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Lässt sich mit Wiederbewaldung Regen machen?

Regen machen ist ein alter Traum der Menschheit. Statt Schamanen werden heute Flugzeuge auf die „Jagd“ nach Wolken geschickt. Mit Silberjodid oder anderen Mitteln wird versucht, die Wolken über dem gewünschten Ort zum Abregnen zu bringen. Über die Wirksamkeit dieser Versuche besteht Uneinigkeit. Sicher ist nur ihre Kostspieligkeit. Wie aber sind die Aussichten, wenn man Wald wachsen lässt oder Bäume pflanzt – regnet es dann mehr?

Dieser Frage gehen fünf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrem Übersichtsartikel nach. Das Team, angeführt vom Geowissenschaftler Arie Staal aus den Niederlanden, interessiert sich insbesondere für die Möglichkeiten und Grenzen einer „zielgerichteten Regenvermehrung“. Damit ist gemeint, dass es möglich sein könnte, es in vorbestimmten Regionen mehr regnen zu lassen. „Zielgerichtet“ wäre die Regenvermehrung an einem vorbestimmten Ort insofern, als sie sich durch Waldmehrung an einem anderen Ort herbeiführen ließe. Dafür müssten die regionalen Windverhältnisse berücksichtigt werden. Den Vorgang beschreiben die Forschenden so: Pflanzen nehmen Wasser über die Wurzeln auf und lassen es über die Blätter verdunsten. Die entstehende Luftfeuchtigkeit erhöht die Regenwahrscheinlichkeit und seine Menge. Diesen Kreislauf bringen erst Wälder so richtig in Schwung: Mit ihren tiefen Wurzeln können Bäume mehr Wasser aufnehmen als beispielsweise grasige Vegetation. Wo die Vegetation ganz fehlt, verläuft die Verdunstung noch viel langsamer. Die Gesamtfläche der Blätter, die für die Verdunstung sorgen, in den voluminösen Baumkronen ist ebenfalls einzigartig.

Ein gigantisches Wiederbewaldungsprojekt erbringt den Beweis

Was aber passiert dann mit dem vielen Wasserdampf? Kommt er als Regen in der Nähe wieder herunter oder löst er sich unmerklich in der globalen Atmosphäre auf? Die Autoren können hier auf das Lössplateau in Nordchina verweisen, für das sich der Nachweis des erhofften lokalen Zusammenhangs von Wiederbegrünung und Regenvermehrung glänzend führen lässt. In den Jahren 1985 bis 2015 wurde die weithin verwüstete Region wieder begrünt. Riesige Flächen – 21.000 km2, der Fläche Hessens entsprechend – wurden aufgeforstet oder zu Grassteppen aufgewertet. In der Folge nahm der Niederschlag jedes Jahr im Mittel um 2,76 mm zu. Inzwischen liegt der Unterschied zu der Zeit vor Beginn der Wiederbegrünung bei 54 mm, in dieser ziemlich trockenen Region eine erhebliche Zunahme.

Eine zweite wichtige Frage, die sich anhand der Entwicklungen auf dem chinesischen Lössplateau beantworten lässt, betrifft den Wasserverbrauch durch die neue Vegetation. Wäre dieser höher als die zusätzlichen Regenmengen, hätten die Ökosysteme und die in ihnen lebenden Menschen nicht mehr, sondern weniger Wasser zur Verfügung. Staal und sein Team räumen zwar ein, dass ein solches Ergebnis sich mancherorts einstellen könne, auf dem Lössplateau aber ist die Bilanz jedenfalls positiv – die Region ist jetzt nicht nur grüner, sondern hat auch mehr Grundwasser. Nicht alle Initiativen zur Waldmehrung sind so riesenhaft. Aber auch in kleinerem Maßstab funktioniert der Ansatz – so legen es zumindest Modellierungen nahe, mit denen sich der Weg von Wasser durch die Atmosphäre berechnen lässt, ob flüssig oder als Dampf.

