Fledermaus an Baum

Foto: Pixabay, Cparks

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Heimat für die Räuber der Nacht

Naturwälder sind für Fledermäuse essentiell wichtig. Sie bieten zugleich abwechslungsreiche Jagdgebiete und Altbäume mit zahlreichen Wohnhöhlen. Bereits in kleinen Naturwaldgebieten kann man viele Arten antreffen.

Fledermäuse sind faszinierend, weil sie sich in einer Welt zurechtfinden, die dem Menschen fast völlig verschlossen ist – der Dunkelheit. Ihr Ortungs- und Hörsinn ist so fein, dass sie während des Fluges Insekten von nur wenigen Millimeter Größe aufspüren können. Dabei unterscheiden sich die verschiedenen Fledermausarten in der Technik, mit der sie Jagd auf Beute machen. Die Fransenfledermaus etwa jagt knapp über dem Boden nach kleinen Mücken – gern in der Nähe feuchter Flächen. Die Bechsteinfledermaus hingegen verlässt sich nicht nur auf den Ultraschall, sondern kann dank ihrer großen Ohren die Krabbelgeräusche von Insekten auf trockenem Laub erlauschen – und die Beute direkt vom Boden aufpicken. Die Langohrfledermaus wiederum hat ein derart hoch auflösendes Ultraschallgehör, dass sie feinste Bewegungen erkennen kann, etwa das Krabbeln eines Käfers. Im Schwebeflug horcht sie die Rinde von Bäumen oder Zweigen nach Beute ab und packt zu, sobald sich das Insekt bewegt. Insgesamt vertilgen Fledermäuse ungeheure Mengen an Insekten und Spinnen. Um satt zu werden, muss eine Fledermaus in einer Nacht eine Nahrungsmenge zu sich nehmen, deren Gewicht etwa 2.000 Stechmücken entspricht.

Kleiner Abendsegler
Foto: seniorennet.be/CC.BY-SA 2.0

Der Kleinabendsegler (Nyctalus leisleri) ist eine typische Art alter höhlenreicher Laub- und Laubmischwälder. Die Fledermaus erreicht eine Kopf-Rumpf-Länge von 48 bis 72 Millimeter mit einem Schwanz von 35 bis 48 Millimeter Länge.Der Kleine Abendsegler ist vorwiegend nachtaktiv und ernährt sich vor allem von kleinen, nacht- und dämmerungsaktiven Insekten.

Der wichtigste Fledermauslebensraum

In Deutschland gibt es mehr als 20 verschiedene Fledermausarten, wobei manche Arten bundesweit verbreitet sind und andere nur in bestimmten Regionen auftreten. Die unterschiedlichen Jagd- und Lebensweisen der verschiedenen Fledermäuse führen letztlich dazu, dass man die meisten Spezies in naturnahen Wäldern findet. Nur hier finden sie ein buntes Mosaik aus offenen und geschlossenen Flächen, sowie alten und jungen Baumbeständen. Fledermausexperten sind sich darin einig, dass vor allem Naturwälder ideale Fledermauslebensräume sind. Denn diese bieten neben den abwechslungsreichen Jagdgebieten auch die für Fledermäuse als Quartier so wichtigen Baumhöhlen. Lange war wenig darüber bekannt, wie Fledermäuse die Höhlen nutzen beziehungsweise, welche Art von Höhlen sie bevorzugen. Dank des Einsatzes von Fledermausdetektoren und kleinen Funksendern aber, konnten Biologen in den vergangenen 20 Jahren Fledermäuse in der Dunkelheit erstmals intensiv erforschen und genauer studieren, welche Ansprüche diese an Baumhöhlen haben. Dank dieser Forschung, weiß man heute, dass einer Fledermaus eine einzige Höhle bei weitem nicht reicht. Denn Fledermäuse wechseln ihre Höhlenquartiere ausgesprochen häufig. Das bedeutet auch, dass für Fledermäuse vor allem jene Wälder interessant sind, in denen auf kleinem Raum viele Baumhöhlen zu finden sind – und das sind insbesondere die Altholzbestände der Naturwälder.

Eine einzige Höhle ist nicht genug

Dass Fledermäuse ihre Quartiere so häufig wechseln, hat mehrere Gründe. Sie verlassen eine Höhle beispielsweise, wenn Parasiten Überhand nehmen. Bei Kälte bevorzugen die Fledermäuse von der Sonne beschienene Höhlen, bei Hitze eher schattige Plätze. Weibchen, die mit ihren neugeborenen Jungtieren im Frühjahr in Mutter-Kind-Kolonien, den Wochenstuben, leben, wechseln ihre Quartiere besonders häufig. So bevorzugen sie beispielsweise bei der Geburt andere Höhlen als während der Stillzeit. Auch hier spielt vor allem die Wärme eine Rolle bei der Wahl der Höhle. Für die Bechsteinfledermaus hat man herausgefunden, dass Weibchen im Frühjahr und Sommer durchschnittlich alle 2,7 Tage ihr Quartier wechseln. Männchen sind etwas steter, suchen sich aber nach spätestens drei Wochen ebenfalls eine neue Behausung. Alte Baumbestände mit vielen Höhlen sind also ein Garant dafür, dass Fledermäuse in großer Zahl heimisch werden.

