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Kohlenstoffaustausch über Pilz-Netzwerke im Waldboden

In der Wissenschaft existieren zurzeit viele Beiträge, zum Teil auch Meinungspapiere, zur Debatte über den Kohlenstoffaustausch (C-Transfer) zwischen Bäumen über unterirdische Pilz-Netzwerke, sog. Gemeinsame Mykorrhiza-Netzwerke (engl. CMN). In dem Open-Letter-Beitrag Belowground carbon transfer across mycorrhizal networks among trees: Facts, not fantasy, der im Peer-Review -Verfahren geprüft wurde, gehen die Autoren auf unterschiedliche Kritikpunkte ein. Zudem argumentieren sie, dass die Fakten zum unterirdischen C-Transfer über gemeinsame Mykorrhiza-Netzwerk solide sind und sich verdichten.

Pilz-Netzwerke im Waldboden

Mykorrhizen sind Pilzverbindungen zwischen Pflanzenwurzeln und nützlichen Pilzen. In Wäldern können einige dieser unterirdischen Verbindungen mehr als einen Baum umfassen und ein gemeinsames Mykorrhiza-Netzwerk bilden. Die Mykorrhiza-Symbiose zwischen Pilzen und Pflanzen ist eine der ältesten, allgegenwärtigen und wichtigsten Wechselwirkungen des terrestrischen Lebens auf der Erde. Die Übertragung von Kohlenstoff (C) über ein gemeinsames Mykorrhiza-Netzwerk wurde vor über einem halben Jahrhundert im Labor und später auch im Feld nachgewiesen. Aktuelle Forschungen wiesen mithilfe der DNA-Sondierung mit stabilen Isotopen eindeutig Kohlenstoff-13 in der DNA spezifischer Mykorrhiza-Arten nach, die Wurzeln sowohl von Spender- als auch von Empfänger-Setzlingen besiedeln, die unter natürlichen Bedingungen in Waldböden wachsen. Darüber hinaus wurde die Markierung nicht nur in den Wurzeln, sondern auch in den Stämmen gefunden, wie dies zuvor bei ausgewachsenen Bäumen im Wald beobachtet wurde.

Fünf Forschungsfragen in der Debatte

Die Autoren formulieren folgende Forschungsfragen, die derzeit debattiert werden.

  • Warum ist die-Übertragung so schwer fassbar?

Zum Teil liegt das am Aufbau der Experimente, die sehr kostenintensiv sind. Aufgrund der räumlichen und zeitlichen Komplexität der Mykorrhiza-Netzwerke ist es nicht einfach, den genauen Zeitpunkt des kompletten C-Transfers zu erfassen. Die ökologische Bedeutung des C-Transfers zwischen verschiedenen Baumarten kann durch die Komplexität der Wurzeln der Wirtsbäume und der CMNs verdeckt werden.

  • Wie wichtig sind alternative Übertragungswege?

Alternative Übertragungswerte sind vorhanden, allerdings benennen die Autoren eine Vielzahl an Studien, die verdeutlichen, dass C durch Hyphen-Netzwerke von einer Pflanze zur anderen bewegt werden, da der C-Fluss durch das Pilzmyzel zum Teil viel effizienter ist als durch den Boden.

  • Was ist die Bedeutung für Bäume?

Es scheint wenig wahrscheinlich, dass sich der C-Transfer auf das Wachstum des Empfängers auswirkt. Die Bedeutung des gemeinsamen Mykorrhiza-Netzwerkes ist vielschichtiger, z. B. durch die Bereitstellung von C für die Regulation des osmotischen Drucks oder den Transfer von Verteidigungsmetaboliten. Es gibt wahrscheinlich keinen starken evolutionären Selektionsdruck, um C-Verluste zu verhindern, wenn C während des größten Teils der Lebensspanne eines Baumes ein Luxusgut ist und wenn die Abgabe dieses C an das gemeinsame Mykorrhiza-Netzwerk auch mit Vorteilen verbunden ist (z. B. durch Austausch von Nährstoffe).

  • Wie können wir die kontraintuitive C-Transfer vom Pilz auf den Empfängerbaum erklären?

Der Zuckergehalt ist in den Wirtswurzeln des Baumes durchweg höher als im Pilz, sodass es für den Zucker schwierig ist, sich gegen diesen Gradienten zu bewegen. Diese trifft in den meisten Situationen zu. Es gibt jedoch eine Ausnahme, wenn der Empfängerbaum einer starken Beschattung ausgesetzt ist. In solchen Fällen kann es an den Wurzeln des Empfängerbaums zu einer Verarmung an C kommen, wodurch der Zucker-„Gradient“ von den Pilzen zu den Wurzeln umgekehrt wird. Insgesamt hat sich gezeigt, dass C zusammen mit N (Stickstoff) auf Wirtsbäume übertragen wird, höchstwahrscheinlich in Form von Aminosäuren.

  • Worin besteht der Nutzen für den Pilz?

Der C-Fluss vom Spenderbaum ist eindeutig, da der Pilz von Natur aus heterotroph (Ernährung mit organischen Stoffen von einem anderen Lebewesen) ist und somit von der C-Zufuhr abhängt*. Woran liegt der Vorteil davon? Die Mykorrhiza-Symbiose wird bisher als ein unterirdischer, gattungsübergreifender Austausch von Kohlenhydraten (Pflanze→Pilz) gegen Nährstoffe (Pilz→Pflanze) betrachtet. Allerdings gibt es eine komplexere Sichtweise, bei der Fettsäuren, Aminosäuren und Lipide zwischen Mykorrhizapilzen und Pflanzenwirten übertragen werden. Daher ist eine C-Bewegung zwischen Pilz und Pflanze nicht unwahrscheinlich, wenn C an Nährstoffe (z. B. Aminosäuren) gebunden ist.