Möglichkeiten und Grenzen der zielgerichteten Regenvermehrung

Das Autorenteam spricht Empfehlungen für bestimmte Regionen der Welt aus, in denen „zielgerichtete Regenvermehrung“ angewandt werden sollte. Bevorzugt kommen Regionen in Frage, die in der Vergangenheit an Waldbedeckung eingebüßt haben und deren Klima mit dem Klimawandel trockener wird oder dies noch werden könnten. Angeführt werden Teile des Amazonasbeckens, Mexiko, Ostchina und die Mittelmeerregion. Hier und anderswo könnte es sich nach Expertenmeinung insbesondere anbieten, Auenwälder wiederherzustellen. Diese selten gewordenen flussbegleitenden Wälder sind gut mit Wasser versorgt und könnten Wasser als „biotische Pumpe“ in Form von Dampf in die Luft befördern. Davon könnten auch umgebende Regionen profitieren.

Der kluge Fachartikel gießt aber auch etwas Wasser in den eigenen Wein: Der Klimawandel könnte die Situation mancherorts so verändern, dass der gewünschte Effekt sich nicht wie geplant einstellen mag. Das betrifft auch die Gretchenfrage, welcher neu anzulegende Waldtyp an einem bestimmten Ort vital und langfristig überlebensfähig sein könnte. Abschließend weisen die Fachleute darauf hin, dass Wiederbewaldung den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung entgegenstehen könnte. Sie empfehlen daher, sie darüber mitbestimmen zu lassen – etwa, um eine Unterversorgung mit örtlich produzierter Nahrung zu verhindern.

Kommentar

Die wissenschaftliche Gemeinde, und mit ihnen viele Entscheidungsträger, setzen große Hoffnung auf die sogenannten „naturbasierten Lösungen“. Solche Maßnahmen versprechen, dem Klimawandel und der Biodiversitätskrise auf einen Schlag zu begegnen. Der hier besprochene Artikel erörtert in ausgewogener Weise eine reizvolle naturbasierte Lösung – den Schutz vor Dürren und Wassermangel durch mehr Wald und in der Folge auch mehr Regen. Dieser Ansatz könnte unter anderem für die östlichen Teile Deutschlands und Österreichs vielversprechend sein. Dort gibt es mancherorts nur wenig Wald und zugleich droht die Ausweitung von Trockenperioden.

Naturwald, also struktur- und artenreiche Wälder, die sich über längere Zeit ohne intensive Bewirtschaftung haben entwickeln können, ist generell in vielerlei Hinsicht besonders nützlich. Das gilt gerade auch für die Regulierung des Klimas, vom lokalen bis hin zum globalen. Naturwald ist besonders kühl und speichert mehr Niederschlagswasser als intensiv bewirtschaftete Forsten. Hier drängt sich die Frage auf, ob diese struktur- und artenreichen Wälder auch besonders gut darin sind, Niederschlag zu vermehren. Der Einfluss natürlicher Wiederbewaldung auf das lokale Klima im Vergleich zu künstlichen Pflanzungen wird hierzulande im Forschungsprojekt PYROPHOB untersucht, an dem die Naturwald Akademie beteiligt ist.

Es wird sicherlich immer schwierig bleiben, die Erfolgswahrscheinlichkeit von zielgerichteter Niederschlagsvermehrung durch Wiederbewaldung zu bestimmen. Diese Zweifel relativieren sich jedoch angesichts der einmalig großen Vielfalt von Ökosystemleistungen, die Wälder zur Verfügung stellen. Wald ist niemals nur aus einem einzigen Grund wichtig, also nicht etwa nur als Kohlenstoffspeicher und auch nicht nur als Regenmacher. Walderhaltung, natürliche Waldentwicklung und Wiederbewaldung bleiben alternativlos.

Autor: Dr. Stefan Kreft

Literatur


Staal, A., Theeuwen, J. J., Wang‐Erlandsson, L., Wunderling, N., & Dekker, S. C. (2024). Targeted rainfall enhancement as an objective of forestation. Global Change Biology, 30(1), e17096. https://drive.google.com/file/d/1qqtoyqkyi7-o2rSLKwu30A4bfoc_Aq5J/view

Weitere Literatur:

Bonan, Gordon. Seeing the forest for the trees. Cambridge University Press, 2023.