Eiche

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FFH-Wälder besser geschützt – Urteil mit Signalwirkung

Die Forstwirtschaftspläne für den streng geschützten Leipziger Auwald müssen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung unterzogen werden. Das entschied das Oberverwaltungsgericht Bautzen nach einer Klage der Grünen Liga Sachsen e.V. gegen die Stadt Leipzig. Forstämter müssen zukünftig bundesweit in FFH-Gebieten[1] naturschutzfachlich prüfen lassen, welche Auswirkungen Baumfällungen auf Tiere, Pflanzen und Lebensräume haben können.

Mittelspecht, Eremit-Käfer und Mopsfledermaus im Leipziger Auwald verlieren nicht ihren Lebensraum. Das Forstamt muss in Zukunft eine Verträglichkeitsprüfung durchführen lassen, bevor die Waldarbeiter in ihrem Habitat Bäume fällen. Dies hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht entschieden (Az: 4B 126/19 vom 09.06.2020). Einzig an Straßen dürfen Bäume zur Verkehrssicherung fallen.  Weder mit Loch- und Femelhieben[2] oder Sanitärdurchforstungen[3] dürfen Förster mehr den Auwald ausdünnen.

Das Urteil wird folgenreiche, das ganze Bundesgebiet betreffende, Auswirkungen haben. Es betrifft staatliche wie private Forstämter und deren Wirtschaftsweise in allen FFH-Gebieten.

Auenwald Leipzig
Foto: Johannes Hansmann

Leipziger Auenwald
Die Hartholz-Auenwälder sind laut Sächsischem Landesumweltamt (siehe Quelle 2) „vom Aussterben bedroht, sofern die widrigen Umstände des Gesamtwasserhaushaltes dauerhaft Bestand haben.“ Seit rund 100 Jahren trocknet der Auwald aus. Die ehemals den Auwald prägenden Flüsse Elster, Pleiße und Luppe wurden so verändert, dass sie den Auwald nicht mehr überschwemmen. Aus der ehemaligen Weichholzaue wurde so im 20. Jahrhundert ein Hartholzauwald. Nur an wenigen Stellen haben Schwarzerlen- oder Weichholz-Auwälder überlebt. „Eine besonders schonende Waldpflege und eine sehr zurückhaltende Waldbewirtschaftung sind essenziell, damit die vorhandenen Potenziale nicht leichtfertig verspielt werden“, schreiben die Experten Ibisch und Weber in einer Stellungnahme (siehe Quelle 1).

Der Leipziger Auwald – ein Trauerspiel mit Motorsäge und Harvester

Das Forstamt Leipzig hat in den FFH-Lebensraumtypen Hartholzauwald und Eichen-Hainbuchenwald viele und alte Bäume fällen lassen und damit das ökologische Ziel in dem Natura 2000-Gebiet missachtet.

„Femellöcher stellen Kleinkahlschläge dar, die zu einer nahezu vollständigen Zerstörung aller vorhandenen Waldstrukturen und einer starken Beschädigung aller Waldbodenfunktionen führen“ schreiben Prof. Dr. Pierre Ibisch von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde und der Forstwirt Karl-Friedrich Weber in einer Stellungnahme zur Forstwirtschaft im Leipziger Auwald vor dem Urteil des OVG Bautzen (siehe Quellen). Sie raten von „einer Fortsetzung der Femelbewirtschaftung dringend ab.“ Damit widersprechen die beiden Waldökologen der jahrelangen Forstpraxis im Natura 2000-Gebiet[4] des Leipziger Auwaldes.

Dabei geht es dem Leipziger Auwald auch ohne die Eingriffe der Forstwirtschaft nicht gut, berichten Mitglieder von NuKla e.V. Um dennoch von dem seltenen Auwald zu retten, was zu retten ist, hatte das Land Sachsen das „Leipziger Auensystem“ unter den Schutz der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) und die Europäische Vogelschutzrichtlinie gestellt. Die an die EU-Kommission gemeldeten Tierarten, Pflanzen und Lebensräume im Auwald dürfen deshalb weder gestört noch verschlechtert werden.

Hat Leipzig Forstwirtschaftspläne ohne Naturprüfung erlassen?

Der Europäische Naturschutzstatus hat das zuständige Forstamt der Stadt Leipzig und die politisch Verantwortlichen in der Stadt von ihren geplanten Eingriffen nicht abgebracht. „Die Stadt hat wahrscheinlich die Forstwirtschaftspläne erlassen und ausgeführt ohne zuvor die Auswirkungen auf die Natur zu überprüfen. Die Förster haben jede Menge alte Bäume gefällt und rausgeholt“, sagt Wolfgang Stoiber, Vorsitzender des Leipziger Vereins Naturschutz und Kunst (NuKLA). Stoiber und andere Naturschützer beobachten seit 2011 das forstwirtschaftliche Treiben im FFH-Gebiet. Mehrfach hat Stoiber den Forstamtsleiter und die politisch Verantwortlichen in Leipzig zur Beachtung der FFH-Regeln aufgefordert.

