Lesetipp
Pflanzen neu entdecken – Schwatzhafte Tomate, wehrhafter Tabak
Wie kommunizieren Pflanzen? Treffen sie Entscheidungen, sind sie als Gemeinschaft lernfähig? Florianne Koechlin, studierte Biologie und Chemie, hat für die Erkundung der Pflanzenwelt in den letzten Jahren zahlreiche Forscherinnen und Wissenschaftler, Bäuerinnen und Philosophen rund um die Welt besucht. In ihrem Buch zieht sie nun ein Fazit.
Pflanzen haben zur Kommunikation über 1000 bisher bekannte Duftstoffe. Jeweils 5-10 davon sind ein Grundstock, den alle Pflanzen gemeinsam haben. Pflanzen wie die Limabohne oder Tomaten erkennen, welche Insekten sie gerade angreifen. Sie stellen dann ein individuelles Duftbouquet zusammen, dass genau die Fressfeinde dieser Insekten anlockt. Wieder andere Duftstoffe locken Bestäuber an oder hemmen das Wachstum von anderen Pflanzen in der unmittelbaren Umgebung. Daraus folgert sie, dass z.B. Bäume im Wald ihre Umgebung strukturieren könne, sie aber gleichzeitig auch von anderen Pflanzen beeinflusst wurden. Wie Pflanzen aber auf zellularer Ebene riechen können, ist bis heute nicht geklärt.
Automat oder Bewusstsein?
Aber sind Pflanzen vielleicht auch intelligent oder nur Automaten, die auf die Reize aus der Umgebung, gezielt, aber ohne Bewusstsein reagieren. Oder sind Pflanzen, die es seit Millionen Jahren fast überall auf diesem Planeten gibt, erfolgreiche Gemeinschaftswesen? Nur gemeinsam können sie komplexe Fragestellungen bewerten, bearbeiten und dann handeln.
Kommunikation im Boden
Nach den Interviews mit WissenschaftlerInnen und Bauern wird klar, dass in den letzten Jahren viele neue Entdeckungen gemacht wurde. Pflanzen können sehen, riechen, schmecken und tasten. Sie „erinnern“ sich an Vergangenes und vererben Erfahrungen an ihre Nachkommen. Im Austasch mit anderen Lebewesen dienen die Wurzeln im Erdreich als ein neuronenähnliches Informationssystem, dass komplexe Ökosysteme wie den Wald beeinflusst. Koechlin, zeigt, dass je mehr geforscht und gefragt wird, desto deutlicher beginnt sich die scharfe Trennlinie zwischen Tier und Pflanze in bestimmten Bereichen aufzulösen.
Ethik der Pflanzen
Schließlich stellt sie die Fragen, ob Pflanzen auch eine Würde haben können. Was auf den ersten Blick als abwegig erscheint, könnte sich jedoch daraus ableiten, dass auch wir Mensch gegenüber Pflanze, ähnlich wie bei Tieren, eine Verantwortung haben. Im Wissen darum, dass alle Lebewesen eine gemeinsame Herkunft haben und im Bewusstsein, dass Pflanzen aufgrund ihrer Andersartigkeit uns immer ein Geheimnis bleiben werden, schließt die Autorin ihr Buch daher mit den „Rheinauer Thesen zu Rechten von Pflanzen“, um die Anspruchsrechte von Pflanzen zur Sprache zu bringen. Sie versteht die Thesen als Wegweiser, da sie sicher ist, dass wir in Zukunft noch viel mehr über das Wesen der Pflanzen und ihre unglaubliche Vielfalt erfahren werden.
Eine lehrreiche und zum Nachdenken anregende Lektüre!

Florianne Koechlin
Schwatzhafte Tomate, wehrhafter Tabak- Pflanzen neu entdeckt
2019, Paperback, 185 Seiten, ISBN 978-3-85787-803-9