Europäischer Braunbär

Foto: Stiftung für Bären

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Reif für Bären?

Es ist gut möglich, dass Braunbären bald wieder in Deutschland heimisch werden. Denn die bayerischen Alpen bieten ihnen auch heute noch teils attraktive Lebensräume wie etwa naturnahe Mischwälder. Andererseits machen eine zersiedelte Landschaft und der Mangel an ungestörtem Rückzugsraum die Wiederansiedlung schwierig. Und auch die Angst vor diesem großen Raubtier ist ein Hindernis. Bärenexperten machen sich deshalb für ihn stark.

Wer an einem sonnigen Tag entlang von Bächen und Wäldern durch die Täler des Wettersteingebirges unweit von Garmisch-Partenkirchen wandert, der rechnet wohl kaum damit, einem Bären zu begegnen. Man mag Murmeltiere erwarten, darauf hoffen, in den steilen, steinernen Flanken der Berge Gemsen oder Steinböcke zu entdecken, aber einen Bären? Nein, der Braunbär gehört heute ganz sicher nicht zu jenen Dingen, die man in Deutschland mit einer Bergtour verbindet. Obwohl er einst im ganzen Alpenraum heimisch war.

Europäischer Braunbär
Foto: Stiftung für Bären

Der Europäische Braunbär (Ursus arctos arctos) ist ein Bär mittlerer Größe. Er erreicht ein Maximalgewicht von 320 bis 350 Kilogramm. Die Fellfarbe ist im Allgemeinen eher dunkel, sie variiert aber stark. Je nach Untersuchung und Schätzung leben in Europa, von Spanien bis zum europäischen Teil Russlands, noch ca. 25.-35.000 Bären. Ein Großteil lebt in Russland und in den Karpaten.

60 Bären in den Südalpen

Ganz anders sieht es auf der südlichen Seite der Alpen im Trentino aus. Immer wieder begegnen den Urlaubern dort Bären – einsame Männchen etwa, die seelenruhig im Fluss baden, nur wenige Meter von den Wanderwegen entfernt. Dort, im Naturpark Adamello-Brenta, gehören Braunbären (Ursus arctos) seit einigen Jahren wieder ganz selbstverständlich zur Bergwelt. Noch gegen Ende der 1990er Jahre sah das anders aus. Experten hatten damals geschätzt, dass es in der ganzen Region nur noch drei Bären gab – der Braunbär war im Begriff, in der Region auszusterben. Kurzerhand startete die Verwaltung des Naturparks zusammen mit der Autonomen Provinz Trient und dem Nationalen Wildtierinstitut Italiens (INFS – Instituto Nazionale per la Fauna Selvatica) das Projekt „Life Ursus“: Mit Unterstützung der Europäischen Union setzten Biologen 1999 drei männliche und sieben weibliche Bären aus Slowenien aus. Mit Erfolg: Die Bären zeugten viele Nachkommen. Heute gibt es in der Region wieder rund 60 Bären. Und manche von ihnen unternehmen große Wanderungen durch die Alpen. Pro Tag schaffen sie bis zu 80 Kilometer. Und so wurden im Juni und Juli 2019 schließlich gleich mehrfach einzelne Bären im Grenzgebiet zwischen Österreich und Bayern gesichtet – zwischen Reutte bei Garmisch-Partenkirchen und den Tälern am Inn. Gut möglich, dass diese aus dem Naturpark Adamello-Brenta stammten.

Erwartungsland Deutschland

Christopher Schmidt überrascht das nicht. „Was den Braunbären angeht, ist Deutschland ein ,Erwartungsland’. Gerade im Grenzgebiet zwischen Bayern und Österreich gibt es Lebensräume, die für den Bären interessant sind und in die er, knapp 200 Jahre nachdem er in Deutschland ausgerottet wurde, zurückkehren könnte“, sagt der Pressesprecher der „Stiftung für Bären“ in Leinefelde-Worbis. Für Christopher Schmidt gehört der Braunbär als großes Säugetier einfach mit zur deutschen Fauna dazu. Auch wenn der lange nicht da war. Doch ob der Braunbär hier auf lange Sicht tatsächlich wieder heimisch wird, ist offen; weil er hohe Ansprüche an seinen Lebensraum hat. Weibchen und Jungtiere halten sich vorwiegend in Wäldern auf, die Rückzugsraum bieten – stille Areale, die frei von Störungen durch Touristen oder Waldarbeit sind.

