
Der Urwald bei Saarbrücken
Der „Urwald vor den Toren der Stadt“ ist ein 1.011 ha großes Waldschutzgebiet, das in unmittelbarer Nähe von Saarbrücken, der Hauptstadt des Saarlandes, liegt. Seit rund 20 Jahren wird hier kein Baum mehr gefällt und die Natur darf sich ohne das Eingreifen des Menschen frei entwickeln. Der „Urwald“ ist ein in Deutschland einzigartiges Gemeinschaftsprojekt von drei Partnern: dem Naturschutzbund (NABU) Saarland, dem Landesforstbetrieb SaarForst und dem Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz. In dem Wildnisgebiet gibt es zwei Premium-Wanderwege; einer davon, der Wilde Netzbachpfad, wird in diesem Artikel vorgestellt.

Ein Urwald als Projekt: 1995 startete der NABU bundesweit eine Kampagne zur Einrichtung großflächiger Waldschutzgebiete. Im Saarland zeigten diese Bemühungen Erfolg. Sie mündeten in dem Projekt „Urwald vor den Toren der Stadt“. Es ist eingebettet in den 4.400 ha großen Naturraum Saarkohlenwald. Das Projekt besitzt eine besondere stadtregionale Dimension – eine bundesweit einmalige Verknüpfung von künftigem Wildnisgebiet, Wald- und Stadtlandschaft. Am 5. Mai 2002 unterzeichneten das Ministerium für Umwelt, NABU Saarland und SaarForst den Partnerschaftsvertrag zum Urwaldprojekt.
Anfahrt und Wanderweg
Der Wilde Netzbachpfad ist sowohl mit dem Auto als auch mit dem Bus gut erreichbar: Mit der Buslinie 172 fährt man in zehn Minuten vom Hauptbahnhof Saarbrücken bis zur Haltestelle „Netzbachweiher, Fischbach“. Dann startet man die Wanderung am Gasthaus Seeblick. Mit dem Auto fährt man entweder zum Parkplatz Netzbachtal am Gasthaus Seeblick oder zum Parkplatz am Forsthaus Neuhaus.
Der Wilde Netzbachpfad ist ein 10 km langer Rundwanderweg und führt durch die nördliche Hälfte des Waldschutzgebiets. Er wurde 2016 eröffnet und ist vom Deutschen Wanderinstitut mit dem Wandersiegel für Premiumwege ausgezeichnet worden. Er ist sehr gut ausgeschildert, sodass ein Verlaufen praktisch unmöglich ist. Die zwei Kilometer entlang des Netzbaches sind allerdings manchmal schwer begehbar, weil Bäume umgestürzt sind und als Hindernisse quer über dem Weg liegen. Manchmal muss man auf allen Vieren unter den Bäumen hindurchkrauchen. Das macht aber auch den besonderen Reiz und die Einzigartigkeit dieses Weges aus: Die umgestürzten Baumveteranen wurden absichtlich nicht durchgesägt und aus dem Weg geräumt.

Auf Urwaldwegen und -pfaden dem wilden Wald begegnen: Im Urwald mit seinen besonderen Orten gibt es ein abgestuftes Wegesystem. Viele dieser Wege beginnen bzw. enden an der Scheune Neuhaus. Es handelt sich sowohl um gut ausgebaute Urwaldwege, die auch freigehalten werden, wie um schmale Urwaldpfade, wo durch umgestürzte Bäume Barrieren entstehen können. Das Betreten des Urwaldes auf eigene Gefahr auch abseits der Wege ist erlaubt, damit jeder Wildnis hautnah spüren kann.
Die Biologie des Netzbachtals
Der Wald östlich des Netzbaches ist ein Hainsimsen-Buchenwald. Dass so viele Buchen umgestürzt sind und dann eben auch quer über dem Weg liegen, liegt nicht daran, dass sie schon in der Zerfallsphase sind: Sie sind erst 150-160 Jahre alt. Doch der Boden ist hier sehr felsig und flachgründig, d. h. die Buchen können sich mit ihren Wurzeln nicht tief im Boden verankern und werden deshalb leichter von Stürmen umgeworfen. Der Bereich um den Netzbach wird häufig überschwemmt, dort wächst ein Weichholzauenwald mit Erlen und Eschen.
Der Wanderweg verläuft nicht nur entlang der Sumpflandschaft des Netzbaches, sondern auch an drei Weihern vorbei, dem Netzbach- und dem Rosenweiher im Osten sowie dem Hortenbachweiher im Norden. Am Rosenweiher haben Naturschützer 2004 eine Biberfamilie ausgesiedelt.
Fehlende Daten über das Waldschutzgebiet
Leider fehlen Zahlen zum Alter der Bäume, zum Holzvorrat oder zur Totholzmenge im Waldschutzgebiet. Auch Informationen über Vögel, Totholzkäfer oder Pilze fehlen. Die Ursache ist, dass es keine wissenschaftliche Forschung im Waldschutzgebiet gibt. Obwohl Verantwortliche in der Vergangenheit dafür immer wieder Gelder vom Umweltministerium angefordert haben, fehlt für Forschung angeblich das Geld.

Im Urwaldgebiet stehen die höchsten Buchen des Saarlandes. Buche und Eiche bilden mit insgesamt 65,5 % die Hauptbaumarten im Revier. Gefolgt von sonstigen Laubbäumen (15 %) und Edellaubholz (5,1%) bilden alle Laubbäume (85,1 %) zusammen einen insgesamt sehr naturnahen Waldaufbau. Für Vogelfreunde interessant: Hier kommen noch zahlreich Schwarzspechte, und auch einzeln der Grauspecht und Mittelspecht, vor. Und mit etwas Glück findet mensch auch den seltenen Kleinspecht.
Prozessschutz in direkter Nachbarschaft
Direkt nördlich des „Urwalds“ liegt das Prozessschutzrevier Quierschied des SaarForst Landesbetriebs. Das Revier wirtschaftet seit über 20 Jahren nach dem Vorbild des Lübecker Modells von Lutz Fähser und Knut Sturm. Bei diesem Revier spielt nicht wie beim Waldschutzgebiet der NABU eine Hauptrolle, sondern der BUND. Diesmal ist es der BUND, der eine Kooperation mit SaarForst und Umweltministerium eingegangen ist. Das Projekt läuft seit dem 21.11.2006. Dass das Revier eines Landesforstbetriebs nach dem Lübecker Modell arbeitet, ist in Deutschland einzigartig.
Wenn Sie den „Urwald vor den Toren der Stadt“ besuchen, empfehlen wir Ihnen einen Abstecher ins Waldinformationszentrum des NABU direkt neben dem Forsthaus Neuhaus.
Mehr Informationen und Bilder zum Wilden Netzbachpfad finden Sie hier.
Auf der Homepage des „Urwalds vor den Toren der Stadt“ finden Sie viele aktuelle Veranstaltungsinformationen.