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Worüber Bäume reden

Bäume nehmen über die Blätter und Wurzelspitzen ständig Informationen aus der Umwelt auf, verarbeiten sie und handeln dementsprechend. Sie kommunizieren im Organismus und miteinander.

Biologen und andere Wissenschaftler haben erkannt, dass Pflanzen wesentlich mehr können, als angenommen. Sie schmecken, riechen, fühlen, hören und sehen. Selbst wenn Bäume, Sträucher und Kräuter keine Sinnesorgane und kein Gehirn besitzen, sie nehmen die Signale aus der Umwelt z.B. über das Licht oder das Wasser mithilfe der Blätter und der Wurzeln wahr. Zudem werden weltweit Belege für das kommunikative Verhalten von Pflanzen gefunden.

Der italienische Pflanzenneurologe Stefano Mancuso von der Universität Florenz spricht von der „Intelligenz der Pflanzen“. Er streitet mit anderen Wissenschaftlern dafür, dass Pflanzen neu betrachtet werden und in der Wissenschaft eine Wertschätzung erhalten. „Die allgemeine Wertehierarchie verbannt die Pflanzen auf die unterste Stufe der Lebewesen“, schreibt Mancuso. „Ein ganzes Reich, das Pflanzenreich, wird völlig unterschätzt, obwohl unser Überleben und unsere Zukunft auf der Erde genau davon abhängen.“ (Mancuso, Intelligenz der Pflanzen, S. 30)

Schlaue Wurzeln?

Als „Kommandozentrale“ bezeichnet sie der Zellbiologe Frantisek Baluska von der Universität Bonn die Wurzelspitze für die Wahrnehmung der Pflanze. Er hat gezielte Bewegung und Sensibilität der Wurzelspitze erforscht und bestätigt damit die „root brain theory“ von Charles Darwin. Der Entdecker der Evolution verglich die Wurzelspitze mit dem „Gehirn eines der niederen Tiere“ in seinem damals bahnbrechenden Buch „The Power of Movement in Plants“. Seine Beobachtungen wurden mehrfach bestätigt, doch erst 125 Jahre nach Darwin haben Baluska und ein Team von Wissenschaftlern der Universitäten Bonn und Florenz die Bewegungen der Wurzelspitze gefilmt. Deutlich sichtbar ist, dass die Wurzelspitze wie ein Wurm durchs Erdreich kriecht. Die Wurzelspitze nimmt Wasser oder Giftstoffe wahr, sendet die Botschaften über Zellen in die Wurzel, die daraufhin ihre Richtung im Wachsen entsprechend anpasst.

Die Wurzeln schicken Botschaften aus der Erde an die Blätter in der Höhe. Und die Blätter senden aus der Baumkrone Informationen an die Wurzeln und an andere Blätter. Wenn zum Beispiel die Wurzeln zu wenig Wasser finden, übermitteln sie den Blättern, dass sie ihre Öffnungen, die Stomata, schließen. Aus den geöffneten Stomata würde sonst zu viel Wasser verdunsten.

Bäume kommunizieren, sie tauschen sich untereinander aus, und mit anderen Pflanzen in ihrer Umgebung, mit Pilzen und mit Tieren. So informieren sich Bäume, ob Fressfeinde wie Rehe oder Raupen in der Nähe sind. Von Zelle zu Zelle teilen sich die Blätter gegenseitig mit, wenn sie gefressen werden oder ein Insekt seine Eier auf den Blättern ablegt. Der Baum produziert dann noch mehr chemische Stoffe (wie z.B. Tannin in Eichenblättern), die den Fressfeind abschrecken – oder sogar vergiften.

Bäume verteidigen sich erfolgreich

Auf den Baum als „Serienmörder“ von Kudus-Antilopen ist der südafrikanische Biologe Wouter van Hoven gestoßen. Er untersuchte, warum plötzlich und ohne erkennbaren Grund massenhaft Kudus auf den Wildtier-Ranches in Südafrika starben. Die Antilopen schienen vollkommen gesund und waren äußerlich unverletzt. In ihrem Pansen fand van Hoven die Blätter von Akazien, die während einer Dürre die einzigen Pflanzen der Region waren, die noch grüne Blätter hatten. Van Hoven untersuchte die Blätter und die Bäume. Er fand heraus, dass die Akazien besonders viel Pflanzengift Tannin produziert hatten, um sich zu schützen.

Und die Bäume schützten nicht nur sich selbst vor den Fressfeinden. Wenn Tiere an ihren Blättern knabberten, sonderten die Blätter Ethylen ab. Die flüchtige Chemikalie benachrichtigte andere Akazien, die daraufhin Tannin zur Abwehr produzierten. Van Hoven erkannte: Die Akazien kommunizieren miteinander.

Vernetze Kommunikation im Wurzelreich

Die kanadische Forstwissenschaftlerin Suzanne Simard von der Universität British Columbia hat als erste nachgewiesen, dass Bäume in einem Wald über ein Wood Wide Web miteinander verbunden sind. Mit radioaktivem Kohlenstoff wies Simard nach, dass Bäume durch die Wurzeln und die Fäden der Mykorrhiza-Pilze Nährstoffe und Informationen quer durch den Wald austauschen. Fehlen einem Baum Nährstoffe, versorgen ihn die anderen Bäume. Simard konnte auch nachweisen, dass sogar Bäume unterschiedlicher Arten sich versorgen: Birken versorgten Douglas-Tannen mit Nährstoffen.

Grundlage für dieses Verhalten ist, der ständige Austausch der Bäume mit Pilzen, den Mykorrhiza. Jeder Baum lebt in enger Verbundenheit mit diesen Pilzen, die über ein feines Wurzelgeflecht den Baum mit schwer erschließbaren Nährstoffen aus dem Boden versorgen. Der Baum gibt den Pilzen dafür Zucker, den die Pilze selbst nicht bilden können. Die beiden Lebewesen kommunizieren über die Wurzelfäden miteinander und informieren sich gegenseitig über die notwendigen Stoffe.

Dein Feind ist mein Freund

Auch mit Tieren kommunizieren Pflanzen. Mithilfe von Duftstoffen rufen sie die Fressfeinde ihrer Fressfeinde. Den Trick beherrschen selbst krautartige Pflanzen wie der Wilde Tabak. Ian Baldwin, Direktor des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena, erforscht den Wilden Tabak Nicotiana attenuata und hat viele Möglichkeiten der non-verbalen Kommunikation der Pflanze entdeckt. Gegen mehrere Raupenarten setzt die Tabakpflanze Nikotin ein. Wenn das nicht ausreicht, lockt sie mit Duftstoffen Ameisen und Eidechsen an, die die Insekten fressen. Da der Wilde Tabak die Motten der Raupen jedoch für die Bestäubung braucht, lockt die Pflanze die Tiere auch an und bietet den Raupen zuckerhaltige Leckerbissen. Fressen die Raupen zu viel, sterben sie. Dr. Baldwin spricht von der „Rasierklinge im Apfel“. Er hat auch herausgefunden, dass Nicotiana attenuata am Speichel der Raupen erkennt, wer am Blatt knabbert. Das Tabakkraut kann also nicht nur Informationen senden, sondern sie auch empfangen, die Botschaft verstehen und umsetzen.


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