Bildung
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Heilpflanzen – der Schatz aus dem Wald
Der Wald ist eine Apotheke. Die Blüten der Schlüsselblume lindern Migräne und Kopfschmerz, der Sud aus den Wurzeln des Weidenröschens hilft bei Entzündungen der Mundschleimhaut, die Bärentraube stärkt Niere und Blase, der Tee aus dem Gefleckten Lungenkraut vertreibt Husten und Halsschmerzen. Ein großer Teil der Sträucher, Kräuter und Bäume in den heimischen Wäldern wird seit Jahrtausenden für Heilzwecke genutzt.
Berühmt sind die ätherischen Öle der Latschenkiefern aus den Alpen gegen Erkältungen. Etliche der Pflanzenheilstoffe werden längst in der Pharmaindustrie hergestellt. So löst sich die schmerzlindernde Salicylsäure aus der Rinde von Weiden heutzutage sprudelnd als Aspirin im Wasserglas auf, doch die fiebersenkende und antientzündliche Wirkung der Weidenrinde kannte schon der Heiler Hippokrates in der Antike.
Instinktiv die richtigen Kräuter erkannt
Das Wissen über die Heilkräfte der Pflanzen entschied seit jeher über Wohl und Wehe des Menschen. Schon die Jäger und Sammler kannten Pflanzen gegen Entzündungen, Prellungen und Vergiftungen, auch wenn sie die chemischen Komponenten der Pflanzen nicht kannten. „Die Hominiden waren, wie undomestizierte Tiere noch immer, sicher in ihren Instinkten. Anders ausgedrückt, durch ungetrübte Sinne und innere Resonanz erkannten sie die Eigenschaften der Pflanzen“, schreibt Wolf-Dieter Storl, Kulturanthropologe und Heilkräuterkenner aus dem Allgäu (1).
Von Schimpansen – den nächsten Verwandten des Menschen – weiß man, dass sie Blätter und Wurzeln bestimmter Pflanzen gegen Durchfall, Entzündungen oder Pilzerkrankungen nutzen. Die Schimpansenforscherin Jane Goodall hat beobachtet, dass Schimpansen die bitteren Antibiotikahaltigen Blätter der Aspilia-Pflanze suchen und widerwillig herunterwürgen. Es liegt also nahe, dass auch unsere Vorfahren vor ein paar Hunderttausend Jahren intuitiv wussten, was ihnen gut tut.
Weltweit nutzen Menschen die Heilpflanzen der Wiesen, Moore und Wälder. Wer hierzulande in einen Kräuterladen geht, findet Heilkräuter für alle Beschwerden und fast jede Krankheit.
Fünf Kräuter, die üppig wachsen und jeder leicht entdeckt
Im Wald finden Kräuterkundige den Waldmeister (Galium odoratum). Er färbt die berühmte Maibowle und die Berliner Weiße grün und gibt beiden den unverwechselbaren Geschmack. Der stammt vom Cumarin in den Blättern des Waldmeisters, die am besten im April vor der Blüte geerntet werden. Cumarin ist giftig, wie auch der Alkohol in der Maibowle, doch entscheidet bei beiden die Dosis über die Wirkung. Denn der Waldmeister ist auch ein Heilmittel. Ein Tee aus getrockneten Waldmeisterblättern wirkt entschlackend, harntreibend, schweißtreibend und bekommt dem Magen gut. Damit das Cumarin wirksam werden kann, müssen die Blätter getrocknet werden. Dann erst entsteht das herrliche Waldmeister-Aroma.
Auch Gundermann (Glechoma hederacea) wächst in deutschen Wäldern, an Wald- und Heckenrändern und erfreut Gourmets ebenso wie Heiler. Der aromatisch-minzige Geschmack des kleinen Krauts würzt Salate, Butterbrote, Eintöpfe und stärkte bis ins späte Mittelalter auch das Bier. Die kluge Kräuterfrau Hildegard von Bingen lobte Gundermann als „Kraft aus der Ewigkeit und diese Kraft ist heilsam.“ Sie empfahl Gundermann als Brustwickel oder Badezusatz bei Geschwüren und allerlei Atemwegserkrankungen. Die ätherischen Öle im Gundermann sind schleimlösend und helfen daher bei Bronchitis, Schnupfen, Husten. Entweder als Tee trinken oder den Dampf inhalieren.
Das Scharbockskraut (Ranunculus ficaria) bedeckt am März den Boden in vielen Wäldern. Vor der Blüte gesammelt, stärken die wachsartigen Blätter den vom Winter geschwächten Organismus. Denn Scharbockskraut ist reich an Vitamin C, weshalb europäische Seefahrer die Blätter in früheren Zeiten gegen den Skorbut mit auf Reisen nahmen. Das junge Scharbockskraut kann den Salat oder Frühlingsspinat bereichern. Es wirkt blutreinigend und unterstützt die Frühjahrskur. Es soll außerdem hautreinigend wirken und als Tee gegen Hautverunreinigungen helfen.
Waldläufer können ihre Mückenstiche mit dem Saft vom Giersch (Aegopdium podagraria) besänftigen. Einfach einen Stängel abbrechen und den frischen Saft auf die Insektenstiche tupfen. Die rohe Pflanze soll auch gegen Gicht helfen, was Wanderer vermutlich nicht gleich bemerken.
Die Wald-Erdbeere (Fargaria vesca) ist natürlich wegen ihrer Früchtchen beliebt. Doch auch in den Blättern stecken wunderbare Kräfte. Ein Tee aus den getrockneten und gehackten Blättern stärkt die Leber – zum Beispiel nach der Maibowle.
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Literatur
Quellen und weiterführende Literatur:
- Wolf-Dieter Storl, Pflanzendevas, Die geistig-seelischen Dimensionen der Pflanzen, München 2010. Zitat 1: Seite 69
- Wolf-Dieter Storl, Heilkräuter und Zauberpflanzen zwischen Haustür und Gartentor, München 2007.
- Detlev Henschel, Essbare Wildbeeren und Wildpflanzen, Stuttgart 2002.
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