Unbewirtschaftete Wälder bleiben von ökologischen Störungen unbeeindruckt
Dürre, Brände, Borkenkäfer und andere ökologische Vorkommnisse sind auch in natürlichen Wäldern normal. Sie haben den Störungen aber mehr entgegenzusetzen als Wirtschaftswälder, zeigt eine Studie der TU München. So ist der von Störungen betroffene Flächenanteil in ungenutzten Wäldern um 22 Prozent niedriger als in Wirtschaftswäldern. Und je mehr Laubbäume im Wirtschaftswald stehen, desto weniger belasten die ökologischen Störungen den Wald.
Waldnatur ist stetigen Veränderungen unterworfen und manchmal ändert sie sich sogar abrupt. Solche abrupten natürlichen Ereignisse, ökologische Störungen genannt, können etwa von Stürmen ausgelöst werden, Massenvermehrungen von Borkenkäfern sein oder auch Waldbrände. Das Ergebnis stets: Baumbestände brechen zusammen.
Viele Waldbesitzende und Förster sind der Überzeugung, dass eine regelmäßige Bewirtschaftung am besten geeignet sei, um Feuer, Borkenkäfer oder die Auswirkungen von Stürmen in Schach zu halten. Sie sind überzeugt, dass die natürliche Entwicklung in unbewirtschafteten Wäldern den ökologischen Störungen Tür und Tor öffne.
Diese Annahme hat ein Team von Waldforschenden eingehend geprüft, angeführt von Kirsten Krüger von der Technischen Universität München. Ihre Studie vergleicht die Störungsanfälligkeit von Wirtschaftswäldern in Deutschland mit Wäldern, die seit längerer Zeit ungenutzt sind. Die Studie unterscheidet zwischen dem Anteil der betroffenen Waldfläche und der Störungsintensität. Die Intensität der Störung misst, wie umfassend ein Baumbestand in Folge der Störung zusammenbricht (zu den Forschungsmethoden am Ende der Seite).
Im Stress entscheidet die Behandlung eines Waldes über sein Schicksal
Die Ergebnisse sind eindeutig. Der von Störungen betroffene Flächenanteil ist in ungenutzten Wäldern um 22 Prozent niedriger als in Wirtschaftswäldern. Intensive Störungsereignisse sind in ungenutzten Wäldern sogar um 33 Prozent seltener als in bewirtschafteten Wäldern.
Bemerkenswert: In den meisten Jahren unterscheiden sich genutzte und ungenutzte Wälder kaum. Es sind nur wenige, besonders stressige Jahre, in denen die Behandlung eines Waldes über sein Schicksal entscheidet. Die Forschenden identifizierten 1990, 1999/2000 und 2007 als Jahre mit besonders vielen Stürmen und 2018 bis 2020 als Zeit, in der dürrebedingt Borkenkäfer und Feuer leichtes Spiel hatten. In diesen Jahren ist der Unterschied in der Störungsanfälligkeit enorm: Der betroffene Flächenanteil in ungenutzten Wäldern liegt um 40 Prozent niedriger als in genutzten Wäldern. Ein ähnlicher Kontrast von etwa 40 Prozent ergibt sich für die Störungsintensität.

Exponierter Buchenwaldrand, im Vordergrund eine beräumte Fichtenkalamitätsfläche, in Iserlohn (NRW). Von den 25 Buchen in der vordersten Linie sind neun bereits abgestorben und fünf weitere sind stark geschädigt (Foto: Stefan Kreft, 14.8.2025).
Bewirtschaftung stört insbesondere naturnahe Laubwälder
Nun stellt sich unmittelbar die Frage, welche Waldtypen hinsichtlich ihrer Störungsanfälligkeit besonders stark von ihrer Behandlung abhängen. Auch hierauf weiß die Studie eine Antwort. Es sind die eher naturnahen Laubwälder und Mischwälder, die im Zuge der Bewirtschaftung anfälliger werden. Bei Nadelbaumbeständen, die in Deutschland größtenteils künstlich angelegt wurden, macht es keinen nennenswerten Unterschied, ob sie bewirtschaftet werden oder sich natürlich entwickeln dürfen. Sie haben ökologischen Störungen so oder so kaum etwas entgegenzusetzen.
