Moos

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Wie wieder Wasser in den Wald kommt

Der Klimawandel zwingt zum Umdenken in Wald- und Forstwirtschaft. Der ausbleibende Regen verschärft in den Wäldern und Forsten ein Problem, das Forstleute und Waldbesitzer in den vergangenen 250 Jahren geschaffen haben.

2022 ist das fünfte Jahr in Folge mit extremer Trockenheit und Hitze, schon im März war weniger Wasser im Boden verfügbar als üblicherweise. Bis Juli war die Bodenfeuchte auf 28 Prozent gesunken im Deutschland-weiten Mittel, hat der Deutsche Wetterdienst gemessen. Im Boden fühlen sich 28 Prozent Feuchte wie Wüste an, niedrigwurzelnde Pflanzen wie Kräuter und einige Strauch- und Baumarten darben. Waldgängern in vielen Regionen Deutschlands sind die fehlenden Pflanzen auf dem Boden und bis Kopfhöhe aufgefallen, die im Hochsommer vertrocknet sind. Die Wälder waren am Boden kahl wie sonst im Winter.

Europäischer Biber
Foto: iStock

Biber bringen Wasser in den Wald: Sie sind die Wasserbau-Meister des Waldes: Biber. Mit ihren Teichen und wassergefüllten Senken, kommen auch Libellen, Grasfrösche, Schwarzstörche, Eisvögel kommen in die vom Biber gestalteten Auenlandschaften. Biber sind heute streng geschützt und ein wichtiger Teil des Ökosystems Wald.  Damit auch Waldbesitzer den Biber willkommen heißen, entschädigen manche Bundesländer die vom Biber angerichteten Schäden an Bäumen und im Wald. Mehr dazu hier.

Fehler der Vergangenheit

Der ausbleibende Regen verschärft in den Wäldern und Forsten ein Problem, das Forstleute und Waldbesitzer in den vergangenen 250 Jahren geschaffen haben. Seit Ende des 18. Jahrhunderts haben Waldarbeiter und Wasserbauer die Wälder entwässert, haben Waldbäche begradigt und in Rohren versenkt, Drainagen gelegt, Gräben durch die Wälder gezogen und alles dafür unternommen, das Wasser aus dem Wald zu holen. Das Wasser sollte schnell aus der Landschaft ablaufen, um Dörfer, Städte, Äcker und entstehende Industrien vor Hochwasser zu schützen. Natürliche Wälder wurden zu Forsten umgebaut, nasse Böden störten Anbau und Ernte von Kiefern, Fichten, Buchen in Reinkultur. Die Forste wurden trockengelegt und vor allem im 20. Jahrhundert Schotterwege und Forststraßen für Harvester und Lastwagen in die Wälder gebaut.

Heute ist unumstritten, dass Forststraßen die Fähigkeit des Waldbodens zur Wasseraufnahme und dem Wasserrückhalt schädigen (Studie zu Waldboden und Studie zu Forstwirtschaft und Wasser). Die Straßen und schweren Maschinen zerdrücken die Poren und Kapillaren in den Böden, so dass Wasser nicht versickern kann. Zudem fließt über die planierten und geschotterten Forststraßen sehr viel Wasser in tiefere Lagen, Gräben und in Bäche ab. Sie leiten das Wasser ab und an Hangstraßen rauscht das Regenwasser davon wie auf einer Rutsche. Regenwasser gelangt gar nicht erst in den Wald.

Fliegenpilz
Foto: Sina Löschke

Gestörtes Bodenleben: Extreme Trockenheit verhindert die Zersetzungsprozesse im Boden. Regenwürmer verkriechen sich nach weit unten, sie und die Springschwänze, Tausendfüßler, Pseudoskorpione rollen sich zusammen und harren im Trockenschlaf aus. Mikroben und Pilze erstarren, bis Regen sie weckt. Solange bleiben Blätter unzerkaut liegen. Stickstoff, Phosphor und andere für die Gesundheit der Bäume unerlässliche Nährstoffe gelangen nicht in den Boden. „Die Ökosystemdienstleistungen sind beeinträchtigt“, sagt Beate Michalzik, Professorin für Bodenkunde an der Universität Jena. Sie leitet ein Forschungsprojekt im Forschungsverbund AquaDiva in dem die Zusammenhänge zwischen den Dingen, die auf und in dem Boden passieren erforscht werden.

Verfestigter Waldboden ändert Wasserhaushalt deutlich

Die Forstverwaltung im rheinland-pfälzischen Soonwald verringert daher seit einigen Jahren die Forststraßen und unterhält nur noch 21 Meter Forstweg pro Hektar Wald. „Zur Entschärfung der Abflusssituation aus dem Wald ist das vorhandene Wegenetz auf seine Notwendigkeit zu überprüfen und ggf. aufzulassen“, schreibt Gebhard Schüler von der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland‐Pfalz. Dort hat er das umfangreiche EU-Projekt „Wasserrückhalt durch vorsorgende Landnutzung“ geleitet und die Erkenntnisse aus mehreren Jahrzehnten Waldforschung zusammengetragen. „Der Oberflächenabfluss von einem befestigten, aber bereits vollständig wieder begrünten Weg ist durch die Verdunstung und den Wasserverbrauch des Pflanzenbewuchses bis zur Hälfte reduziert“, schreibt Schüler in der umfassenden Zusammenstellung aus Wissenschaft und Praxis. Mit Kolleginnen und Kollegen aus Forst, Waldbau und Wissenschat beantwortet er die waldbaulich alles entscheidende Frage:  Wie kommt das Wasser wieder in den Wald?

