Aufforstung ist kein Heilmittel für den Wald
Aufforstung gilt zurzeit überall auf der Welt als Heilmittel gegen Klimawandel und Waldsterben, als Kompensationsmaßnahme auch für den Artenschutz. Dieser Ansatz wird auch von Staatengemeinschaften wie den Vereinten Nationen gefördert. Ein Beispiel ist die REDD+ Initiative. Sie soll Minderung von Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern verhindern.
Studie untersucht ökologische Folgen
Bäume zu pflanzen hat sich als Geschäftsmodell etabliert und ist in der öffentlichen Wahrnehmung positiv besetzt. Was jedoch wenig untersucht ist, sind die ökologischen Folgen der „künstlichen“ Schaffung und Wiederherstellung von Waldökosystemen. Die Forschungsgruppe um Emily H. Waddell untersuchte anhand der Daten eines Langzeit Naturprojektes (WrEN-Projekt „Woodland Creation and Ecological Networks“) das Vorkommen und die Zusammensetzung von Bodenpflanzengemeinschaften in 102 neu angelegten Wäldern (10-160 Jahre nach Anpflanzung, zuvor landwirtschaftliche Nutzung) und in 27 alten Wäldern (>250 Jahre). Die Daten über das Vorkommen der Pflanzen wurden nach Typen klassifiziert (Waldspezialisten, Waldgeneralisten oder Nicht-Waldarten) und der Einfluss lokaler und landschaftsbezogener Merkmale auf den Artenreichtum wurde ermittelt. Lokale Merkmale sind das Alter der Wälder und die Größe der Bäume, sowie die Waldstruktur. Ein landschaftsbezogenes Merkmal ist die Größe der umgebenden Wälder.
Vorteil von strukturreichen Wäldern
Die Forschenden kamen zu den Ergebnissen, dass Waldgeneralisten die neu geschaffenen Wälder in ähnlichem Maße besiedelten wie die alten Wälder. In den neu angelegten Wäldern gab es hingegen weniger Waldspezialisten und mehr Nicht-Waldarten. Die meisten Arten von Spezialisten und Generalisten waren in eher größeren und strukturreicheren Wäldern zu finden, also in Wäldern mit einer hohen Variation in der Baumgröße. Diese war grundsätzlich in älteren Wäldern höher. Einige Pflanzengemeinschaften in schon vor langer Zeit angelegten Wäldern (80-160 Jahre) ähnelten denen in alten Wäldern. Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass sich im Laufe der Zeit in Wäldern wieder eine typische Bodenflora etabliert. Allerdings gibt es auch Gebiete in der Studie, die sich von dieser Entwicklung entfernten und wahrscheinlich nie eine waldtypische Bodenflora entwickeln werden.
Krautarten brauchen viel Zeit
Die Untersuchungen zeigten, dass sich Krautarten, die auf ein Leben in Waldökosystemen spezialisiert sind, nur langsam wieder in neu aufgeforsteten Wäldern etablieren. Auch nach 80 Jahren war das Vorkommen dieser Spezialisten im Vergleich zu alten Wäldern gering. Wird bei der Art der Bewirtschaftung jedoch auf strukturelle Vielfalt geachtet, kann das die Wiederansiedlung von Waldkräutern unterstützen. Grundsätzlich, so die AutorInnen, sei aber die Zeit der entscheidende Faktor. Bis zu einer Krautpflanzenvielfalt wie in alten Wäldern müssen mitunter Jahrhunderte nach der Wiederbewaldung vergehen.
Was die Forschungsgruppe nicht herausarbeiten konnte, war der Effekt, den die umgebende Landschaft auf die Wiederbesiedlung von Waldflächen mit Krautpflanzen hat. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass alle Untersuchungsgebiete nahezu isoliert waren, was die Besiedelung grundsätzlich erschwert. Von großer Bedeutung bei der Wiederbewaldung von Flächen ist, so die Schlussfolgerung der ForscherInnen, dass diese an bereits bestehende Wälder angrenzen. Durch die erhöhte Konnektivität kann dann auch die neue Fläche schnell wieder von Waldarten besiedelt werden.
Kommentar:
Aus der Studie von Waddell et al. (2024) lassen sich klare Schlüsse auf den zukünftigen Umgang mit Waldökosystemen ziehen. 1. Es braucht Geduld im Umgang mit Wiederbewaldungsflächen. 2. Gerade aufgrund der langen Zeit, die eine Wiederherstellung in Anspruch nimmt, ist es wichtig, alte Waldbestände zu schützen und als Refugium für Waldspezialisten zu erhalten. 3. Ein schonender Umgang mit Wäldern in der Bewirtschaftung, die sich an den natürlichen Dynamiken und Prozessen orientiert, trägt zudem zum Erhalt von Waldarten bei.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist allerdings auch die Erkenntnis, dass sich manche Ökosysteme anscheinend auch nach langer Zeit nicht mehr erholen können und sich in der Artzusammensetzung (hier der Krautpflanzen) von denen alter Wälder immer mehr entfernen. Dadurch wird klar, dass weitere Untersuchungen nötig sind, um herauszufinden, unter welchen Bedingungen ein Zurückkehren zu waldtypischen Artgemeinschaften nicht mehr stattfindet. Es unterstreicht jedoch noch einmal deutlich, dass wir vorsichtig mit unseren (Wald-)Ökosystemen umgehen müssen. In Anbetracht der Klimakrise und der damit grundsätzlich erschwerten Bedingungen für Pflanzenwachstum können wir uns nicht mehr auf Versuch und Versagen Prinzipien verlassen. Für diese Strategien gibt es in der heutigen Zeit keinen Spielraum mehr.
AutorIn: Loretta Leinen
Literatur
https://www.researchgate.net/publication/381325296_Larger_and_structurally_complex_woodland_creation_sites_provide_greater_benefits_for_woodland_plants
https://besjournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/2688-8319.12339