Schwarzstorch

Foto: Bengt-Thomas Gröbel

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Schwarzstorch: Das scheue Juwel des Waldes

Das Gefieder des Schwarzstorches funkelt im Sonnenlicht wie ein Diamant. Bewunderern aber entzieht sich der scheue, geheimnisvolle Vogel. Er sucht die Ruhe und Abgeschiedenheit alter Wälder und ist so zum Symboltier des Waldnaturschutzes geworden.

Martin Hormanns Faszination für den Schwarzstorch begann vor mehr als 30 Jahren mit einem Absturz. Der Wissenschaftler von der Staatlichen Vogelschutzwarte in Frankfurt/Main arbeitete in jener Zeit noch als NABU-Artenschutzreferent, als er von Mitgliedern gefragt wurde, was sie tun könnten, wenn eines der großen Nester des seltenen Waldbewohners zu Boden gestürzt sei. Damals wusste Martin Hormann noch keine Antwort, aber er begann über die versteckt lebende Art zu recherchieren, lernte von erfahrenen Vogelkundlern und wurde zu einem ausgewiesenen Schwarzstorch-Experten.

„Solche Nestabstürze kommen bis heute häufig vor, weil in unseren Wirtschaftswäldern die knorrigen, uralten Bäume fehlen. Alte Eichen zum Beispiel bilden große, verzweigte Kronen aus, in denen der Schwarzstorch gern seinen Horst anlegen würde“, sagt Martin Hormann. Stattdessen weichen die seltenen Vögel unter anderem auf Buchen oder Kiefern aus und errichten ihr Nest auf Astgabeln im unteren Kronenbereich. Eine wackelige Angelegenheit! Oft genügt ein kurzer Sommersturm und der mitunter zentnerschwere Horst stürzt samt Brut in die Tiefe.

Schwarzstorch
Foto: Bengt-Thomas Gröbel

Der Schwarzstorch (Ciconia nigra):

-wiegt bis zu 3 Kilo und hat bis zu 1,9 m Flügelspannweite
-Nachwuchs: Ende März bis Anfang Mai, bis zu 6 weiße Eier, eine Brut pro Jahr. Brutdauer: 32 bis 36 Tage, beide Eltern brüten. Geschlechtsreife ab dem 3. Lebensjahr
-Nahrung: Fische (Forelle, Groppe), Wasserinsekten und Amphibien
-Alter: Der älteste beringte Storch wurde 18 Jahre alt; in Gefangenschaft wurde ein Tier 31 Jahre

Ein Rückkehrer mit hohen Ansprüchen

Der Verlust eines Schwarzstorch-Geleges ist jedes Mal ein Rückschlag für den Bestand. Weltweit gibt es gerade mal 14.000 bis 16.000 Brutpaare. In Deutschland nisten heutzutage wieder 600 bis 650 Paare. Diese Zahl ist als Naturschutzerfolg zu bewerten, wenn man bedenkt, dass der als Fischereischädling verrufene Schwarzstorch jahrhundertelang stark verfolgt wurde. Als die Art im Jahr 1935 als „Naturdenkmal“ unter Schutz gestellt wurde, galt sie in Westdeutschland als nahezu ausgestorben.

Die Rückkehr der markanten, schwarz-weiß gefiederten Vögel zog sich bis in die 1970er Jahre hin. Von Osten kommend eroberten sie in zwei Besiedlungswellen ihre angestammten Reviere zurück. Mittlerweile leben die meisten Schwarzstörche in den großen, abgelegenen Laub- und Mischwäldern der Mittelgebirge, also in Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. „Die Mittelgebirgsregionen mit ihren Wäldern in Hanglage und den dazugehörigen Fließgewässern sind der ideale Lebensraum für den ausgesprochen scheuen Vogel. Den Wald braucht er als Brutraum, die vielen versteckten Quellen, Bachläufe und feuchten Waldwiesen nutzt er als Jagdrevier“, erklärt Martin Hormann.

Dennoch sind die Störche hinsichtlich ihres Brutareals ausgesprochen wählerisch und bevorzugen alte, naturnahe Wälder – weshalb sie auch als Symboltier des Waldnaturschutzes gelten. Der auserkorene Nestbaum sollte in einem nicht allzu dichten Waldstück oder am Rande einer Lichtung stehen, sodass die Altvögel ihn gut anfliegen können. Erwünscht ist zudem stehendes Totholz im Umfeld des Nestes. Die kahlen Äste kranker oder abgestorbener Bäume nutzen die Störche als Ansitz- oder Ruheplatz. Auf dem Waldboden dürfen nur wenige Sträucher wachsen, damit die Jungvögel später ausreichend Platz für ihre Start- und Landeübungen am Boden haben und mögliche Feinde wie Fuchs und Wildschwein rechtzeitig erspähen. Außerdem fischen Schwarzstörche am liebsten in nahegelegenen Bächen, Waldtümpeln und Weihern mit hoher Wasserqualität und dichtem Uferbewuchs, der ihnen Deckung bietet.

Storchenbabys
Foto: Bengt-Thomas Gröbel

Besonderheiten
Jungtiere haben meist ein weißes Gefieder. Zur Brutzeit färben sich bei Altvögeln die unbefiederten Hautpartien wie Augenring, Zügel und Kehlhaut ebenso wie der Schnabel leuchtend rot. Die Weibchen sind nur geringfügig matter gefärbt als die Männchen.
Schwarzstörche bauen umfangreiche Baum- oder Felsennester. Die Baumnester liegen im mittleren, häufiger aber im oberen Drittel verschiedener Laub- und Nadelbäume.

