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Können Landökosysteme in Zukunft von einer Kohlenstoffsenke zur Kohlenstoffquelle werden?

Das ist eine der Fragen, die ein Team von WissenschaftlerInnen unter der Leitung von Katharyn Duffy in einer aktuellen Studie beantworten wollte. Sie untersucht, ob klimawandelbedingte Temperaturänderungen die Kohlenstoffaufnahme und -abgabe von Landökosystemen an einen Kipppunkt bringen.

Wälder und andere Landökosysteme der Erde spielen eine wichtige Rolle im Klimawandel. Sie nehmen etwa 30 Prozent der menschengemachten CO2-Emissionen auf und stellen somit eine wichtige Kohlenstoffsenke dar. Die Vegetation ist dabei von zentraler Bedeutung, da sie für den Austausch von CO2 zwischen Land und Atmosphäre verantwortlich ist. Über die Photosynthese wird CO2 aufgenommen, umgewandelt und als Kohlenstoff in der Biomasse gespeichert. Bei der Atmung (Photorespiration) oder dem Zerfall setzen Pflanzen das Treibhausgas wieder frei. Beide Prozesse sind temperaturabhängig. Steigen die Temperaturen, wird die Pflanzenatmung und damit der CO2-Ausstoß erhöht, dagegen erreicht die Photosyntheseleistung irgendwann einen Kipppunkt, an dem sie abnimmt, sodass ab einer bestimmten Temperatur die CO2-Abgabe in der Bilanz höher ist als die CO2-Aufnahme.

Die Studie verwendet globale Daten aus dem größten kontinuierlichen Netzwerk zur Überwachung der Kohlenstoffflüsse (FLUXNET), um daraus abgeleitet Temperatur-Reaktionskurven für die globale Kohlenstoffaufnahme an Land zu erstellen. Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem komplexe Ökosysteme wie Regen- und boreale Nadelwälder schon ab 2040 annähernd die Hälfte ihres Kohlenstoffspeicherpotentials verlieren könnten. Bis zum Jahr 2100 könnte sogar die Hälfte der Landökosysteme den Kipppunkt erreichen, ab dem die CO2-Abgabe die CO2-Aufnahme überwiegt.

Einige Experten hatten sich im Nachgang kritisch zu den Ergebnissen der Studie geäußert. Ihre Statements sind im Einzelnen hier nachzulesen.

Kommentar

Unabhängig von den Ergebnissen dieser Studie und der berechtigten Kritik daran oder von gegenläufigen Studienergebnissen ist es von großer Bedeutung, den menschengemachten Treibhausausstoß zu minimieren und die Bedeutung der Landökosysteme nicht nur in Bezug auf die Kohlenstoffspeicherung anzuerkennen. Denn zu viele Mechanismen und Folgen des Klimawandels sind bislang unzureichend verstanden oder noch gänzlich unbekannt, was die vorgestellte Studie und die kritischen Anmerkungen anderer Wissenschaftler dazu deutlich machen. Den Bereich LULUCF (Land Use, Land-Use Change, and Forestry, also Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft) betreffende Maßnahmen, wie sie in wichtigen internationalen Übereinkommen, wie im Pariser Abkommen, vereinbart wurden, müssen für das Erreichen der dort verankerten Klimaziele ernst genommen und umgesetzt werden. Der Schutz von Wäldern und Ökosystemen hat Priorität, ihre Nutzung muss ökologisch basiert und nachhaltig geschehen. Nur so kann die Funktionstüchtigkeit der Ökosysteme erhalten bleiben, damit wir sie als Unterstützer in der Klimakrise nicht verlieren.

Literatur


K.A. Duffy, C. R. Schwalm, V. L. Arcus, G. W. Koch, L. L. Liang, L. A. Schipper (2021). How close are we to the temperature tipping point of the terrestrial biosphere?, Sci. Adv. 7, eaay1052.