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Heimvorteil
Welche Bäume sollen wir im Hinblick auf den Klimawandel pflanzen? Dieser Frage hat sich Helge Meischner in seiner Masterarbeit gewidmet. Sein Fazit: Think Local – standortheimische Arten bevorzugen! Für seine Arbeit erhielt der Marburger den Naturwald-Preis für Forschung 2019.
Die Klimamodelle sprechen eine klare Sprache: Es wird wärmer in den meisten Regionen. Das gilt auch für Mitteleuropa: Wissenschaftler der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich haben für 520 Städte untersucht, wie sich das Klima dort bis zum Jahr 2050 verändern wird. Das Ergebnis: London wird zu Barcelona, Stockholm zu Budapest, in Berlin werden sogar australische Verhältnisse vorherrschen.
Doch wie reagieren unsere Bäume darauf? Sind sie den Veränderungen schutzlos ausgeliefert und sterben reihenwiese ab? Oder kommen sie gar gut mit den neuen Bedingungen zurecht und passen sich an? Sollen wir andere Baumarten pflanzen?
Überlegungen gehen dahin, in klimatische Regionen zu schauen, die heute schon das Klima haben, das wir voraussichtlich in 50 Jahren sehen werden. So könnte man etwa Buchenkeimlinge aus Italien nach Deutschland umsiedeln. Das Problem dabei: Selbst die Wissenschaft weiß nicht genau, was dabei passiert. Unter Umständen ist der Schaden viel größer als der Nutzen.
Grund genug für Helge Meischner sich mit der Thematik eingehend zu beschäftigen. Bis vor kurzem studierte er an der Fakultät für Biologie der Philipps Universität in Marburg und schrieb dort seine Masterarbeit zum Thema Genetik von Rotbuchen (Fagus sylvatica) – und wie sich die Bäume aus verschiedenen Regionen anpassen können. Für seine Arbeit erhielt er 2019 den Naturwald-Preis für Forschung von der Naturwald Akademie.

Lübeck, 24.10.2019: Anlässlich der 9. Lübecker Waldtagung wurden Patrick Weber und Helge Meischner mit dem Naturwald-Preis 2019 ausgezeichnet. Der Naturwald-Preis wurde bereits zum zweiten Mal vergeben. Mit ihm möchte die Naturwald Akademie den wissenschaftlichen Nachwuchs im Bereich der Naturwaldforschung unterstützen.
Nur die Harten kommen in den Garten
Meischner verglich Bäume auf mikrolokaler Ebene, die jedoch unter gewaltig unterschiedlichen Bedingen leben. Zum einen waren das „Bilderbuch-Buchen“, groß und gerade gewachsen, die auf ebenem und gut bewässertem Boden stehen. Zum anderen hungerwüchsige Bäume, die an einem steinigen Steilhang wachsen, oft mehrstämmig und nur wenige Meter hoch.
Meischner stellte die Hypothese auf, dass die unter erschwerten Bedingungen lebenden Rotbuchen für Stress besser gewappnet sind, als die Bilderbuch-Bäume. Frei nach dem Sprichwort „Nur die Harten kommen in den Garten“, sollte man meinen, dass jene Bäume, die sich seit Jahrhunderten mit widrigen Umweltbedingungen herumschlagen, eben auch besonders abgehärtet sind. Denkste! Meischner fand in seinen Versuchsreihen heraus, dass der Mutterbaum den größeren Einfluss hat und nicht die Herkunft. „Die Adaptionsfähigkeit der heimischen Art ist unterschätzt“, leitet Helge Meischner davon ab. Und fügt an: „Wir brauchen hierzu viel mehr Forschung auf lokaler Ebene.“
600 kleine Bäumchen
Und so sah Meischners Versuch aus: Er sammelte im Frühjahr unter je 25 Mutterbäumen je 300 Keimlinge. Alles in allem also 600 kleine Bäumchen, je zur Hälfte von den misswüchsigen und den Bilderbuch-Buchen abstammen. Die Keimlinge wurden markiert und im Gewächshaus unter kontrollierten Bedingungen aufgezogen. Dann unterzog er einen Teil der jungen Bäume einem Mortalitätstest, wobei er zahlreiche Parameter wie etwa Bodenfeuchte, stomatale Leitfähigkeit, Höhe und Stammdurchmesser notierte. Meischners Messreihen zeigten, dass kein Abhärtungsprozess stattfindet: „Das erstaunliche war, dass die Pflanzen vom guten Standort am längsten überlebt haben.“
Meischners Ergebnisse bestätigten vorangegangene Untersuchungen (Common Garden Experiment, Nguyen et al. 2017), die zeigten, dass Bäume, die in Gebieten hohen Niederschlags leben, besser mit schwerer Dürren zurechtkommen. Und umgekehrt, dass Bäume, die in Gebieten niedrigen Niederschlags leben, besser mit leichten Dürren zurechtkommen.
Meischners Fazit: Samen über weite Strecken herzuholen sei nicht ideal. Vielmehr sollten wir lokal denken und den heimischen Arten vertrauen und eine Chance geben.
Masterarbeit von Helge Meischner: Fagus sylvatica seedlings from contrasting sites show no differences in drought response, 2018, Faculty of Biology Department of Nature Conservation Working Group of Nature Conservation Prof. Dr. Birgit Ziegenhagen, Philipps Universität Marburg
Ergänzung
Hitzesommer überleben oder austrocknen? Studie in hessischen Wäldern nach Trockenjahren: Forscher*innen identifizieren Gene für Dürreresistenz in Buchen
Welche Bäume überstehen trockene Hitzesommer und welche tragen starke Schäden davon? Für Buchen kann man diese Frage nun per Genomanalyse beantworten. Ein Team um Prof. Dr. Markus Pfenninger vom LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik und dem Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum hat geschädigte und gesunde Buchen in Hessen untersucht und Bereiche in deren Erbgut identifiziert, die für Dürreresistenz zuständig sind. Anhand dieser DNA-Abschnitte lässt sich für jeden einzelnen Baum sagen, wie gut er längere Trockenperioden übersteht. Dank gezielter DNA-Tests könnten daher widerstandsfähige Exemplare für die Forstwirtschaft ausgewählt und Buchenwälder für den Klimawandel fit gemacht werden. Die Studie hat das Fachmagazin „eLife“ veröffentlicht.
Publikation: Pfenninger, M., Reuss F., Kiebler, A., Schönnenbeck, P., Caliendo, C., Gerber, S., Cocchiararo, B., Reuter, S., Blüthgen, N., Mody, K., Mishra, B., Bálint, M., Thines, M., Feldmeyer, B. (2021). Genomic basis for drought resistance in European beech forests threatened by climate change. eLife 10:e65532 DOI: 10.7554/eLife.65532