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Naturnahe Waldwirtschaft macht Sinn und Gewinn

Interview mit Klaus Borger, der als Vorsitzender einer saarländischen Forstbetriebsgemeinschaft Rede und Antwort stehen muss, wenn es um die Wirtschaftlichkeit einer ökologischen Waldbewirtschaftung geht.

Sie sind Vorsitzender der Forstbetriebsgemeinschaft Saar-Hochwald w.V. (FBG). Was können wir uns darunter genau vorstellen?

Klaus Borger: Die Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) ist ein Zusammenschluss von Waldbesitzern (Verein) die für ihre Mitglieder die – allerdings naturnahe – Bewirtschaftung ihrer Wälder übernimmt. Im Mittelpunkt steht aber die Beratung und Fortbildung unserer Waldbesitzer und dann die Vermittlung von qualifizierten Dienstleistern, die die Arbeiten im Wald übernehmen. Darüber hinaus überwachen wir auf Wunsch des Waldbesitzers die Arbeiten vor Ort, rechnen alle Maßnahmen, stellen ggf. Förderanträge beim zuständigen Ministerium und vertreten die Waldbesitzer bei weiteren Anliegen, wie z.B. bei eingetretenen Waldschäden durch Wild.

Wie groß ist denn die Fläche der FBG?

Wir sind für eine Fläche von ca. 5.000 ha im Saarland verantwortlich. Diese gehören 350 Mitgliedsbetrieben (Einzelbesitzer, Erbengemeinschaften etc.). Die meisten davon sind Privatwaldbesitzer, die sehr kleine Flächen haben. Aber es gibt darunter auch Kommunalwälder, die uns ideell unterstützen und wenige größere Privatwälder.

Klaus Borger
Foto: Borger/Bert Bostelmann@bildfolio.de

Klaus Borger, 61, ist Dipl. Forstwirt, Assessor des Forstdienstes und Staatssekretär a.D. Bis 2009 war es als Abteilungsleiter (Kreisumweltamt) im Landkreis Merzig-Wadern tätig und danach bis 2012 als Staatssekretär im saarländischen Ministerium für Umwelt, Energie und Verkehr. Dort veranlasste er u.a. eine Forstreform für den Staatswald und hat die Forstrevierebene wieder etabliert sowie gestärkt. Neben seiner beruflichen Tätigkeit war er von 1991 bis 2009 Geschäftsführer der Forstbetriebsgemeinschaft im Landkreis Merzig-Wadern. Seit 2014 ist er Vorsitzender der Nachfolgeorganisation Forstbetriebsgemeinschaft Saar-Hochwald. Im Jahr 2006 gründete er den Ökologischen Jagdverband Saarland, dem er viele Jahre vorstand.

Das klingt sehr aufwändig in der Bewirtschaftung. Ist denn der Wald auf dieser Fläche ziemlich ähnlich?

Sehr viele der Flächen wurden in den Nachkriegsjahren mit Nadelbäumen, vor allem Fichte, aber auch in geringerem Umfang mit Lärche, aufgeforstet. Der ursprüngliche Laubwald wurde zudem über Förderprogramme des Landes durch Nadelwald ersetzt, feuchte Flächen trockengelegt und so für den Anbau von Nadelbaum-Monokulturen vorbereitet. Diese Monokulturen haben bis zu den großen Stürmen in den Jahren 1990 und weitere in der Folge ca. 70 % des Waldbestandes unserer Mitglieder ausgemacht. Es gibt aber immer noch Reste früherer Nutzungsformen, so genannte Eichen-Niederwälder. Diese prägten lange Zeit, d.h. bis zur großen Waldumwandlung, das Waldbild unserer Region. Heute wachsen diese, wie man sagt, durch und bilden bemerkenswerte Baumformen, indem mehrere Baumstämme aus einem einzigen Stock wachsen. Diese Wälder werden heute durch behutsame Waldpflege auf dem Weg begleitet, um stabile Mischwälder zu werden.

Viele Waldbesitzer gehen davon aus, dass besonders naturnahe Waldbewirtschaftung keinen Gewinn abwirft. Welche Erfahrungen haben Sie bei der FBG damit gemacht?

Generell: Fast alle Maßnahmen führen wir so durch, dass bei dem einzelnen Waldbesitzer am Ende sicher ein Netto-Gewinn verbleibt. Unsere Gemeinschaft und das gute Miteinander sind dafür die Voraussetzung. Die Balance zwischen ökologischem und ökonomischem Anspruch ist Maß aller Dinge. Kommt es aber zum „Schwur“, gewinnt die Ökologie. Dieses Grundprinzip ist unser Erfolgsrezept seit 30 Jahren und unsere Mitglieder unterstützen dies aktiv.

