
Die feinen Strukturen des Waldes
Die Naturwald Akademie möchte sich umfassend und konstruktiv mit dem Thema Wald beschäftigen. Dazu gehört neben der naturwissenschaftlichen Forschung auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Fragestellungen. Einen weiteren Zugang zu diesem Thema bietet der dokumentarische Film, Literatur und die darstellenden Künste. In loser Reihenfolge möchten wir daher literarische Werke als auch Bildwelten vorstellen, die sich komplex dem Thema Wald, Naturwald, Verlust von Waldwildnis, Arbeit im Wald widmen.
Der Zeichner und Illustrator Rüdiger Tillmann, 50, ist auf einem Bauernhof im Sauerland (Nordrhein-Westfalen) aufgewachsen. Der Wald begegnete ihm dort direkt vor der Haustür. Er war für ihn von klein auf sowohl Spielplatz als auch Arbeitsplatz, da seine Familie dort Wald bewirtschaftete.
Warum ist Wald und Forst für Sie ein so starkes Motiv, Ihr Hauptmotiv?
Ich habe ja Illustration studiert und zeichne auch Illustrationen, Cartoons und Comics. Aber auch dort sind sehr viele Motive Tier- und Natur-geprägt. Zum Wald selber bin ich, abgesehen von meiner Kindheit und Jugend in unserem Familienwald, durch einen längeren Aufenthalt in Schweden gekommen. Dort habe ich mich zunehmend für die Strukturen im Wald interessiert, wie viele Gesichter so ein Wald hat, wie viele Stimmungen es dort geben kann. Dabei ist mir dann aufgefallen, dass ich kaum Wald sehe, indem nicht Spuren von Menschen zu finden sind. Das will ich zeigen. Dafür suche ich mir dann oft ganz banal erscheinende Ansichten aus, die allerdings als Bild-Komposition funktionieren müssen.

Zur Technik
Meine Werkzeuge sind Feder, Tusche und Papier. Ich laufe viel durch Wälder und schaue mir ihre typischen Erscheinungsformen an. Auf den Wanderungen schieße ich Fotos. Diese werden gesichtet und sortiert und schließlich wähle ich eines als Zeichenmotiv aus.
Warum zeigen Sie keine romantischen Bilder vom Wald? Gibt es für Sie keinen schönen Wald?
Natürlich gibt es für mich auch schönen Wald. Ich mag alte, wilde Wälder. Aber ich will den Wald beschreiben, so wie ich ihn auch sehe, wie er vieler Orts einfach ist. Daher möchte ich mit diesen Bildern auch keine Emotionen durch Farben hervorrufen. Dennoch finde ich Wirtschaftswälder ebenso als schön. In denen bin ich aufgewachsen, das verbinde ich mit meiner Kindheit. Und solche Bilder haben auch andere Menschen im Kopf; vom Wald ihrer Kindheit.
Warum sind Ihre Bilder so kleinteilig?
Ich möchte Strukturen zeigen, an denen viele sonst bei einem Waldspaziergang einfach vorbeilaufen würden. So gebe ich diesem Ort etwas Besonderes. Schließlich ist es so, dass ich mich auch gerne während der Arbeit in den Strukturen verliere, die Zeit genieße, die ich den Details widmen kann. Dennoch ist es so, dass ich die Motive vom Foto nie eins zu eins wiedergebe. Da bin ich frei und gestalte die Details im Bild nach meinem Gefühl, zum Beispiel im Hintergrund die vielen Stämme, Nadel- und Blattwerk oder den Waldboden.
Wann sind Sie zufrieden mit einem Bild?
Wenn ich fertig bin! Das liegt an meiner Arbeitstechnik. Ich arbeite ja mit Tusche von oben links bis unten rechts (Siehe Infokasten). Wenn ich dann unten angekommen ist das Bild noch lange nicht fertig. Ich arbeite dann noch die Dunkelheiten aus, da ich am Motiv an sich nichts mehr ändern kann. Dann ist irgendwann der Punkt erreicht: Wenn du jetzt noch etwas machst, wird es nicht mehr besser – Zeit mit dem Bild abzuschließen.

