Pilz auf Moos

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Ohne Moos nix los

Moose sind für den Laien oft nur unscheinbare Waldbewohner. Aber auch im Wald gilt: ohne Moos nichts los. Sie halten nicht nur Feuchtigkeit im Wald und filtern Wasser. Allein in den deutschen Wäldern kommen fast 700 Moosarten vor. Die meisten findet man in naturnahen, strukturreichen Wäldern. Der intensive Stickstoffeintrag in der Landwirtschaft und die Bewirtschaftung der Wälder haben zum Rückgang vieler Moose in Deutschland geführt.

Wer schon einmal durch einen dunklen und feuchten Wald gestreift ist, der kennt die dicken Polster von Moosen, die Baumstämme oder Felsen wie ein weicher, grüner Pelz überwuchern. Moose halten sich auch gern in den tiefen Rissen der rauen Borke alter Bäume fest oder gedeihen im Totholz zerfallender Stämme. Im Vergleich mit Blumen sind Moose vielleicht unscheinbar. Schaut man aber genauer hin, dann entpuppen sie sich als kleine Preziosen. Manchmal stehen sie dicht an dicht wie Miniaturwälder. Andere Moose tragen an ihren Stängeln Blättchen, die zu Sternen angeordnet sind. Und manchmal sind die verästelt wie Korallen. Moose sind uralt. Sie haben die Dinosaurier überlebt und sind lange vor den Blütenpflanzen entstanden. Sie vermehren sich nicht über Samen, sondern wie Pilze über Sporen, die vom Wind sehr weit getragen werden. Viele Sporenkapseln sind ausgesprochen interessant und hübsch geformt.

Mit Moosen die Luftqualität überwachen

Für den Menschen sind Moose durchaus wichtig. Sie filtern Wasser, halten Böden feucht und schützen diese vor Austrocknung. Viele Moose werden gar für die Überwachung der Luftqualität genutzt – etwa das weit verbreitete Kriechende Stumpfdeckelmoos oder das Bruchs Krausblattmoos, das in der Borke von Laubbäumen nahe an Gewässern wächst. Es gibt sogar eine Richtlinie des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), nach der Moose gewissermaßen als Frühwarnsystem eingesetzt werden (s.a. Quelle 3 unten). Anders als Blütenpflanzen haben sie keine feste schützende Oberfläche, die sie einigermaßen vor Umweltgiften schützt. Ist die Luftqualität schlecht, sterben sie schon früh ab. Dies passiert lange bevor man einem Wald ansieht, dass er ums Überleben kämpft. In der Zeit des sauren Regens, den 1970er und 1980er Jahren, starben in Mitteleuropa Waldgebiete ab. Flechten und Moose waren damals die ersten Vorboten dieses sogenannten Waldsterbens.

Hentschel
Foto: Privat

Auf der Suche nach neuen Moosen

Gut 1.000 Moosarten gibt es deutschlandweit – knapp 700 findet man in Wäldern. „Manche dieser Arten kommen durchaus auch in anderen Lebensräumen vor, doch machen diese Zahlen die besondere Bedeutung des Waldes für die Moose sehr deutlich“, sagt der Pflanzenkundler Dr. Jörn Hentschel, Kurator des Herbariums Hausknecht der Friedrich-Schiller-Universität Jena. In den vergangenen Jahren sind viele Fachartikel erschienen, die vor allem auch die besondere Bedeutung naturnaher Waldstandorte für die Moose belegen, sagt Jörn Hentschel.

Gefährdetes Gabelzahnmoos​

Ein Beispiel ist das Grüne Gabelzahnmoos, dessen Verbreitung vor allem in den vergangenen Jahren näher untersucht worden ist, weil es heute in Mitteleuropa als gefährdete Art gilt. Das struppige Pflänzchen wächst auf der Borke von Bäumen und bevorzugt morsches Holz nahe am feuchten Boden. Es kommt vor allem in Süddeutschland vor und ist im Norden und Osten immer seltener geworden. Das Problem: Anders als die meisten Moosarten vermehrt es sich nicht über Sporen, die vom Wind leicht verbreitet werden. Vielmehr bilden sich neue Pflanzen aus abgebrochenen Blättern. Damit kann sich das Moos nur langsam neue Gebiete erschließen. „Die wenigen besiedelten Flächen im Norden und Osten von Deutschland sind für den Erhalt der Art daher ungemein wichtig“, sagt Jörn Hentschel. Die Hauptgefährdungen seien forstwirtschaftliche Maßnahmen wie Kahlschläge und größere Auflichtungen oder Nadelholzanpflanzungen, bei denen eine Altersklasse die Bestände dominiert. Gute Lebensmöglichkeiten böten hingegen Laubwälder mit einer gemischten Altersstruktur ohne jegliche Holzentnahme oder mit extensiver Einzelstammnutzung.