Komplexe Organismen mit eigenen Strategien

Der Wettbewerb um Licht, Wasser und Nährstoffe stellt in Wäldern immer noch eine wichtige Interaktion dar. Allerdings wurde auch festgestellt, dass ein C-Transfer zwischen verschiedenen, nicht verwandten Baumarten stattfinden, die sich Mykorrhiza-Arten teilen. Bestimmte Mykorrhiza-Pilze übertragen auch C zwischen Bäumen, einschließlich von Bäumen in der Baumkrone auf Setzlinge oder von sonnenbeschienenen Setzlingen auf schattige Setzlinge derselben oder anderer (nicht verwandter) Arten. Mykorrhiza-Pilze sind nicht nur Kanäle für den Austausch von Ressourcen zwischen Bäumen, sondern komplexe Organismen mit eigenen Strategien. Ohne einen Mechanismus für den von den Bäumen gesteuerten C-Transfer über die Mykorrhiza-Netzwerke wird dieser höchstwahrscheinlich von den Pilzen und nicht von den Bäumen gesteuert. Die Autoren beziehen sich am Ende des Open Letters auf die Neuartigkeit des Forschungsthemas. Daher bedarf es weiterer experimenteller Studien, um zu veranschaulichen, dass ein einziges Mykorrhiza-Myzel verschiedene Bäume miteinander verbindet sowie um zu beurteilen, wann und wie viel Kohlenstoff von einem Baum zum anderen wandert.

Kommentar

Dieser Open Letter verdeutlicht, dass es genügend wissenschaftliche Belege dafür gibt, dass Bäume in Wäldern durch ein gemeinsames Mykorrhiza-Netzwerk verbunden sind und untereinander Kohlenstoff übertragen. Der Letter hat auch darauf hingewiesen, dass noch nicht alle Details dieses komplexen Systems verstanden sind, daher sind weiterführende Studien und Experimente in diesem neuen Forschungsthema notwendig. Vor diesem Hintergrund sind die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen und Gegendarstellung, die diese Erkenntnisse leugnen oder infrage stellen, nicht Teil einer evidenzbasierten Wissenschaft. Insbesondere, wenn die angeführten Studien ggf. falsch interpretiert werden oder  aktuelle Befunde und Studien nicht berücksichtigt wurden.

Unsere Waldökosysteme sind komplex und neue Methoden zeigen die zunehmende Komplexität, die vor 300 Jahren – zu Beginn der Forstwissenschaften –  nicht erahnt wurden . Wissenschaft geht immer weiter und sollte nicht dazu führen, dass sich auf bisherigen Erfahrungen und Wissen ausgeruht wird. Die Erkenntnisse über die bestehenden Mykorrhiza-Netzwerke zeigen, dass neue Bewirtschaftungspraktiken notwendig sind. Ein flächiges Befahren von Waldböden sollte nicht mehr stattfinden. Auch die Bodenbearbeitung kann das filigrane Pilz-Netzwerk zerstören, ebenso wie der Einsatz chemische Mittel. Der Wald als gesamtes System muss im Vordergrund stehen und nicht die Behandlung einzelner Bäume. Insbesondere in Zeiten der globalen Erwärmungen und dessen Auswirkungen ist es wichtig, die Fähigkeiten der Wälder zu verbessern, um Stress zu bewältigen. Schon in den nächsten Jahren könnten neue Erkenntnisse darüber gewonnen werden, wie sich gemeinsame Mykorrhiza-Netzwerke und C-Transfer positiv auf die Widerstandsfähigkeit der Wälder auswirken, da sich dieses Forschungsthema rasch weiterentwickelt.

Fußnote

*Es gibt aber auch einen C-Fluss vom Pilz zur Pflanze: Myko-heterotrophe Pflanzen, denen es an Chlorophyll fehlt. Diese beziehen C von anderen Pflanzen, indem sie während ihrer gesamten Lebensdauer auf den Netzwerken parasitieren. Als Beispiel sind hier 25.000 Orchideenarten zu nennen, die in Symbiose mit den Mykorrhizen leben und die zeigen, dass ein C-Transfer von gemeinsamen Mykorrhiza-Netzwerken auf Pflanzen stattfindet.

Literatur


Klein, Tamir et al: Belowground carbon transfer across mycorrhizal networks among trees: Facts, not fantasy, 2023 [version 1; peer review: 1 approved, 2 approved with reservations], https://open-research-europe.ec.europa.eu/articles/3-168/v1

Weitere Literatur

Joseph D. Birch Suzanne W. Simard Kevin J. Beiler Justine Karst
Beyond seedlings: Ectomycorrhizal fungal networks and growth of mature Pseudotsuga menziesii, Journal of Ecology, 22.09.2020, https://doi.org/10.1111/1365-2745.13507

Andreas Keymer, Priya Pimprikar Vera Wewer, Claudia Huber, Mathias Brands, Simone L. Bucerius, Pierre-Marc Delaux, Verena Klingl, Edda von Röpenack-Lahaye, Trevor L. Wang, Wolfgang Eisenreich, Peter Dörmann, Martin Parniske, Caroline Gutjahr: Lipid transfer from plants to arbuscular mycorrhiza fungi, In: eLife 2017 , elifesciences.org/articles/29107