Bildung
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Bäume sehen mit ihren Blättern
Mit Lichtrezeptoren sehen Bäume, wann sie sich auf den Winter vorbereiten müssen. Deutliches Zeichen für Mensch und Tier: Die Blätter verfärben sich braun, gelb, rot und fallen ab.
Bäume haben keine Augen und sehen dennoch erstaunlich gut. Sie sehen selbstverständlich nicht wie das Eichhörnchen oder der Habicht in ihren Kronen, doch nehmen sie Licht in allen Schattierungen genau wahr. Im Frühherbst bemerken sie, dass das Licht schwächer wird. Bäume produzieren deswegen nicht länger das für Menschen grün scheinende Chlorophyll, den Grundstoff der Photosynthese. Die Blätter bauen das Chlorophyll ab und erscheinen braun, gelb, orange. Für die leuchtenden Farben sind zwei Farbstoffe verantwortlich. Carotinoide lassen die Blätter in gelb und orange in der Herbstsonne leuchten, das hauptsächlich im Herbst produzierte Anthocyanin färbt Beeren und Blätter rot und lila wie die Pflaumen.
Lichtrezeptoren in Blättern, jungen Ästchen, Knospen und im grünen Holz vermitteln den Bäumen wie es um sie herum zugeht. Wissenschaftler nennen die chemischen Pflanzenaugen Phytochrom, Criptochrom und Fototropin. Sie werden eifrig erforscht, denn die Lichtrezeptoren sind von enormer Bedeutung für das gesamte Leben der Pflanzen von Algen über Moose bis zum Mammutbaum.
Das Wort Herbst hat sprachgeschichtlich denselben Ursprung wie das englische Wort harvest „Ernte(zeit)“ Diese wirtschaftliche Bedeutung blieb im Englischen erhalten, während sie sich im Deutschen zur allgemeinen Bezeichnung der Jahreszeit verschob. Im südwestdeutschen Sprachraum lebt die ursprüngliche Wortbedeutung als Fachausdruck „herbsten“ für die Weinlese fort. Im gleichen Gebiet heißt die Jahreszeit Spätjahr (als Spiegelform zum Frühjahr).
Mit den Lichtrezeptoren nehmen Bäume ebenso wie Büsche, Kräuter und anderen Pflanzenarten die Lichtwellen wahr. Sie bemerken rote, infrarote, blaue und die ultraviolette Strahlung, verarbeiten die aus dem Licht gewonnenen Informationen und handeln entsprechend. Die Lichtrezeptoren regeln somit die Keimung, steuern die Blüte und die Ruhephase der Pflanzen und bringen sie dazu, von ihrem schattigen Platz zum Licht zu wachsen.
Im Winter stören Blätter, sie könnten unter Schnee und Eis den Baum schädigen
Im Herbst ziehen Bäume die Nährstoffe aus den Blättern und lagern sie in Knospen, Ästen und Wurzeln ein. Die Knospen und Triebe sind dann fett und zuckerhaltig und können im kommenden Frühjahr an den länger werdenden Tagen mit mehr Sonnenstunden kräftig treiben. Wenn nicht Rehe und andere Pflanzenfresser die Energiebömbchen an den Zweigenden gefressen haben.
Bäume werfen in diesem Jahr schon seit Anfang August die Blätter ab. Wegen der Dürre konnten sie nicht alle Blätter mit Feuchtigkeit versorgen. Zudem verdunsten Wasser und Nährstoffe durch die Blätter, die Bäume haben sich mit dem frühen Laubwurf also vor weiteren Verlusten geschützt. Im September und Oktober haben Bäume genaugenommen erst die Zeit erreicht, in der sie die Blätter verlieren wollen. Sie können sie nicht länger gebrauchen, da die Sonne in den mitteleuropäischen Wintermonaten eh zu kurz für die Photosynthese scheint. Das Risiko ist zudem zu groß, dass Frost die Blätter schädigt oder Eis sie zu einer tonnenschweren Last für den Baum wandelt – ein mittelgroßer Laubbaum hat rund 200.000 Blätter.
Zwischen Oktober und Februar ist die Zeit für den Holzeinschlag der Laubbäume. Der gefällte Baum ist in dieser Zeit trockener, leichter und kann schneller verarbeitet werden. Die Sicht in die Baumkronen ist frei und Waldarbeiter können Gefahren besser einschätzen. Zudem nimmt der harte, und im Winter idealerweise gefrorene Boden weniger Schaden, wenn die Maschinen und Pferde die Stämme aus dem Wald ziehen.
