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Mikroklima in Naturwäldern und Wirtschaftswäldern – der Mensch macht den Unterschied
Was ist Mikroklima im Wald und warum ist es wichtig? Fast jeder kennt das wohltuende Gefühl, an einem heißen Sommertag in den Wald zu gehen und die kühle Waldluft auf der Haut zu spüren. Das liegt daran, dass sich das sogenannte Mikroklima oder auch Kleinklima im Wald lokal deutlich vom Makroklima außerhalb des Waldes unterscheidet. Dieser Effekt, der unter anderem durch die schattenspendenden Bäume und die von den Pflanzen veränderte Luftbewegung und Verdunstung entsteht, schützt viele im Wald lebende Arten vor klimatischen Extremen.
Die Waldstruktur, also zum Beispiel, wie dicht die Bäume zusammenstehen, wie viel Licht auf den Waldboden fällt und wie viele jüngere Bäume unter den großen Bäumen wachsen, beeinflusst das Mikroklima. Die Waldstruktur wiederum wird in den Wäldern, die von Menschen genutzt werden, von deren Management beeinflusst.
Wenn beispielsweise das Baumkronendach durch eine Fällung geöffnet wird, ändert sich an dieser Stelle das Mikroklima und damit die Lebensbedingungen der dort vorkommenden Tiere und Pflanzen, inklusive der umstehenden Waldbäume. Auch für die Menschen wichtige Waldfunktionen wie Kühlung oder Wasserspeicherung können dadurch beeinflusst werden. Darum ist es wichtig zu wissen, wie sich das Mikroklima bei unterschiedlichem Waldmanagement verändert, insbesondere da in Deutschland der größte Teil der Wälder von Menschen bewirtschaftet wird.
Was wurde in dieser Studie untersucht?
Die Wissenschaftler:innen erforschten für diese Studie die Veränderungen im Mikroklima in buchendominierten bewirtschafteten Wäldern im Vergleich zu alten Naturwäldern in den Westkarpaten in der Slowakei. Dort befinden sich einige der letzten Urwaldreste Mitteleuropas, die sich besonders zur Untersuchung heimischer Naturwäldern eignen, da die Waldentwicklung hier durch natürliche Störungsereignisse bestimmt wird. Neben diesen Reliktstandorten, die seit 1972 unter Naturschutz stehen, findet man aber fast ausschließlich bewirtschaftete Wälder. Diese werden meist im Schirmschlagverfahren bewirtschaftet und es ergeben sich bis zu mehreren Hektar großen Flächen mit eher gleichförmigen Bestandsstrukturen, die sich von jungen zu erntereifen Beständen entwickeln.
Die Wissenschaftler:innen beachteten die unterschiedlichen Altersstrukturen dieser Wälder und untersuchten sie in verschiedenen Stadien der Sukzession. Sie betrachteten in den bewirtschafteten Altersklassenwäldern Stadien von der Rodungsfläche, über junge Bestände hin zu älteren Wäldern kurz vor der Holzernte und verglichen sie mit Flächen aus Naturwäldern in verschiedenen Phasen, also durch natürliche Störungen entstandenen Waldlücken, aber auch alten, geschlossenen Waldflächen. Außerdem untersuchten sie anhand ihrer Daten, wie lange das Mikroklima nach der Rodung eines Waldstücks zur Erholung braucht, um wieder Bedingungen wie zuvor zu erreichen.
Wie kann das Mikroklima gemessen werden?
Für den Vergleich wurden drei Jahre lang (2014-2016) Mikroklimamessungen im Unterwuchs unterschiedlicher Wälder durchgeführt. Dafür wurden automatische Mikroklima-Datenlogger genutzt, die in der Mitte der kreisförmigen Untersuchungsflächen dauerhaft Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit maßen. Um die Struktur der Wälder vergleichen zu können, wurden zudem die Baumdicke, Baumhöhe und Baumdichte, sowie das Baumalter und die Dichte der Baumkronendecke gemessen.
Naturwälder und Wirtschaftswälder unterscheiden sich hinsichtlich des Mikroklimas
Die Untersuchung der unterschiedlich genutzten Wälder in der Slowakei ergab, dass die mikroklimatischen Bedingungen in bewirtschafteten Wäldern viel stärker variieren als in den Naturwäldern. In den vom Menschen genutzten Wäldern gibt es beispielsweise deutlich stärkere Schwankungen der Tagestemperatur und auch der Luftfeuchtigkeit. In den Sommermonaten war die Variabilität am größten.