Raue Borke als Lebensraum

Biologen von der Universität Lüneburg (s.a. Quelle 1, unten) haben festgestellt, dass auch andere Moosarten, die vorzugsweise die Borke von Bäumen bewachsen, durch eine intensive Nutzung von Wäldern seltener geworden sind. Studien, bei denen unbewirtschaftete Wälder mit benachbarten, bewirtschafteten Waldgebieten verglichen wurden, zeigen deutlich, dass die Zahl der Arten und auch die Dichte der Moose im Naturwald deutlich größer waren. Wichtig sind hier vor allem die Stämme der alten Bäume. Wo viel raue Borke, viele Verwachsungen und allgemein Strukturen zum Festhalten vorhanden sind, fühlen sich die Moose wohl. Entstehen hingegen durch Kahlschläge lichte Flächen, ziehen sich vor allem Moosarten zurück, die Schatten und Feuchtigkeit benötigen. Die Autoren der Studien schlagen vor, in bewirtschafteten Wäldern wenigstens einige alte Bäume zu erhalten. Zudem sei grundsätzlich die Entnahme von Einzelbäumen zu bevorzugen, um Schwankungen des Mikroklimas zu vermeiden.

Moos am Baum
Foto: Shutterstock

Bioindikator

Moosarten zeigen die ökologischen Bedingungen am Wuchsort an. Daher werden sie durch Gutachter als Anzeiger für bestimmte Umweltbedingungen verwendet: Etwa zur Ermittlung der Schwermetallbelastung. Sie eignen sich hierzu besonders gut, da sie alle Stoffe, die im Niederschlag enthalten sind, ungefiltert aufnehmen und speichern.

Bunte Waldstruktur fördert Vielfalt

„Einem Wald sieht man nicht gleich an, ob er artenreich oder artenarm ist“, sagt Jörn Hentschel. Um seinen Studenten diese Tatsache zu vermitteln, macht er daher immer Exkursionen in einen gleichförmigen Fichtenforst und zum Vergleich in einen Buchenmischwald. Der Boden des Fichtenforstes, den Hentschel mit den Studentengruppen besucht, ist mit einem dichten, grünen Moospolster bedeckt. Im Mischwald hingegen wachsen die Moose eher fleckenweise – an der Borke von Bäumen, am Totholz oder auf Steinen. Hentschel: „Im Fichtenforst kommen nur eine Handvoll Arten vor, während es im Buchenmischwald das Zwei- bis Dreifache ist.“ Der Grund: Der naturnahe Wald ist reicher strukturiert. Stürzen alte Buchen um, erläutert Jörn Hentschel,reißen sie große Lücken in den Wald. In diesen lichten Bereichen können viele neue Pflanzen gedeihen, junge Bäume und auch andere Baumarten aufwachsen – etwa Eschen oder Ulmen. Ein naturnaher Wald besteht somit aus einem Mosaik unterschiedlich alter Waldbereiche, aus Totholz und jungem Niederwald – und bietet verschiedene Strukturen und sehr vielen Moosarten eine Heimat.

Zu viele Nährstoffe aus der Luft

Jörn Hentschel betont, dass das Vorkommen von Moosen bereits seit vielen Jahren nicht mehr allein von der Art der Waldbewirtschaftung abhängt, sondern auch von der Luftqualität. Vor 40 Jahren führte das Schwefeldioxid zu saurem Regen, der in vielen Gegenden Moose dezimierte. Heute überwiegen die Stickoxide, etwa aus Dieselfahrzeugen. Diese Stickstoffverbindungen wirken wie ein Dünger, der über die Luft permanent eingetragen wird. Da viele Moose auf nährstoffarmen Waldböden wachsen, werden sie auf den Böden, die reich an Stickstoff sind, von stickstoffliebenden Blütenpflanzen wie Brombeeren und Brennnesseln verdrängt. Auch aus der Landwirtschaft, aus Ställen oder aus der Gülle steigen Stickstoffverbindungen in die Atmosphäre auf, sodass sie mit dem Wind verteilt werden. „In der Nähe von Städten und Regionen mit intensiver Landwirtschaft merkt man den Rückgang bei den Moosen besonders stark“, sagt Jörn Hentschel. Allerdings zeigen die aktuellen Maßnahmen zur Luftreinhaltung – beispielsweise die Bekämpfung von Stickoxiden aus dem Autoverkehr – auch erste Erfolge. In manchen Regionen ist die Luft tatsächlich wieder sauberer; beispielsweise in Gebieten in Sachsen-Anhalt und Thüringen. Dort konnten Jörn Hentschel und Kollegen bei der Neubearbeitung der Roten Listen der Moose ehemals seltene oder gar verschollen geglaubte, auf Bäumen wachsende Moosarten wieder in die Kategorie ungefährdet einstufen.

Literatur


Quellen und weiterführende Literatur:

  1. Lesetipp: Bestimmungsführer für Moose am Waldboden
  2. A. Friedel G. V. Oheimb J. Dengler & W. Härdtle 2006: Species diversity and species composition of epiphytic bryophytes and lichens – a comparison of managed andunmanaged beech forests in NE Germany. Feddes Repertorium 117 1–2 172–185. DOI: 10.1002/fedr.200511084
  3. J. Hofmeister J. Hošek E. Holá & E. Novozámská 2015: Biodiversity and Conservation 2015: Decline in bryophyte diversity in predominant types of central European managedforests. Biodiversity and Conservation 24 1391–1402.
  4. VDI-Richtlinie 3957 Biologische Messverfahren zur Ermittlung und Beurteilung der Wirkung von Luftverunreinigungen (Bioindikation). Kartierung der Diversität epiphytischer Moose als Indikatoren für Luftqualität.​

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