„Naturschutz haben die Förster mit dem Harvester umgesetzt“, sagt Stoiber, der das Klageverfahren der Grünen Liga Sachsen e.V. gegen den Forstwirtschaftsplan 2018 mit dem Verein NuKLA e.V. unterstützt hat. Zunächst beim Verwaltungsgericht Leipzig, dann gingen die Kläger in die 2. Instanz beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht.

Urteil betrifft alle Waldbesitzer von FFH-Gebieten

Das Oberverwaltungsgericht Bautzen hat im Juni 2020 entschieden, dass der Forstwirtschaftsplan von 2018 nicht durchgeführt werden darf, solange eine Verträglichkeitsprüfung nicht geklärt hat, wie sich Baumfällungen auf geschützte Arten und Lebensräume auswirkt. „Damit steht auch fest, dass die Stadt diese Verträglichkeitsuntersuchung nicht einfach mit dem Argument umgehen kann, dass diese Baumfällungen dem Erhalt des Leipziger Auwaldes dienen“, schreibt Kanzlei Baumann. Die im Urteil formulierten Grundsätze müssen nun bei den kommenden Forstwirtschaftsplänen berücksichtigt werden, insbesondere müssen im Rahmen einer Verträglichkeitsprüfung die anerkannten Umwelt- und Naturschutzverbände miteinbezogen werden.

„Das Urteil hat bundesweite Signalwirkung“, sagt Rechtsanwältin Dr. Franziska Heß, die die Klage geführt hat. „Das OVG Bautzen hat entschieden, dass ein Forstwirtschaftsplan grundsätzlich ein Projekt ist, das man einer FFH-Verträglichkeitsprüfung unterziehen muss – diese Grundsätze sind auf alle Forstwirtschaftsplanungen und auf alle Waldnutzer übertragbar.“  Forstverwaltungen von Kommunen oder Bundesländern müssten sich nun überlegen, wie ihre Wirtschaftsweise ein FFH-Gebiet in ihrem Wald berührt. Und ob sie schon einen FFH-Managementplan haben, in dem die Forstwirtschaftsplanung ausreichend geprüft wurde, um eine Verträglichkeitsprüfung entbehrlich zu machen.

Waldbesitzer schweigen noch zum Urteil

Über die Auswirkungen des Urteils hätte die Naturwald Akademie gern mit dem zuständigen Leipziger Förster oder einem Vertreter der Stadt Leipzig gesprochen. Beide haben abgelehnt, unsere schriftlichen Fragen blieben unbeantwortet.

„Das Urteil betrifft natürlich auch die private Forstverwaltung, da der Projektbegriff unabhängig davon gilt, ob es um staatliche oder private Forstwirtschaft in Schutzgebieten geht“, sagt Dr. Heß.

Leider konnte die Naturwald Akademie trotz mehrerer Versuche auch keinen Vertreter der privaten Waldbesitzer zu einer Einschätzung des Urteils gewinnen.

Eine Verträglichkeitsprüfung ist aufwendig. Experten müssen eine vollständige Bestandsaufnahme der Lebensraumtypen und Arten in einem Gebiet durchführen. Anhand der gesammelten Daten und der besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen sie dann abschätzen, wie sich die geplanten Maßnahmen auf Tiere, Pflanzen und Lebensräume auswirken. Wenn die Forsthiebe das Leben im Wald erheblich beeinträchtigen können, „ist das grundsätzlich unzulässig und bedürfte vor der Durchführung einer Ausnahmegenehmigung“, sagt Dr. Heß. Das Forstamt darf beispielsweise keinen Brutbaum von Fledermäusen mehr fällen oder im geschützten Eichen-Lebensraumtyp Bäume entnehmen. „Für die Forstwirtschaftspläne war eine FFH-Verträglichkeitsprüfung bisher letztlich bundesweit nicht übliche Praxis, weil der Forst immer davon ausging, das tangiere ihn nicht“, sagt Dr. Heß. „Das ändert sich jetzt.“

Anmerkungen

[1] Naturschutzgebiete, die für das Schutzgebietssystem Natura 2000 (s. dort) ausgewählt wurden. Welche Gebiete für dieses Netz geeignet sind, bestimmen zwei gesetzliche Richtlinien: die Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH-Richtlinie, vom 21. Mai 1992, 92/43/EWG) und die Vogelschutzrichtlinie (vom 2. April 1979, 79/409/EWG). In diesen Richtlinen werden Arten und Lebensraumtypen genannt, welche besonders schützenswert sind und für die ein Schutzgebietsnetz aufgebaut werden soll. Die Zuordnung der Gebiete geschieht dann durch die Bundesländer. Die FFH-Gebiete umfassen auch schon bestehende Schutzgebiete nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG).

[2] Kleinflächige Kahlschläge, die dazu führen, dass es Flächen im Wald gibt, die nicht mehr beschattet sind

[3] Als Sanitärhieb bezeichnet man das Fällen von absterbenden, kranken oder toten Bäumen beziehungsweise Baumgruppen außerhalb der planmäßigen Nutzung.

[4] Siehe auch Fußnote 2


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