Auf den Rodungsflächen und in den jüngeren Beständen der untersuchten Wirtschaftswälder war dieser Effekt im Vergleich mit den Naturwaldflächen besonders deutlich zu beobachten, obwohl auch dort die früheren Sukzessionsphasen in Form von Bestandslücken einbezogen wurden. Die Bestandslücken in Naturwäldern wiesen weniger starke Schwankungen des Mikroklimas auf. Beispielsweise lag die Maximaltemperatur in den natürlichen Bestandslücken um etwa 2 °C unter der Maximaltemperatur auf gerodeten Flächen im Wirtschaftswald. Das Mikroklima in diesen jungen, vom Menschen verursachten Entwicklungsphasen unterscheidet sich deutlich von den Mikroklimabedingungen späterer Sukzessionsstadien, aber insbesondere im Vergleich zu Naturwäldern. In älteren Beständen beider Waldtypen gab es insgesamt weniger mikroklimatische Schwankungen. Nach der Rodung dauert es der Studie zufolge etwa 54 Jahre, bis sich das Mikroklima eines Wirtschaftswaldes wieder auf die für alte bewirtschaftete Bestände typischen Bedingungen einstellt.
Junge Wirtschaftswälder bieten weniger stabiles Mikroklima
Die Autor:innen der Studie schlussfolgern daraus, dass durch die gegenwärtige Waldbewirtschaftung durch den Menschen eine mikroklimatische Landschaftsstruktur geschaffen wird, die deutlich instabiler ist als die Bedingungen in Naturwäldern, an die viele Waldorganismen in alten Wäldern der gemäßigten Zone in Europa angepasst sind.
Große Teile der bewaldeten Landschaft bestehen aus jungen Beständen mit einheitlicher Struktur, und die Studie zeigt, dass diese mikroklimatisch weniger gut gepuffert sind. Die Waldbewirtschaftung sollte sich daher stärker an der Entwicklung von Naturwäldern orientieren, die mikroklimatische Refugien bieten und damit Kontinuität in der Temperatur von Lebensräumen schaffen, insbesondere bei fortschreitendem Klimawandel. Der Erhaltung der Pufferkapazität des Mikroklimas ist für waldbewohnende Organismen entscheidend und damit wichtig für Schutz der biologischen Vielfalt im Wald.
Kommentar
Die Studie der Autor*innen um František Máliš zeigt wichtige Unterschiede im Mikroklima von Naturwäldern im Vergleich zu Wirtschaftswäldern auf, auch wenn eine etwa größere Stichprobe wünschenswert gewesen wäre. Die Ergebnisse zeigen zudem die Wichtigkeit von unberührten alten Naturwäldern, an denen wir beobachten können, wie natürliche Prozesse in Wäldern ablaufen würden, wenn sie nicht durch menschliche Nutzung verändert wären. Daraus können wir lernen, was Wälder und Waldlebewesen brauchen, um langfristig zu bestehen.
Der Blick auf das Mikroklima spielt mit fortschreitendem Klimawandel eine besonders wichtige Rolle. Naturwälder zeigen sich hier deutlich resilienter gegenüber dem Klimawandel: Die Studie zeigt, dass intakte und strukturreiche Wälder einen wichtigen Kühlungseffekt aufweisen, höhere Außentemperaturen abpuffern, Luftfeuchtigkeit lokal erhöhen und die darin lebenden Arten damit bis zu einem gewissen Grad vor Erwärmung geschützt sind. Eine starke Durchforstung kann diese Fähigkeit negativ beeinflussen. Sie ist daher ökologisch kontraproduktiv und kann zum Artenverlust beitragen. Insbesondere Kahlschläge haben katastrophale Auswirkungen auf das Mikroklima, insbesondere wenn keine Bäume oder auch Totholz auf der Fläche bleiben, die Schatten spenden können, in dem eine neue Generation junger Waldbäume heranwachsen kann. In Bezug auf die Praxis verdeutlichen die Studienergebnisse, dass alte, strukturreiche Wälder eine bessere Temperaturpufferung aufweisen, was zeigt, dass Bewirtschaftungsmethoden, die sich an natürlichen Waldprozessen und -strukturen orientieren, ein großes Potenzial für eine klimaangepasste Forstwirtschaft haben.
Autorin: Ronja Hoßbach
Literatur
Máliš et al. 2023, Microclimate variation and recovery time in managed and old-growth temperate forests, Agricultural and Forest Meteorology, Volume 342, 15 November 2023, 109722