
Der Wildnispfad des Forstamts Baden-Baden
Wenn Sie Forstwege langweilig finden und Lust auf eine spannende und abenteuerliche Wanderung haben, dann ist der Wildnispfad im Nationalpark Schwarzwald genau richtig für Sie. Der Pfad führt mitten durch einen Wald, den der Orkan Lothar im Jahr 1999 umgeworfen hat. Das Forstamt der Stadt Baden-Baden entschied sich damals, das Holz liegen zu lassen und nicht zu verkaufen. Stattdessen baute man mit viel Liebe und Einfallsreichturm einen wilden Pfad mitten durch die kreuz und quer liegenden Baumstämme.

Die Stadt Baden-Baden hat mit 7.500 ha den größten zusammenhängenden Stadtwald Deutschlands mit Ausnahme Berlins. Das Forstamt von Baden-Baden legt seit jeher den Schwerpunkt seiner Waldbewirtschaftung auf die Erholung. Vor diesem Hintergrund ist auch die Zustimmung des Gemeinderats der Stadt zum Nationalpark Schwarzwald zu erklären: 420 ha seines Stadtwaldes hat man dem NLP zur Verfügung gestellt – und zwar ohne Gebietstausch oder sonstige Entschädigungen. Darauf sind die Baden-Badener stolz: Ohne dieses Geschenk gäbe es den Nationalpark nicht. Er genießt in der Stadt einen großen Rückhalt – ganz im Gegensatz zu Städten wie Baiersbronn oder Freudenstadt.
Geschichte
Der Orkan Lothar hat am 26. Dezember 1999 2.000 ha im Stadtwald umgeworfen. 900.000 Fm Sturmholz fielen an. Der damalige Forstamtsleiter Hammer und seine Kollegen entschieden sich, 70 ha Sturmwurffläche nicht aufzuarbeiten. Wunderschönes Holz – Tannen, Buchen und Fichten – blieben liegen. Im Kreise seiner Mitarbeiter musste Hammer Überzeugungsarbeit leisten: Einige konnten nicht sofort nachvollziehen, warum das Holz nicht verkauft wurde.
Herr Bihlmeier als damaliger Leiter des Betriebshofs war mit der Planung und Ausführung beauftragt. Es gab dort vorher keinen Weg und keinen Steg. Einzige Ausnahme war ein alter Wasserleitungsweg, der zur Wartung der Stadtwaldquellen diente. Teile davon wurden geschickt in den Wildnispfad integriert. Anfängliche Planungen für den Wegverlauf wurden verworfen: Sie waren zu gerade. Es sollte aber nicht darum gehen, möglichst schnell von A nach B zu kommen. Der Weg selbst ist das Ziel. Man braucht Zeit. Der heutige Weg führt durch einen chaotischen Verhau aus kreuz und querliegenden Bäumen. Viele Kurven und Umwege führen mal unter Bäumen hindurch, mal mit Leitern über sie hinweg.
Viele Mitarbeiter hatten Bedenken wegen der Verkehrssicherheit des Weges: Wer haftet, wenn ein dicker abgestorbener Ast einem Besucher auf den Kopf fällt oder gar eine Baum abbricht und einen Wanderer unter sich begräbt? Für überängstliche Forstbeamte ist der Weg ein einziger Albtraum: Ein Gefahrenbaum folgt auf den nächsten. Das Forstamt ließ sich von einem forstlichen Starjuristen in Freiburg beraten: dem Leitenden Regierungsdirektor Dr. Siegfried Orf, der auch den Kommentar zum Forstrecht geschrieben hatte. Der Flyer zum Wildnispfad, die große Informationstafel am Wanderparkplatz und ein Schild beim Beginn des Pfads weisen ausdrücklich auf die vielfältigen Gefahren hin:
Das Forstamt entschied sich bewusst dagegen, aus dem Wildnispfad einen Waldlehrpfad zu machen und an jeder Ecke Tafeln mit Erklärungen aufzustellen. Eines der wenigen Schilder ist am Buchendom aufgestellt: Es belehrt nicht etwa über die Altersphasen des Buchenwalds oder den ökologischen Wert von starkem Totholz in fortgeschrittenen Zerfallsphasen, nein – es lädt ein zur Meditation.
80 Prozent der Arbeiten wurden vom Betriebshof selbst geleistet: Schreiner, Schlosser, Zimmerleute und Forstwirte arbeiteten zusammen. Außerdem waren die zwei Zivildienstleistenden und zwei Teilnehmer eines Freiwilligen Ökologischen Jahres beteiligt. 20 Prozent wurde ehrenamtlich vom Wildnisführer-Verband geleistet. Gegen Verpflegung und Unterkunft arbeiteten Leute aus der ganzen Republik “wie die Maulesel”.