Je reiner ein Buchenbestand, desto geringer die Störanfälligkeit
Der Untersuchung lässt sich auch eine Empfehlung für den Waldumbau entnehmen. Angesichts des voranschreitenden Klimawandels ist es klar, dass die homogenen Fichten- und Kiefernforste in Mischwälder verwandelt werden sollten. Manche Waldakteure fordern zudem, dass auch Buchenwälder mit anderen Baumarten gemischt werden sollten. Den von Natur aus von der Buche dominierten Wäldern seien Nadelbäume beizumischen. Die Studie unterstützt diese Argumentation nicht. Zwar ist die Anfälligkeit gegenüber Störungen, wie anzunehmen war, desto größer, je mehr Nadelbäume beisammen stehen. In Laubbaumbeständen gibt es diesen Trend nicht. Im Gegenteil: Je reiner ein Buchenbestand ist, desto geringer seine Anfälligkeit.
Das Autorenteam vermutet, dass drei Gründe für die Unterschiede in der Störungsanfälligkeit verantwortlich sind. Sie haben mit den besonderen Fähigkeiten der sich natürlich entwickelnden Wäldern und mit Problemen der Forstwirtschaft zu tun. Zum ersten entwickeln Wälder, die nicht mehr bewirtschaftet werden, wieder einen höheren Strukturreichtum. Zum zweiten schaffen forstwirtschaftliche Maßnahmen Angriffspunkte für Störungen. So haben etwa Stürme an den Waldrändern um eingeschlagene Flächen herum leichteres Spiel. Und drittens erhöht die Beräumung abgestorbener Baumbestände die Anfälligkeit der verbliebenen Bäume, sowohl auf der Fläche selbst als auch auf benachbarten Flächen.
Kommentar: Bedeutung der Studie für die Waldpolitik und die forstwirtschaftliche Praxis
Die Studie belegt, dass Wälder allmählich ihre natürliche Widerstandsfähigkeit gegenüber ökologischen Störungen zurückgewinnen, wenn sie nicht mehr forstwirtschaftlich genutzt werden. Das entkräftet die Befürchtung vieler Waldbesitzenden, dass ohne forstwirtschaftliche Kontrolle mehr Wälder unter dem Druck von Stürmen, Feuer und Borkenkäfern zusammenbrechen. Vielmehr wird deutlich, dass forstliche Bewirtschaftung die Anfälligkeit von Wäldern gegenüber Störungen sogar erhöht.
Diese Erkenntnisse sind auch ein Beitrag zur Debatte über die Ziele Deutschlands, den Flächenanteil ungenutzter Natur zu erhöhen. In seiner Biodiversitätsstrategie setzt sich Deutschland das Ziel, Wald auf fünf Prozent seiner Fläche der natürlichen Entwicklung zu überlassen, in öffentlichem Wald sogar zehn Prozent. Die Erreichung dieses Ziels würde die Waldlandschaften in Deutschland als Ganzes stärken.
Keine Nadelbäume in natürliche Laubwälder mischen
Von großer Relevanz ist auch der Beitrag zu der viel diskutierten Frage, ob Mischwälder für den Waldumbau immer die beste Option sind. Die Studie von Krüger und Kollegen macht deutlich, dass das nur für Nadelbaumbestände gilt. Ganz im Gegensatz dazu legt sie für naturnahe Laubbaumbestände nahe, diese nicht künstlich mit Nadelbäumen zu mischen. Nur so bleibt ihre natürliche Widerstandsfähigkeit gegenüber Feuer, Borkenkäferfraß und Stürmen erhalten. Demgegenüber werden Laubwälder, nicht zuletzt Buchenwälder, störungsanfälliger, wenn sie in eine naturferne Mischung mit Nadelbaumarten gebracht werden.
Forschungsmethoden
Grundlage: Fernerkundungsbasierte ‚European forest disturbance map‘
Zeitraum: 1986-2020
Untersuchungsflächen: Schutzgebiete mit Waldflächen in natürlicher Entwicklung, zum Beispiel Naturschutzgebiete oder Kernzonen von Nationalparks
Vergleich mit ökologisch ähnlichen Waldflächen, die forstwirtschaftlicher Nutzung unterliegen, hinsichtlich: Höhenstufe, Hangneigung und -ausrichtung, Waldtypen und ihren Anteilen, Lage in derselben Ökoregion
Insgesamt 314 Vergleichspaare von ungenutzten und genutzten Waldflächen
Autor: Dr. Stefan Kreft
Literatur
Krüger, K., Senf, C., Hagge, J., & Seidl, R. (2025). Setting aside areas for conservation does not increase disturbances in temperate forests. Journal of Applied Ecology, 62: 1271-1281.
Die Studie kann frei heruntergeladen werden: https://besjournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/1365-2664.70036