Professor Dr. Gebhard Schüler hat für Waldbesitzende und Förster einen „Katalog von Maßnahmen, die dem Wasserrückhalt im Wald dienen“ erstellt. Die Liste umfasst 81 Maßnahmen aus Wald-, Wege- und Wasserbau, Naturschutz, Bodenkunde und Gewässerumbau. Der Katalog der Maßnahmen zeigt, wie weit das Umdenken in Waldbau und Forstwirtschaft gehen muss. Schüler schlägt unter anderem vor, mehr naturnahe Wälder zu schaffen, mehr Mischwälder mit einer kleinräumigen Waldstruktur, Bodenpflanzen und Sträuchern zu ermöglichen. Er fordert ein Befahrungsverbot mit Maschinen und das Ende von Kahlschlägen und der vollständigen Beräumung des Bodens. Denn offene Waldböden nach Kahlschlägen halten kaum Wasser. Je mehr Totholz herumliegt, je rauer und ungeordneter der Boden ist, desto mehr Wasser hält sich und versickert. (Quellen 5)

Mehr als Gräben zu schließen notwendig

Naturnahe Wälder und natürlich bewirtschaftete Wälder erfüllen einen Großteil der Wasserfreundlichen Kriterien. Doch auch in wieder naturnah bewirtschafteten Wäldern ziehen sich oft Gräben und Entwässerungskanäle durch den Boden. Als Laie kommt man schnell zu dem Schluss, dass die Gräben und Entwässerungskanäle einfach geschlossen werden könnten. Doch sind die Zusammenhänge im Ökosystem Wald und Boden komplizierter. Die Gräben und Kanäle zerschneiden den Boden wie ein Messer eine Apfelsine. Jede Zelle ist zerschnitten und der Orangensaft läuft auf der ganzen Fläche heraus – auch wenn ein Teil abgedeckt wird oder unzerschnitten bleibt. Im Waldboden zerstören die Gräben die feinen Röhrchen der Kapillaren und die natürlichen Poren, durch die Wasser auch parallel zur Oberfläche läuft. Bodenkundler sprechen vom Hangzugwasser oder Interflow. Dieses an Hängen parallel zur Oberfläche fließende Wasser gelangt nicht ins Grundwasser.

Foto: Yvonne Bohr

Brandgefährliche Trockenheit: Gerade Fichten und Kiefern reagieren besonders empfindlich auf Hitze und Dürre. Sie brauchen viel Wasser und kühle Temperaturen. Dennoch wurde in der Vergangenheit gerade in diesen Forsten der Boden, für einen guten Zugang durch Forstmaschinen, entwässert. Die Folgen: Diese Nadelforste sind mittlerweile stark von Waldbränden betroffen.

Viele kleine Maßnahmen bringen mehr Wasser

In natürlichen Wäldern ohne Gräben sammelt sich das Hangzugwasser in Mooren im Tal, Bächen oder auf Gesteinsschichten im Boden. Auf jeden Fall bleibt der Interflow im Ökosystem. Im Gegensatz zum Graben, der bis zu 60 Prozent des Wassers aus dem Wald ableitet. Gräben verändern den Wasserhaushalt im Wald in manchen Regionen unwiederbringlich. Ist der Interflow von einem Graben durchtrennt, sammelt sich das Wasser dort – selbst wenn der Graben mit Sand, Steinen, Ästen und Laub zugefallen und scheinbar nicht mehr vorhanden ist. Die Poren und Kapillaren existieren nicht mehr, um das Wasser abzuleiten.

Die Gräben und Entwässerungsrinnen in Wäldern müssen verbaut werden, der Abfluss verstopft werden, damit sich das Wasser in Mulden, Tümpeln, Rückhaltebecken sammelt und von dort langsam in den Waldboden sickern kann. Schüler und seine KollegInnen empfehlen, möglichst viele solcher Kleinrückhalteräume im Wald anzulegen und auch Wasser gezielt durch die bestehenden Gräben und neue Rinnen in die Waldbereiche zu leiten, in denen Böden viel Wasser aufnehmen können. Derartige „rückhaltefähige Waldbestände“, sowie Mulden und Tümpel stärken auch die biologische Vielfalt im Wald. Die Wasserlöcher bieten einer Vielzahl an Insekten und anderen Wirbellosen sowie Fröschen, Molchen, Unken eine hervorragende Kinderstube und Lebensraum.

Literatur


Quellen und weiterführende Literatur:

  1. Fehlende Niederschläge lassen Böden stark austrocknen, Deutscher Wetterdienst zur extremen Trockenheit in Deutschland, 12.08.2022.
  2. Bodenfeuchteviewer des Deutschen Wetterdienstes
  3. Waldmonitor Deutschland
  4. Schüler, G., Gellweiler, I. und S. Seeling (Hrsg. 2007): Dezentraler Wasserrückhalt in der Landschaft durch vorbeugende Maßnahmen der Waldwirtschaft, der Landwirtschaft und im Siedlungswesen. Mitteilung aus der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft,Nr. 64/07
  5. BLUMRÖDER, J.S., W. HÄRDTLE, F. MAY & P.L. IBISCH (2021): Forestry contributed to warming of forest ecosystems in northern Germany during the extreme summers of 2018 and 2019. Ecological Solutions and Evidence. DOI: 10.1002/2688-8319.12087
  6. Pierre L. Ibisch, Charlotte Gohr, Deepika Mann & Jeanette S. Blumröder (2021). Der Wald in Deutschland auf dem Weg in die Heißzeit. Vitalität, Schädigung und Erwärmung in den Extremsommern 2018-2020. Centre for Econics and Ecosystem Management an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde für Greenpeace. Eberswalde.

Weitere Literatur

Studie, welchen Zusammenhang es zwischen Borkenkäferschäden und der späteren Trinkwasserqualität gibt.


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