Schön und gut, aber können sich das nicht eher die großen Kommunalwälder leisten?

Im Gegenteil. Die naturnahe Waldwirtschaft ist aus dem Privatwald entstanden. Der Grund dafür ist einfach: Fast jeder private Waldbesitzer hat ein großes Interesse daran, dass er seinen Erben einen gesunden, stabilen und wertvollen Wald übergeben kann. Wer da zu viel rummurkst und zu viel rausholt weiß, dass seine Enkel von diesem Wald nicht mehr profitieren werden. Bei vielen öffentlichen Wäldern ist es meiner Erfahrung nach oft ganz anders. Der kurzfristige Gewinn für die Landes- oder Kommunalkasse steht für die Politik sehr oft im Vordergrund. Die Förster werden dazu auch angehalten nicht allzu weit zu denken. Die Folgen davon kann jeder in den mancherorts armseligen Kommunal- und Landeswäldern sehen. Leider.

Kommen wir noch mal zur ursprünglichen Frage zurück. Ist naturnahe Waldwirtschaft denn nur etwas für große Flächen?

Natürlich nicht. Die Grundprinzipien der naturnahen Waldwirtschaft und die Abläufe in Naturwäldern spielen bei unseren Beratungen und Planungen immer eine bedeutende Rolle. Und natürlich überlegen wir, wo sich bewährte Waldbau-Konzepte, wie z.B. auch das Lübecker Modell, übertragen lassen. Natürlich funktioniert das auf einer größeren Fläche besser als bei unseren durchschnittlichen Besitzgrößen von gerade einmal einem Hektar. Aber ein Grundgesetz gilt immer: Naturnahe Wälder und naturnah bewirtschaftete Wälder sind immer stabiler und mögliche lokale Schadereignisse treffen den Besitzer dann nicht so hart. Aber auch auf kleineren Flächen, zumal im Verbund mit den Nachbarn, ist es möglich und auch erfolgreich, konsequent naturnah zu arbeiten. Wir müssen dort natürlich aber etwas anders vorgehen als auf den großen Flächen.

Foto: Borger/FBG Saar-Hochwald

Die Forstbetriebsgemeinschaft feiert 2019 ihr 30-jährigs Bestehen und lädt interessierte WaldbesitzerInnen herzlich dazu ein. Hier finden Sie weitere Informationen zu der Veranstaltung. Der Vorstand der Forstbetriebsgemeinschaft Saar-Hochwald verpflichtet sich bei der Beratung, Betreuung und tätigen Mithilfe in den angeschlossenen Mitgliedsbetrieben den Ansprüchen der Mitglieder an ihren Waldbesitz, sowie der Gesellschaft und der Umwelt im Rahmen einer naturnahen Waldwirtschaft gerecht zu werden.

Was heißt das konkret für die Besitzer kleiner Privatwaldflächen?

Wir haben in den vergangenen Jahren im Durchschnitt rund 4.000 fm verkauft, vor allem Nadelbäume, da wir ja konzentriert an der Überführung der Nadelwälder in Mischwälder arbeiten. Davon ist jedem der Waldbesitzer, auch wenn er nur einen Hektar oder weniger hat, ein Netto-Gewinn von gut 30 € pro fm verblieben. Dabei sind alle Holzerntekosten, alle Verwaltungsgebühren und vor allem alle Reinvestitionen in sein Waldstück abgezogen. Und gleichzeitig haben wir den Wald so schonend wie möglich behandelt. Und wir beraten alle unsere Mitglieder, auch der Waldnatur etwas zu geben. Man darf nicht nur nehmen, man muss auch geben. Leben und leben lassen – ein Grundprinzip, das nicht nur für den Wald gelten sollte.

Und wie sieht es bei den größeren Waldbesitzern in der FBG aus?

Wie es dort aussieht? Sehr gut. Einzelne haben im Schnitt der letzten zehn Jahre einen jährlichen Reingewinn vor Steuern von rund 350 € pro Hektar eingefahren.

Nun, das kann ein großer Waldbesitzer aber auch durch einen großflächigen Kahlschlag oder ähnliche Methoden erreichen.

