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Dringender Appell: EU muss Gesetze zum Schutz der Wälder umsetzen

Europas Wälder sind in einem alarmierenden Zustand. Die Naturwald Akademie fordert gemeinsam mit 150 internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Entscheidungsträger der EU auf, ihre Verpflichtungen zum Schutz und zur Verbesserung der Wälder zu erfüllen.

Mehr als 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben eine Aufforderung an die Entscheidungsträger der EU, darunter die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und die ungarische EU-Ratspräsidentschaft, unterzeichnet, die eingegangenen Verpflichtungen zur Verbesserung des Zustands der Wälder in der EU zu erfüllen. Dringend geschützt werden müssen vor allem Primär- und Altwälder.

Die Naturwald Akademie gehört zu den Erstunterzeichnern dieses Briefs. Unterzeichner Dr. Stefan Kreft erläutert die Bedeutung der Wälder für die biologische Vielfalt: „Die Wälder in der Europäischen Union sind in einem schlechten Zustand. Ganz besonders schlecht steht es um die letzten Urwaldreste, die praktisch nur in Südosteuropa und in Skandinavien überdauert haben. Was sich dort abspielt, ist dieselbe alptraumhafte Waldzerstörung, von der wir alle dachten, dass es sie nur im Amazonasgebiet, im Kongobecken und in Südostasien gibt. Und gleichzeitig importiert die EU Holz von anderen Kontinenten. Unser ungebremster Konsum von Holz zerstört also Wälder auch außerhalb Europas.“

Wälder erbringen wichtige Ökosystemleistungen

Im Vorfeld der 16. Konferenz der Vertragsparteien (COP16) des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) richten die unterzeichnenden Wissenschaftler aus 24 Ländern, darunter 19 EU-Mitgliedstaaten, einen eindringlichen Appell an die Entscheidungsträger, die Umsetzung des EU Green Deal fortzusetzen. Waldökosysteme, heißt es, kämen der gesamten Gesellschaft zugute, da sie eine breite Palette von Ökosystemleistungen erbrächten. Dazu zählen die Bereitstellung von Holz, die Regulierung des Wasserhaushalts, die Förderung des Mikroklimas und Lebensräume für viele bedrohte Arten. Zudem böten sie die Fähigkeit zur Anpassung an Klima- und Umweltveränderungen.

Das am 7. Oktober 2024 veröffentlichte Schreiben verweist auf die EU-Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt – ein bis 2030 umzusetzendes Rahmenwerk – und betont den Wert der Ökosystemleistungen. Einige, wie die Kohlenstoffspeicherung durch alte Wälder oder die Regulierung und Filterung der Wasserversorgung, seien wichtiger als Bereitstellung von Holz und anderen Produkten aus Wäldern.

Alarmierender Zustand trotz Strategien

Trotz der festgelegten EU-Strategien zur Biodiversität, warnen die Unterzeichner, befänden sich die Wälder in der EU nach wie vor in einem alarmierenden Zustand. Nur 14 Prozent der Waldlebensräume im Natura-2000-Netz wiesen einen günstigen Erhaltungszustand auf. Dies zeige die Dringlichkeit, Maßnahmen zur strengen Erhaltung von Primär- und Altwäldern zu ergreifen, die bislang lediglich 4 Prozent der europäischen Wälder ausmachen. Stefan Kreft: „Auch in Deutschland reicht der Schutz für alte Wälder nicht aus. Die Ergebnisse der neuen Bundeswaldinventur sind katastrophal. Die Waldökosysteme sind zerbrechlich geworden, zu wenig vielfältige Natur im Wald steht zu vielen eintönigen Monokulturen gegenüber. Der Klimawandel hat ein leichtes Spiel, Monokulturen sterben ab. Am erschreckendsten für uns WaldökologInnen ist, dass das Wachstum auch der überlebenden Bäume messbar stark nachlässt. Die Bäume können nicht mehr.“

Für den Waldschutz, so heißt es in dem Appell, brauche es die schnelle Umsetzung des EU-Gesetzes zur Wiederherstellung der Natur und die effektive Wiederherstellung degradierten Waldökosysteme zur Verbesserung der ökologischen Integrität und der Biodiversität.

Holz darf nicht länger als nachhaltige Energiequelle gelten

Zudem müsse ein rechtlicher Rahmen zum Schutz von Primärwäldern erstellt und strikte Maßnahmen gegen deren Abholzung implementiert sowie politische Regularien formuliert werden. Nur so kann der Druck auf Wälder aufgrund der Nachfrage nach Holzprodukten verringert werden.  Auch dürfe Holz nicht mehr als nachhaltige Energiequelle gelten.

Die Unterzeichner fordern, dass die EU die folgenden Grundsätze für die Wälder in der EU anerkennt

1. Klimaschutz und Werte der biologischen Vielfalt sind miteinander verflochten.

2. Waldökosysteme als natürliche Lebensräume sind selbsterhaltend und bedürfen keiner aktiven Eingriffe des Menschen und der Bereitstellung von Holz.

3. Je höher der Grad der Integrität des Ökosystems eines Waldes ist, desto größer ist seine Widerstandsfähigkeit und Resistenz gegenüber Störungen und desto größer ist sein Nutzen für den Klimaschutz und seine Anpassungsfähigkeit.

Literatur


Quellen und weiterführende Literatur:

  1. Pressemitteilung der Forest Defender Alliance
  2. Offener Brief der Wissenschaftler
  3. Bodenbender, L. Die EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur – Ein Überblick. https://doi.org/10.1007/s10357-024-4424-x, https://rdcu.be/dRg70
  4. Nature Restoration Law: Handlungsbedarf für die Novellierung des Bundeswaldgesetzes
    Gutachten im Auftrag von Greenpeace


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