Der 4,5 km lange Wildnispfad führt durch ein Waldgebiet, das seit dem Orkan Lothar nicht mehr bewirtschaftet wird. Für die Strecke sollte man gut 2 Stunden einplanen, da der Weg doch auch beschwerlich ist und es eine gewisse Ausdauer braucht. Im Buchendom kann man dem Rauschen der Bäume lauschen. Wer keine Höhenangst hat, kann den Adlerhorst hinauf in die Baumkronen steigen und das Panorama auf die Bergrücken des Baden-Badener Stadtwalds und der Rheinebene genießen.
Der Wildnispfad
Die Informationsschilder übertreiben nicht: Für diesen Pfad braucht man wirklich eine gute körperliche Fitness. Denn ständig muss man über dicke Baumstämme klettern – mal mit Leitern und mal ohne. Manchmal muss man auch darunter her kriechen. Und der Spalt unter dem Baumstamm ist oft so schmal, dass man immer wieder den Rucksack abnehmen muss. Die Kletterei ist streckenweise richtig anstrengend. Mitte Oktober sind die Baumstämme feucht und glitschig. Auf dem vermodernden Holz wachsen Moose, Pilze und Algen. Der Weg ist definitiv nichts für Schuhe mit hohen Absätzen, Nylonstrümpfe oder Sonntagshosen. Von der Schwarzwaldhochstraße ist nichts mehr zu hören. Es ist still und einsam.
Es gibt in Deutschland keine Urwälder mehr. Trotzdem gibt es Wälder, die viele Merkmale von Urwäldern haben: Der Wald, durch den der Wildnispfad führt, zählt dazu. Ein typisches Urwaldmerkmal sind die riesigen Mengen an liegendem Totholz: Es sind sicherlich weit über 100 Fm pro ha. Und hier liegt nicht nur dünnes Totholz, wie es nach einer normalen Holzernte in jedem Wirtschaftswald übrig bleibt. Hier liegen richtig dicke Baumstämme. Und zwar viele! Nebeneinander, übereinander, kreuz und quer. Und es gibt stehendes Totholz: jede Menge abgebrochener Baumstämme. 20 Jahre nach Lothar haben sich die Lücken, die der Sturm geworfen hat, längst wieder geschlossen. Unglaublich dicht wuchert überall die Naturverjüngung aus Tannen, Fichten und Buchen. Manchmal braucht es nur 20 Jahre, bis ein gepflegter Wirtschaftswald wieder wie ein Urwald aussieht. Man muss einen Windwurf nur liegenlassen.

Urwälder gibt es in Deutschland keine mehr. Aber es gibt Wälder, die Merkmale haben, die an Urwälder erinnern. Der Wald durch den der Wildnispfad führt, zählt dazu. Ein typisches Urwaldmerkmal sind die riesigen Mengen an liegendem Totholz. Und es sind richtig dicke Baumstämme, die im Wald liegen, über die man während der Wanderung auch immer wieder steigen muss. Wenn die Baumstämme feucht und glitschig sind wachsen auf dem vermodernden Holz Moose, Pilze und Algen.
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