin, dass auch der Erhalt von Totholz in bewirtschafteten Wäldern den Schutz terrestrischer Amphibien in diesen Wäldern erhöhen kann. Sie weisen auch auf Einschränkungen der Studie hin, wie beispielsweise, dass die Studie auf Messungen zu zwei Zeitpunkten basiert und den Fokus auf ein einzelnes Waldgebiet legt. Trotz der Einschränkungen bleibt der beobachtete Rückgang deutlich, da sie einen umfangreichen Schwund in Bezug auf alle gefundenen Arten nachweisen konnten.

Kommentar

Die Studienergebnisse verdeutlichen die maßgebliche Rolle des Waldmanagements für die Populationen von Amphibien. Sie betonen auch exemplarisch die Bedeutung des Erhalts von Totholz in Waldökosystemen für den Schutz der Biodiversität, indem es Wasser im Wald speichert und Mikrohabitate bietet. Selbst von Menschen genutzte Wälder können durch eine naturnahe Bewirtschaftung bedeutende Rückzugsorte für gefährdete Tiere sein. Ebenso sollte die Entwässerung von Waldflächen als potenziell negativer Einflussfaktor auf Amphibien berücksichtigt werden, auch wenn dieser Aspekt im diskutierten Artikel nur am Rande erwähnt wird.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt für den Schutz von Amphibien im Wald betrifft die Nutzung schwerer Maschinen, die zu Bodenverdichtung führt und damit langfristige Schäden verursacht. Obwohl die Nutzung solcher Maschinen teils positiv für den Schutz bestimmter Arten wie beispielsweise der Gelbbauchunke betrachtet wird, da sie sich in den durch Bodenverdichtung entstehenden Fahrspuren als temporäre Gewässer fortpflanzen kann, überwiegen die langfristigen Auswirkungen der Bodenverdichtung auf das Ökosystem Wald und insbesondere auf bodenbewohnende Tierarten. Erst durch den Verlust vieler natürlicher Gewässer werden Ersatzhabitate wie künstliche Pfützen in Fahrspuren relevant.
Übermäßige menschliche Einflüsse auf Ökosysteme wirken sich oft ökologisch nachteilig auf deren Zustand aus, weshalb die Eingriffe in der Regel möglichst gering gehalten werden sollten. Diesem Prinzip folgt auch das Lübecker Konzept, indem natürliche Prozesse so wenig wie möglich gestört werden. Im Streben nach einer nachhaltigen Waldnutzung und dem Schutz der Artenvielfalt sollten wir die ökologischen Zusammenhänge im Wald stets im Blick behalten und unsere Handlungen entsprechend ausrichten.

Verwendete Quellen:

IUCN 2024: https://www.iucnredlist.org/
BfN 2021: https://www.bfn.de/pressemitteilungen/neue-rote-listen-amphibien-und-reptilien-deutschland-staerker-gefaehrdet-als .

Autorin: Ronja Hossbach

Literatur


Pabijan et al. (2023): Amphibian decline in a Central European forest and the importance of woody debris for population persistence, Ecological Indicators, Volume 148, April 2023, 110036, https://doi.org/10.1016/j.ecolind.2023.110036