Bitte nicht stören!

Am wichtigsten aber ist den Kulturflüchtern ihre sprichwörtliche Ruhe, wobei sich die Vögel durch die Anwesenheit von Menschen weitaus stärker gestört fühlen als durch Lärm aus der Ferne. „Im Idealfall nutzt der Schwarzstorch sein angestammtes Nest über viele Jahre hinweg. Werden die Vögel aber zum Beispiel durch Holzfällarbeiten, Jogger oder Spaziergänger gestört, geben sie ihr Nest ziemlich schnell auf und beginnen anderswo im Revier einen neuen Horst zu bauen. Die Aussicht auf eine erfolgreiche Brut ist dann allerdings gering“, sagt Martin Hormann.

Die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Nestes in Hessen beträgt derzeit kaum mehr als zwei Jahre. Das bedeutet unnötigen Stress für die Tiere. Um die Verweildauer und Bruterfolge des Schwarzstorches zu steigern, schreibt Martin Hormann nicht nur Artenschutzkonzepte und setzt sich für größere Schutzzonen rund um die Horste ein. Seit seiner Zeit beim NABU koordiniert er auch ein Netzwerk von Nestbetreuern – darunter auch viele Revierförster – welche die in Hessen bekannten Brutplätze still und heimlich beobachten, Jungvögel zählen und Nestabstürze melden. „Dort, wo ein Horst abgestürzt ist, errichten wir im Winter eine Nestplattform, welche die Vögel nach ihrer Rückkehr aus den Überwinterungsgebieten in der Regel gut annehmen“, sagt Martin Hormann. Wäre es angesichts dieses Erfolges nicht sinnvoll, viele solcher Nisthilfen zu installieren? Nein, antwortet er. Dazu sei nicht hinreichend bekannt, was aus Sicht eines Schwarzstorches einen guten Nistplatz ausmache. Bei abgestürzten Horsten könnten die Vogelschützer zumindest sicher sein, dass der Storch den Standort schon mal für gut befunden hatte.

Schwarzstorch
Foto: Bengt-Thomas Gröbel

Zugvogel

Europäische Schwarzstörche verlassen ihre Brutgebiete von Mitte August bis Mitte September und überwintern an Flusssystemen in Ost- und Zentralafrika, in Westafrika sowie seit einiger Zeit auch immer häufiger in Spanien. Bei ihrer Wanderung sind die Segelflieger auf eine gute Thermik angewiesen. Deshalb ziehen sie über Land und überqueren auf ihrem Weg nach Afrika das Mittelmeer an seinen engsten Stellen. Interessanterweise treten Brutpartner die Reise stets getrennt an und kehren auch getrennt voneinander zum Horst zurück.

Neues Wissen für besseren Schutz

In aktuellen Forschungsprojekten versuchen die deutschen Vogelschützer zudem herauszubekommen, anhand welcher Kriterien sich geschlechtsreife Schwarzstörche für ein Brutgebiet entscheiden und wie sie auf Veränderungen innerhalb dieses Areals reagieren. Antworten darauf werden vor allem in Hinblick auf das Thema Windkraftanlagen benötigt. Fakt ist nämlich, dass die windbeständigsten Standorte der Mittelgebirgsregionen ausgerechnet im Hauptverbreitungsgebiet des Schwarzstorches liegen.

Besseres Wissen über die Lebensweise der Störche hat in der Vergangenheit schon einmal geholfen, Gefahren zu minimieren. Seitdem zum Beispiel die Masten von Mittelspannungsleitungen mit Sitzstangen versehen und stromführende Bauteile umfassend isoliert werden, können die Störche gefahrlos auf den Leitungsmasten rasten. Zuvor hatten vor allem Jungtiere beim holprigen Anflug auf den vermeintlichen Ruheplatz einen Stromschlag erlitten – und diesen Fehler oft mit dem Leben bezahlt.

Wie aber sollten Menschen reagieren, die beim Waldspaziergang einem Schwarzstorch begegnen?  Martin Hormann: „Unbedingt weitergehen und keinesfalls versuchen, die Vögel zu fotografieren. Wer zufällig einen Brutplatz entdeckt, sollte die Information nur an die zuständige Vogelschutzwarte oder aber den Forstbetrieb weitergeben und ansonsten keinen Rummel darum machen.“ Der Schwarzstorch fühlt sich am wohlsten, wenn seine Existenz ein Geheimnis bleibt.

Lesetipps:

  • Bengt-Thomas Gröbel / Martin Hormann: Geheimnisvoller Schwarzstorch – Faszinierende Einblicke in das Leben eines scheuen Waldvogels, AULA-Verlag Wiebelsheim, 2015, 136 S., 228 farb. Abb., gb., 21 x 28 cm quer, ISBN: 978-3-89104-786-6
  • Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland: Artenhilfekonzept für den Schwarzstorch (Ciconia nigra) in Hessen, 2012. Download unter: https://vswffm.de/index.php/downloads
  • Black Storck & Raptor Impressions (https://blackstorknotes.blogspot.com/), Foto- und Forschungs-Blog des Vogelkundlers und Schwarzstorch-Experten Carsten Rohde


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