Ein verendeter Hirsch liegt am Boden
Foto: Christan von Hoermann

Aas steht auch auf dem Speisezettel der Bären. In aufgeräumten Wäldern finden sie aber nicht genug davon. Im Nationalpark Bayerischer Wald wurde im Rahmen einer Studie ein toter Rothirsch (Cervus elaphus), der zuvor im Straßenverkehr umgekommen ist, als Köder ausgelegt. Zuerst kamen die Fliegen, dann Käfer und wenig später folgten Raben und Krähen. Mit ihren Rufen lockten sie bisher „nur“ Füchse, Dachse, Wildschweine und Luchse an.

Interessant sind Mischwälder, die rund ums Jahr genug Nahrung bieten. „Bären fressen im Frühjahr sehr gern frische Fichtennadeln oder auch viel Gras, im Herbst vor allem fettreiche Nüsse und Bucheckern“, sagt Christopher Schmidt. „Ruhige Mischwaldbereiche, die kaum vom Menschen genutzt werden, sind also ideal.“ Anders als der Wolf ist der Bär kein Jäger, der seine Beute hetzt. Der Bär kann zwar kurze Sprints hinlegen, um Reh- oder Dammwild hinterher zu jagen, in der Regel aber frisst er Aas. Auch das findet er in naturnahen, wenig aufgeräumten Waldgebieten. Wichtig ist auch, dass die Bären im Wald leicht ihre Höhlen graben können, in denen sie überwintern. Der Boden muss locker genug sein, damit die Bären einen zwei bis drei Meter langen Kanal graben können, an dessen Ende dann die eigentliche Höhle liegt – die gerade so groß ist, dass sich der Bär darin zusammenrollen kann. Weicher Sand-Lehm-Boden und tief wurzelnde Bäume, die die Wand der Höhle stabilisieren, sind für Bären perfekt.

Bären tun dem Wald gut

Christopher Schmidt betont, dass der Bär auch für den Wald ein wichtiges Element sei. So verdauten Bären ihre Nahrung nur unvollständig. Die Bärenlosung enthält daher viele Nährstoffe, von denen zahlreiche andere Organismen profitieren. Bären fressen sehr gern Insekten, die sie aus der Rinde von Bäumen knabbern und lecken: Damit tragen sie dazu bei, Insekten, die Bäume schädigen, in Schach zu halten. Und noch eines sei wichtig, sagt Schmidt: „Der Braunbär jagt Reh- und Dammwild zwar nicht so aktiv wie der Wolf, aber allein seine Anwesenheit hält die Tiere fern. Damit dämmt der Bär in den von ihm bewohnten Gebieten den Verbiss an jungen Bäumen sehr wirkungsvoll ein.“

Doch der Wald ist nur ein Habitat im Leben der Braunbären. Das Heimatrevier eines Bären kann rund 500 Quadratkilometer groß sein und ganz unterschiedliche Lebensräume umfassen. Flusstäler zum Beispiel, in denen die Bären fischen. Hinzu kommt, dass die Männchen ab einem Alter von zwei Jahren lange Wanderungen unternehmen, um Weibchen zu finden. Sie wandern besonders gern entlang ruhiger und dichter bewachsener Täler. Denn eine solche Wanderung ist weitaus energiesparender als eine Route über Grate und Bergrücken. Auf diesen weiten Wanderungen können die Bären dann auch immer wieder einmal Landesgrenzen überschreiten – und sich in Deutschland blicken lassen.

