Wildnis schafft Vielfalt auf eine natürliche Art
„Naturwälder sind Wälder, aus denen der Mensch sich heraushält“, sagt Pamela Scholz, Geschäftsführerin der Naturwald Akademie. Warum alte Wälder die biologische Vielfalt erhalten und gut für den Klimaschutz sind, erklärt sie im Interview. Und sie verrät: „Alte Naturwälder haben für mich etwas mystisches“
- Frau Scholz, gibt es Wildnis in Deutschland?
Wildnis bedeutet, dass sich Ökosysteme natürlich entwickeln können und Tiere und Pflanzen nach eigenen Gesetzmäßigkeiten leben und sterben. Solche Wildnisgebiete sind sehr selten hierzulande. Das Bundesamt für Naturschutz zählt zu den Wildnisgebieten weniger als ein Prozent der Fläche von Deutschland. Da sind die Nationalparke schon mitgezählt. Aber es entstehen auch neue Wildnisse, wie zum Beispiel auf alten Truppenübungsplätzen und in den Bergbaufolgelandschaften. Dort laufen natürliche Prozesse ungeplant ab und es gibt viele Überraschungen zu beobachten. - Warum ist Wildnis wichtig?
Wildnis schafft auf eine natürliche Art Vielfalt. Und wir wissen, dass biologische Vielfalt die Ökosysteme stärkt. Wildnis stärkt also die Natur. Auch als Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels brauchen wir starke, sich selbst regulierende Ökosysteme. - Wie erkennt man Wildnis im Wald?
Die Waldwildnis erkennen Sie an vielen alten dicken Bäumen und an einem hohen Anteil von stehendem und liegendem Totholz. Durch einen wilden Wald kann man kaum durchkommen, tote Bäume liegen kreuz und quer. Waldwildnis zeigt sich auch an dem unterschiedlich dichten Wuchs in kleinflächigem Wechsel. Ein Mischwald, der nicht bewirtschaftet wird, ist tendenziell dunkler als sein bewirtschafteter Gegenpart. Dazu sieht man einzelne auffällig helle Lichtschächte. Zwischen den Bäumen wachsen Büsche, Blumen und Kräuter. Es ist eine Vielzahl an Käfern, Würmern, Schmetterlingen zu beobachten, genauso wie Vögel, Frösche und Säugetiere. Sie alle finden hier ihren idealen Lebensraum. - Bei Wildnis denkt man an uralte Bäume. Braucht eine Wildnis alte Bäume?
Ja, alte Bäume sorgen für eine unvergleichliche Vielfalt über und unter der Erde. Bis zu 1000 Tier-und Pflanzenarten leben in und von alten Bäumen, angefangen bei den unsichtbaren Bakterien und winzigen Insekten bis zu Fledermäusen und den Vögeln, die man beim Waldspaziergang gerne klopfen hört, die Spechte. - Wildnis für den Klimaschutz?
Naturwälder weisen eine größere Wuchsdichte auf als bewirtschaftete Wälder. Die CO2-Bindung in Naturwäldern ist besonders hoch. Wissenschaftler gehen davon aus, dass ein natürlich wachsender Wald sich durch seine natürliche Selektierung am besten an den Klimawandel anpassen kann. Dazu haben internationale Studien gezeigt, dass alte Wälder und die dortigen Böden mehr CO2 speichern als junge Wälder. - Was verbinden Sie mit Wildnis?
Ganz klar, alte Bäume. Ich liebe alte Bäume und verehre sie – wie eine Großmutter oder einen Großvater. Alte Bäume haben auch etwas Mystisches, Spirituelles. Deswegen habe ich oft das Gefühl, in alten Wäldern wie durch heilige Hallen zu wandeln. Mit Wildnis verbinde ich natürliche Vielfalt. Wildnis ist auch eine Herausforderung, eine Aufgabe, diese seltenen Orte für uns und die nächsten Generationen zu schützen.
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