Hat sich im Laufe der Jahre Ihr Blick für Wald geändert? A) durch Ihre Arbeit und B) durch das Wissen, wie komplex Wald als System eigentlich ist?
Ja, ich habe ja im Laufe der Jahre viele Bilder im Wald oder aus dem Wald skizziert und darüber auch viel über die Natur und deren Strukturen im Wald gelernt. Zudem ist durch Sachbücher in der letzten 6-7 Jahren auch mein Verständnis über die Zusammenhänge im Wald stark gewachsen. Das finde ich wunderbar, dass sich jetzt viel mehr Mensch für den Wald interessieren, die sich fragen, wie funktioniert das eigentlich? Aber natürlich kenne ich auch noch viele Menschen, die den Wald einfach genießen und sich nicht weiter für die Funktionen dieser Landschaft interessieren.
Können Sie Ihre Sicht des Waldes durch die Bilder eigentlich vermitteln?
Ich will Menschen für den Wald begeistern. Das gelingt mir manchmal. Eine Frau sagte mir, nachdem sie in meiner Ausstellung war, dass sie jetzt mit ganz anderem Blick in den Wald gehen wird. Das hat mich natürlich sehr gefreut, auch wenn ich weiß, dass dies nicht immer der Fall ist.
Gibt es denn typische Reaktionen auf typische Bilder?
Die meisten sprechen mich auf den Detail-Reichtum der Bilder an. Sie reagieren also zuerst auf das Handwerk, die Technik. Auf den zweiten Blick fällt vielen auf, dass ich oft Fichten gezeichnet habe. Ich erkläre dann, dass es hauptsächlich daran liegt, dass in den Regionen Sauerland, Bayerischer Wald, Harz und Südschweden die Fichten halt sehr häufig sind und sie daher häufig auf meinen Bildern sind. Die Bilder erfüllen oft nicht meine Vorstellungen von einem schönen Wald und manche Spuren der Menschen wirken fast brutal. Aber so ist es halt und ich sage auch immer, dass der Wald sich ja ändern, anpassen kann.
Video zur Technik des Künstlers
Im Video ist die Entstehung einer großformatigen Tuschezeichnung einer schwedischen Kahlfläche auf Büttenkarton zu sehen. Rüdiger Tillmann hat für die Zeichnung etwa 200 Arbeitsstunden von Oktober 2020 bis Februar 2021 benötigt.
Und wie kommen Ihre Zeichnungen bei Menschen an, die mit dem Wald beruflich zu tun haben?
Ich komme ja aus dem Sauerland und meine Familie besitzt dort noch etwas Wald. Meine Bilder hängen natürlich auch dort und werden von Nachbarn und Freunden gesehen. Und viele dort finden oder fanden, zumindest in der Zeit vor den trockenen Sommern und den Borkenkäfern, einen klassischen Fichtenforst auch schön. Die Fichten sind für viele halt Wald, wild und natürlich, damit sind wir groß geworden – auch wenn immer mehr das nun anders sehen.
Sie haben ja für einen Monat hier im Mare Künstlerhaus am Sachsenwald bei Hamburg ein Arbeitsstipendium bekommen. Was wollen Sie in der Zeit machen?
Ich will ein Tusche-Bild fertigmachen, das ist mein Ziel hier. Ich habe dafür schon ein Motiv ausgewählt, dass ich jetzt aufs Papier bringe. Dabei ist für mich jedes Bild wieder eine neue Herausforderung. Ich sitze dann vor dem leeren Stück Papier und frage mich, ob ich das Motiv wirklich zeichnen kann. Ich brauche dafür einfach Zeit und viel Geduld. Mein Skizzenbuch habe ich aber bei jedem Waldspaziergang dabei und halte Motive teilweise auch in Kohle oder als Aquarell fest.
Weiterführende Informationen
Rüdiger Tillmann hat bisher in Deutschland, Schweden und Japan ausgestellt. Über die Website des Künstlers können Originale als auch sehr hochwertige Drucke der Bilder gekauft werden.