Unüberwindliche Hindernisse

Doch in Deutschland gibt es viele Hindernisse. Braunbären wandern vorwiegend auf viele Hundert Jahre alten Routen, die in Deutschland heute vielfach durch Autobahnen, Bundesstraßen oder Eisenbahngleise zerschnitten sind. Anderswo baute man Dörfer und Städte. „Baden-Württemberg etwa ist so stark zersiedelt, dass wir hier anders als in Bayern nicht mit einer Rückkehr des Bären rechnen“, sagt Christopher Schmidt. „Wer den Bär in Deutschland wieder heimisch machen will, muss also dafür sorgen, dass seine Lebensräume weiträumig miteinander vernetzt werden.“

Europäischer Braunbär
Foto: Stiftung für Bären

Braunbären sind Allesfresser. Sie ernähren sich überwiegend von Baumrinde, Blättern, Wurzeln, Pilzen, Nüssen, Früchten und Beeren. Daneben verschmähen sie auch Fleisch (Nager, Vögel, Frösche oder Schlangen), Fisch und Aas nicht. Honig ist ein seltener Leckerbissen, der unter anderem auch der Stärkung des Immunsystems dient. Geschickt öffnen die Bären mit ihren großen Pranken den Bienenstock und lassen sich dabei auch von attackierenden Bienen nicht verjagen.

Angst und Vorurteile

Und noch etwas spricht dagegen, dass der Bär in Deutschland wieder heimisch wird. Die Angst vor dem großen Raubtier und ein Mangel an Wissen darüber, wie man mit ihm umgehen sollte. 2006 überschritt der Bär „Bruno“ in Bayern die Grenze. Weil er dem Menschen zu nahe kam, wurde er schnell zum „Problembären“, der, wie es hieß, „artuntypisches Verhalten“ zeigte. „Doch was heißt artuntypisch?“, fragt Christopher Schmidt. „Bären sind Opportunisten, die sich ihr Futter dort holen, wo es am einfachsten ist. Und sie haben eine feine Nase. Sie riechen Kilometer weit.“ Wenn sie den Duft einer Metzgerei aufnehmen, kann es durchaus passieren, dass sie bis zum Stadtrand wandern. Werden sie dort fündig, etwa in Mülltonnen, lernen sie, dass an solchen Orten Nahrung zu finden ist – und kommen wieder. „Mit einem Problembären hat dieses Verhalten wenig zu tun.“

Konflikte vermeiden

Bruno wurde damals von Jägern geschossen; für Christopher Schmidt ein falsches Vorgehen. „Unsere Stiftung macht sich dafür stark, dass wir in Deutschland eine eigene kleine Taskforce für Bären etablieren, die gerufen wird, wenn es zu Problemen kommt, wenn Bären irgendwo öfter auftauchen. So wie es sie heute bereits in Slowenien gibt.“ Zu den wichtigsten Aufgaben einer solchen Sondereinheit gehört es zunächst, den betroffenen Bürgen zuzuhören, um gemeinsam naheliegende Lösungen zu finden. Etwa zum richtigen Verhalten. Auch was den Umgang mit Abfällen angeht, ist eine Beratung sinnvoll, weil Bären von Essensresten angezogen werden.

Experten wie er rechnen fest damit, dass in den kommenden Jahren immer wieder einmal Bären die Grenze nach Deutschland passieren. Ob sie hier heimisch werden, hinge vor allem von einer Frage ab. „Wollen wir, dass der Bär wieder fester Bestandteil der Fauna in Deutschland wird oder nicht? Wenn wir das tatsächlich wollen, dann können wir viel dazu beitragen, dass es gelingt“, sagt er. Dafür müsse man sich auch von dem tradierten Halbwissen um den Bären verabschieden – der Mär vom Bären, der so gefährlich sei wie der böse Wolf. Und Halbwissen gibt es reichlich. Das hat seinerzeit auch dem Problembären Bruno seinen Namen eingebracht. Das Wort „Bruno“ bedeutet im Trentino schlicht „Bär“. Letztlich bezeichnet man dort jeden Braunbären als „Bruno“. Das Männchen, das 2006 nach Bayern kam, hieß also schlicht: „Problembär Bär“; was vor allem eines offenbarte: einen Mangel an Bärenwissen.

Literatur


Quellen und weiterführende Literatur:

  1. VIDEO: Bärenverhalten mit Drohne in der Freianlage im Schwarzwald aufgenommen (Stiftung für Bären)

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