Käfer, Regenwürmer, Pilze zerkleinern die Blätter zu Humus
Sind die Nährstoffe im Herbst abgezogen, verschließen Bäume die Übergänge von Blattstiel und Zweig. Das Loch vernarbt, ein Windstoß reicht, um das leblose Blatt vom Baum zu fegen. Auf dem Boden warten in gesunden, abwechslungsreichen Wäldern schon jede Menge Pilze, Bakterien, Insekten und andere Wirbellose.
Schnecken, Käfer, Asseln zerkauen, zerkleinern und verdauen die Blätter, Regenwürmer und Tausendfüßler arbeiten die vorgekaute Masse in die tieferen Bodenschichten ein, Springschwänze, Käferlarven, Pseudoskorpione brechen die Nährstoffe weiter auf und machen sie so klein, dass schließlich die Baumwurzeln sie wieder aufnehmen können.
Vogelbeeren (Sorbus aucuparia) verraten schon im Namen, dass sie beliebt bei den Vögeln sind. Sie hängen bis in den Winter und leuchten sogar in schneebedeckten Bäumen. Die Früchte der Eberesche bilden daher eine ganze wichtige Futterquelle für die hierzulande überwinternden Vogelarten. Das Haselhuhn ernährt sich im Winter ausschließlich von Vogelbeeren.
Zwischen den ganzen Tierchen helfen Myriaden von Bakterien, aus Blättern den nahrhaften Humus zu machen. Und die Pilze: Für das menschliche Auge meistens unsichtbare Pilzfäden durchziehen den Waldboden. In den Blättern von Buchen und Eichen steckt viel Lignin, das ist der Stoff mit dem aus Holz erst Holz wird. Lignin kann nur von bestimmten Pilzen zerkleinert und langsam abgebaut werden. Deswegen liegen die Blätter von Buchen und Eichen besonders lang auf dem Waldboden.
Bäume schützen sich mit selbst gemachtem Frostschutzmittel im Winterschlaf
In Deutschland werfen Laubbäume im Herbst ihre Blätter ab. Nur die Eichen behalten die braunen Blätter wie ein wärmendes Winterfell und werfen erst im Frühjahr mit den austreibenden jungen Blättern ab. Von den Nadelbäumen entledigt sich nur die Lärche ihrer Nadeln. Alle anderen Nadelbäume behalten ihre immergrünen Nadeln, weshalb dann der Tannenbaum auch im Winter, wenn es schneit, grün im Wohnzimmer stehen kann.
Allerdings schützen sich auch Tannen, Kiefern, Fichten und anderen Nadelbäume vor Kälte und Trockenheit im Winter. Ihre Nadeln sind mit einer Wachsschicht vor Frost geschützt. Zudem produzieren die Bäume aus Zucker und Eiweißverbindungen eine Art Frostschutzmittel das den Gefrierpunkt in den Zellsäften auch der Laubbäume senkt. So überstehen sie die Vegetationsruhe, den Winterschlaf der Bäume. Die Ruhe ist für die Bäume lebensnotwendig. Werden sie gestört, sterben sie schnell ab.
Auch die nächste Generation Bäume wie Eicheln, Bucheckern oder die Samen in den Zapfen von Nadelbäumen ruhen im Winter. Würden sie im Herbst keimen, wäre die Gefahr zu groß, zu erfrieren oder gefressen zu werden. Sie schlummern warm verpackt in den Zapfen oder in der Erde, von Eichelhäher und Eichhörnchen als Wintervorrat vergraben. Werden sie nicht gefressen, keimen die Baumsamen im Frühjahr. Sie merken, wenn es warm genug ist, drängen dann geschützt von sprießenden Kräutern ans Licht. Und mit den ersten Blättern sehen die kleinen Buchen und Eichen dank der Lichtrezeptoren, wohin sie streben.
Literatur
Quellen und weiterführende Literatur:
- Fay-Wee, Li et.al., Phytochrome diversity in green plants and the origin of canonical plant phytochromes, Nature Communications volume 6, Article number: 7852 (2015)
- Mancuso, Stefano; Viola Alessandra, Die Intelligenz der Pflanzen, Kunstmann Verlag, München, 2015.