Kahlschläge sind eine ökologische Sünde und wirtschaftlicher Schwachsinn! Steuerlich sowieso fast immer. Die Folgekosten für die Waldfläche – sofern sie nicht der Steuerzahler abpuffert – sind immens. Dies hat weder mit einer verantwortlichen Behandlung des Waldes, noch der Waldböden, noch der Flora und Fauna zu tun. Es lohnt sich auch finanziell nicht, da der kurzfristige Gewinn in der Folge durch immense Ausgaben aufgefressen wird.

Aber wie schaffen Sie es denn trotz eines schwachen Holzmarktes Gewinn zu machen und dabei auch noch ökologisch, werterhaltend zu wirtschaften?

Erstens in dem wir die Folgekosten der Holzernte niedrig halten. Also meistens leichte Maschinen mit Seilwinde und, wenn vorhanden, auch Rückepferde einsetzen. Den Einsatz der riesigen Holzerntemaschinen empfehlen wir keinem Waldbesitzer und soweit wir mit den Arbeiten beauftragt werden, werden diese Holzmachroboter nicht eingesetzt! Die Reparaturen der Wege nach Harvester- und sonstigen Großmaschineneinsätzen sind so teuer, dass sie viel oder den ganzen Gewinn aus dem Holzverkauf wieder auffressen würden. In den öffentlichen Forstbetrieben fällt das aber nicht auf, da es durch die doppelte Buchführung verschleiert wird. Wir kennen zudem unsere Dienstleister und geben denen genau vor, was sie dürfen und was nicht. Das kontrollieren wir konsequent, damit die Schäden im Wald auf einem sehr niedrigen Niveau verbleiben und die Unternehmer wissen, dass die Gelbe Karte meist gleichzeitig gelb-rot bedeutet.

Gibt es darüber hinaus noch ein weiteres Erfolgsrezept?

Ja. Auf den Punkt gebracht: Im Gegensatz zu öffentlichen Forstbetrieben kultivieren wir nicht die Prinzipien der Planwirtschaft. Wir entscheiden je nach Marktlage, welche Bäume in den Verkauf kommen. Und nicht wie sonst oft üblich im Vorjahr über Forstwirtschaftspläne, die entscheiden, was im kommenden Jahr eingeschlagen wird. Wir verkaufen zudem die Bäume, die von unserem forstlichen Personal gekennzeichnet werden, auf dem Stock an konkurrierende Unternehmen. Diese fällen und rücken dann die Bäume nach unseren Regeln und Vorgaben.

Das heißt, die FBG bedient nur Nischenmärkte bei Ihnen in der Region?

Nein, das kann man so nicht sagen. Es gibt natürlich Spezialisten in Holzeinkauf und Verarbeitung. Aber unser aktueller Baumbestand zwingt uns ja auch dazu, gängige Holzarten und -qualitäten zu liefern.

Was würden Sie den vielen Kleinstwaldbesitzern und -Besitzerinnen aufgrund Ihrer Erfahrungen empfehlen?

Werden Sie Mitglied in einer Forstbetriebsgemeinschaft oder einem sonstigen Waldbauverein. Reduzieren Sie den Stress für Ihren Wald. Betreiben Sie eine schonende, selektive Holzernte, setzen Sie qualifiziertes Personal ein, nutzen Sie leichte Maschinen oder wenn vorhanden Pferde zum Rücken des Holzes. Die Waldbewirtschaftung bedeutet immer einen Eingriff in das komplexe Ökosystem Wald und diesen gilt es so gering wie möglich zu halten. Wenn einem dies bewusst ist, ist es z.B. besser, zwei Euro mehr für das Rücken auszugeben und dafür den Abstand der Rückegassen auf 60-80 m zu erhöhen oder bei der Pflanzung Bäumchen mit einem gesunden Wurzelwerk zu kaufen, wo die Pflanzung etwas aufwendiger und teurer ist. Auf längere Sicht und bei den aktuellen Prognosen zur Klimaveränderung geradezu ein Muss! Blockieren Sie die Entwässerungsgräben entlang der Wege, denn Ihr Wald braucht das Wasser und nutzt dieses hocheffektiv. Und sofern es möglich ist: Zeigen Sie eine klare Kante bei der Jagd, damit Ihnen das Schalenwild nicht Ihre ganze Naturverjüngung wieder auffrisst oder die Wälder, wie fast überall in Deutschland, entmischt.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mehr Informationen über die Forstbetriebsgemeinschaft Saar-Hochwald

Kleiner Ratgeber der FBG für den Umgang mit Borkenkäfern im Fichtenwald.