Großes Mausohr, Fledermaus bei Nacht
Foto: Von C. Robiller / Naturlichter.de, CC BY-SA 3.0

Das Große Mausohr (myotis myotis) ist, mit einer einer Flügelspannweite zwischen 35 und 43 Zentimetern, die größte europäische Myotis-Art. Sie fliegt am Waldrand oder Lichtungen zwischen Bäumen herum, dabei wird auf die Raschelgeräusche der am Boden laufenden Beute gehört.

Auch kleine Flächen, kommen groß raus

Erstaunlicherweise bevorzugen die verschiedenen Fledermausspezies unterschiedliche Höhlentypen. Während Beichsteinfledermäuse bis zu 95 Prozent Spechthöhlen bewohnen, verbringt die Mopsfledermaus die Tage in Hohlräumen hinter der abplatzenden Rinde von Eichen, Eschen, Ulmen oder auch Kiefern. Die Große Bartfledermaus wiederum bevorzugt Aufrissspalten entlang der Stämme. Kurz, je mehr Höhlen es gibt, desto artenreicher ist der Fledermauswald. Insofern können selbst relativ kleinräumige Naturwälder eine hohe Anziehungskraft auf Fledermäuse haben. Im Naturwaldreservat „Kinzigaue“ bei Hanau konnten Biologen während der Sommermonate zwölf Fledermausarten auf einer Fläche von nur 0,2 Quadratkilometern nachweisen. Eine solche Artenkonzentration auf so kleiner Fläche wie in der „Kinzigaue“ stufen Experten daher als „bundesweit herausragend“ ein.

Dass Naturwälder für Fledermäuse so attraktiv sind, hat noch verschiedene andere Gründe. Ein entscheidender ist das einzigartige Mikroklima der naturnahen Waldstandorte. Zum einen dringt durch lichte Flächen viel Sonnenwärme in den Wald ein, was vor allem während der Wochenstubenzeit wichtig ist, in der die nackten Jungtiere heranwachsen. Zum anderen schützt das Kronendach der hohen Bäume die Wälder nachts vor zu starker Auskühlung. Viele Fledermausarten meiden kühle Gebiete und bevorzugen Areale, die vergleichsweise warm bleiben. Insofern fördert das stabile warme Mikroklima, die Ansiedlung von Fledermäusen.

Verlässliche Heimatreviere

Viele kleine Säugetiere wie Mäuse oder Hamster werden nur wenige Jahre alt. Insofern erreichen Fledermäuse als Kleinsäuger mit bis zu 20 Jahren ein geradezu hohes Alter. Wie andere Tierarten, die älter werden, sind Fledermäuse besonders standorttreu. Zwar wandern viele Arten im Herbst aus ihren Sommerrevieren ab, um frostfreie Winterquartiere wie etwa Felsenhöhlen aufzusuchen, doch im Frühjahr kehren sie an den alten Waldstandort zurück. Alte Waldgebiete bieten Fledermäusen durch ihre Konstanz daher Vorteile. Die Tiere müssen keine Zeit mit aufwändiger und energiezehrender Suche nach neuen Quartieren verbringen. Eine „hohe Waldkonstanz“ wirkt sich damit auch auf die Reproduktion und die langfristige Entwicklung eines Fledermausbestandes aus. Hinzu kommt, dass sich in naturnahen, reich strukturierten Wäldern Jagdgebiete und Quartierbäume meist in direkter Nähe befinden. In weniger naturnahen, fragmentierten Gegenden müssen Fledermäuse hingegen oftmals größere Entfernungen von bis zu mehreren Kilometern zwischen den Wohnhöhlen und den Jagdgebieten zurücklegen.

Energiezehrende Langstreckenflüge

Das ist problematisch, weil Fledermäuse ein besonders energiezehrendes Jagdverhalten haben. Trächtige oder säugende Weibchen müssen in einer Nacht rund zwei Drittel ihres eigenen Körpergewichts als Nahrung aufnehmen. Lange Flugstrecken zwischen Quartier und Jagdgebiet können die Tiere schwächen. Auch in dieser Hinsicht bieten wenig fragmentierte Naturwälder ideale Lebensbedingungen. Vor allem alte Laubwälder mit zahlreichen Höhlen bieten perfekte Fledermaushabitate. Will man Fledermäuse schützen, ist es also unerlässlich Höhlenbäume zu erhalten.

Literatur


Quellen und weiterführende Literatur:

  1. Dietz, Markus, 2010: Fledermäuse als Leit- und Zielarten für Naturwald-orientierte Waldbaukonzepte. Forstarchiv, 81: 69 – 75.
  2. Dietz, Markus, 2012: Waldfledermäuse im Jahr des Waldes – Anforderungen an die Forstwirtschaft aus Sicht der Fledermäuse. Naturschutz und Biologische Vielfalt, Bundesamt für Naturschutz, 128: 127 – 146.

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