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Die Eichen im Quierschied

Im Revier Quierschied des Landesbetriebs SaarForst wird der Natur Zeit und Ruhe gelassen, d.h. die natürlichen Prozesse dürfen im Wald ungestört laufen. Revierleiter ist Roland Wirtz. Er erklärt am Beispiel der Eichen, wie er den Wald bewirtschaftet, und wo er vom Lübecker Modell abweicht.

Wirtz verfolgt aus Überzeugung bei sich im Wald das Lübecker Modell, doch er hat ein Problem, das in Deutschland viele Förster haben:

„Junge Buchen sind hier viel wuchskräftiger als junge Eichen. Die Buche macht die Eiche platt.“

Wenn er die natürlichen Prozesse einfach laufen lassen würde, dann wäre das Revier ein reiner Buchenwald. Nur an ganz wenigen kleinen und besonderen Standorten hätte die Eiche vielleicht eine Chance. Aber Wirtz möchte gerne mehr als nur einige wenige Eichen haben und nicht auf den bloßen Zufall vertrauen. Deswegen greift er gezielt ein, um die Eiche zu fördern. Er steht dazu:

„Auf kleinen Flächen mache ich kleine Eingriffe gegen die natürliche Dynamik. Aber ich ahme dabei Prozesse nach, wie sie auch in Urwäldern ablaufen.“

Alte dicke Eichen sind wertvoll; ihr Holz wird z. B. zu Furnieren, Möbeln oder Rotweinfässern verarbeitet. Wenn Wirtz eine wertvolle Eiche zusammen mit 1-2 Nachbarbäumen fällt, entsteht eine Lücke im ansonsten geschlossenen Kronendach. Wirtz imitiert so die Dynamik im Urwald. Denn auch dort entstehen immer wieder solche kleinen Lücken, wenn ein Baum z. B. durch Windwurf fällt und andere mitreißt.

Wirtz und die Lücken im Buchenwald

In so einer Lücke reicht das Licht für die Nachkommen der gefällten Mutter-Eiche. Sie sind in der Verjüngung zwischen den jungen Buchen überall vertreten. Damit die Eichen jetzt nicht von den Buchen überwachsen werden, werden sie von Wirtz gefördert: die Buchen, die den Eichen das Licht wegnehmen, werden von Hand von Waldarbeitern umgeknickt. Dann bekommen die Eichen genügend Licht und wachsen mit den weiter entfernten Buchen mit. Wenn er die Buchen nicht knicken würde, dann würden hier überall junge Buchen stehen – ohne Eichen.

Foto: Franz Josef Adrian

Roland Wirtz ist seit Oktober 2017 Revierleiter. Das Revier umfasst insgesamt 1.800 ha und besteht aus zwei Teilen: dem rd. 1.000 ha großen Teil Quierschied und dem rd. 800 ha großen Teil Eppelborn. Quierschied wird nach dem Lübecker Modell bewirtschaftet, Eppelborn nach dem QD-Modell von SaarForst. Aber Wirtz hat in Eppelborn alle waldbaulichen Freiheiten bekommen und arbeitet auch hier mit Prozessschutzideen. Beide Teile unterscheiden sich also nicht wesentlich. Im Mai 2019 hat der Autor Herrn Wirtz besucht und dort erklärt bekommen, wie der den Wald bewirtschaftet.

Das Ziel von Revierleiter Wirtz ist es aber nicht, dass auf der ganzen Fläche dieser Lichtung jetzt Eichen wachsen müssen. Das wäre ein Missverständnis. Denn dazwischen ist Raum für Holunder, Vogelbeeren, Ginster und Birken. Hier kann die Natur wieder machen, was sie will.

Zu seiner Motivation sagt Wirtz:

„Die Frage, die mich antreibt, lautet: Wie können wir die Dynamik vom Urwald in den Wirtschaftswald bringen? Und wenn zur natürlichen Dynamik Lücken gehören, wie können wir von diesen vielleicht sogar noch ökonomisch profitieren? Das geht: mit Hilfe dieser Lücken können wir Eichen mitnehmen in den Buchenwald.“

Die Inseln des Lichts

Wirtz Ziel ist nicht der komplett geschlossene Wald, er begrüßt Lücken ausdrücklich. Sie sorgen für ein Strukturelement von Urwäldern, das es in den deutschen Wirtschaftswäldern nur ganz selten gibt: besonntes Totholz. Wirtz sorgt daher dafür, dass es in den Lücken immer auch Totholz gibt – dick, dünn, stehend und liegend. So stehen am Rande der Lücken oft abgestorbene Bäume; die sind für Wirtz tabu. Sie werden von der Sonne erwärmt – ganz genauso wie die großen Kronen der gefällten Bäume, die er immer liegen lässt.

Förster Roland Wirtz ist im Südwesten von Deutschland selbst so etwas wie eine „Insel des Lichts“. Denn die Regel ist leider, dass es : Deutschlands Wäldern schlecht geht.

Mehr Hintergrundinformationen zum Prozesschutzrevier Quierschied finden Sie hier.



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