
Von Molchen und Fröschen im Wald
Amphibien leben nicht nur in Feuchtgebieten, sondern auch im Wald. Einige von ihnen sind auf diesen Lebensraum sogar spezialisiert. Vor allem der Feuersalamander ist hier zuhause. Welche Rolle er und seine Verwandten im Wald eigentlich spielen, ist noch weitgehend unerforscht.
Im Frühjahr in der Dämmerung fallen sie besonders auf: Frösche und Kröten, die sich zu ihren Teichen aufmachen, um dort zu laichen. Manche Amphibienarten aber bekommt man selbst im Frühling selten zu Gesicht – etwa jene, die vor allem in Wäldern unterwegs sind. Zu ihnen gehören unter anderem der Feuersalamander und der Bergmolch, zwei Schwanzlurcharten, sowie der Grasfrosch. „Weltweit gibt es einige Regionen, in denen viele Amphibienarten in Wäldern leben; in Nordamerika zum Beispiel viele Salamander“, sagt der Ökologe Johannes Penner, Kurator für Forschung und Zoologie beim Verein „Frogs & Friends. „Insofern ist es eigentlich überraschend, dass in Mitteleuropa so wenige Amphibien an den Lebensraum Wald gebunden sind.“
Im Wald zuhause
Unter den Amphibien, erzählt Johannes Penner, ist der Feuersalamander der Waldbewohner Nummer 1. Er benötigt vorwiegend saubere und kühle Waldbäche mit flachen Uferbereichen, die nur schwach durchströmt werden, um dort seine Larven zu gebären. Gelegentlich nutzen sie auch Tümpel. Entscheidend ist, dass die Gewässer frei von Fischen sind, weil diese die Larven auffressen würden.

Der Feuersalamander – geliebt, gefürchtet und bedroht
Ihn kennt fast jeder, den Feuersalamander (Salamandra salamandra) . Er lebt als Spezialist in großen Laub- und Mischwaldgebieten mit naturnahen Bachläufen. Anders als bei vielen anderen mitteleuropäischen Lurchen werden kein Laich gelegt, sondern fertig entwickelte Larven zur Welt gebracht. Der Feuersalamander hat fast keine Freßfeinde. Gelegentlich schlägt mal eine Ringelnatter zu, aber das bereut sie meist. Da der Salamander neben seiner auffälligen Warntracht über ein toxisches Hautdrüsensekret verfügt, das je nach Heftigkeit des Angriffs zum Einsatz kommen kann. Die größte Gefahr ist die Zerstörung seines Lebensraumes und ein aus Asien eingeschleppter Hautpilz, der schnell zum Tod führt.
Welche Rolle der Feuersalamander im Ökosystem Wald spielt, ist bisher kaum erforscht. Immerhin konnte ein Wissenschaftler-Team aus Belgien und Spanien jetzt zeigen, dass Feuersalamander offenbar einen Einfluss darauf haben, wie schnell Blätter am Waldboden verrotten. Die Salamander fressen unter anderem jene Tiere, die sich von Pflanzenmaterial, insbesondere Blättern, ernähren – etwa Asseln, Regenwürmer und Tausendfüßer. Wie die aktuelle Studie (Quelle 1) zeigt, gibt es deutlich weniger dieser Tiere, wenn Feuersalamander vor Ort sind – und entsprechend langsamer wird das Laub am Waldboden abgebaut; das Laub der Stieleiche, so die Forscher, um etwa 20 Prozent langsamer. Wie sich das konkret auf den Wald auswirkt, können die Forscher noch nicht sagen. „Diese Verlangsamung könnte mehrere Vorteile haben“, sagt Johannes Penner. „Zum einen werden die Nährstoffe aus den Blättern langsamer freigesetzt, sodass das Laub länger als Nährstoffvorrat dienen kann.“ Zum Zweiten sei die Blätterschicht am Waldboden für viele Organismen ein wichtiger Lebensraum – nicht zuletzt für den Feuersalamander selbst. Durch den Feuersalamander ensteht somit vermutlich eine dickere Laubschicht und zugleich mehr Lebensraum für ihn und seine Futtertiere. Feuersalamander benötigen eine kühle und feuchte Umgebung, da ihre Haut keinen Verdunstungsschutz bietet. An warmen und trockenen Tagen verkriechen sie sich daher in der Laubschicht, unter Wurzeln und in der Erde. Wichtig ist für die Feuersalamander auch Totholz, weil es den Boden feucht und kühl hält. Zudem finden sich darunter jede Menge Beutetiere. Kühl und feucht – diese idealen Lebensbedingungen finden Feuersalamander am ehesten in Buchen- und Eichenmischwäldern. „Wenn hohe Luftfeuchtigkeit herrscht, also wenn es zum Beispiel leicht nieselt und zwischen drei und zwölf Grad hat, kommen die Feuersalamander aus ihren Verstecken und wandern umher“, sagt Johannes Penner. Vor allem im Frühjahr und im Herbst gebe es die besten Bedingungen, um Feuersalamander zu beobachten. Da er abgesehen von der Ringelnatter kaum Fressfeinde hat, ist er dabei durchaus weitab seines Verstecks unterwegs.
Weniger wählerisch – der Bergmolch
Was die Nähe zum Wald angeht, ist der Bergmolch etwas flexibler als der Feuersalamander. Dieser gut zehn Zentimeter lange Molch mit dem leuchtend roten Bauch kommt in Deutschland in den Mittelgebirgen und in den Alpen vor. Lange ging man davon aus, dass seine Verbreitung vor allem durch die Höhenlagen beeinflusst wird. Heute nehmen Fachleute an, dass der Wald der entscheidende Faktor für seine Verbreitung ist.

Der Grasfrosch (Rana temporaria) ist einer unser häufigsten Froscharten. Er besiedelt ein breites Spektrum stehender und fließender Gewässer. Wobei er stehende Gewässer wie kleine Teiche und Weiher bevorzugt. Hier laicht der Grasfrosch ab und kann am Gewässergrund überwintern. Er lebt in Wäldern, Mooren, Gärten, Parks und an Gewässerrändern.
Auch der Bergmolch kommt vor allem in Laubwäldern vor. Was seine Ansprüche an den Lebensraum angeht, ist er weniger wählerisch als der Feuersalamander. Er lebt auch in Heidegebieten und an Waldrändern. Seinen Laich legt er in Tümpeln ab, mitunter aber auch in den wassergefüllten Suhlen von Wildschweinen und sogar in tiefen Treckerspuren. „Was das Habitat angeht, ist der Bergmolch recht anpassungsfähig“, sagt Johannes Penner. „In Fichtenplantagen und Wäldern, die durch Drainage trockengelegt wurden, findet man den Bergmolch allerdings nicht.“ Letztlich benötige der Bergmolch Tümpel, die vergleichsweise ungestört seien. Darunter versteht Johannes Penner nicht nur, dass die Gewässer abseits liegen, sondern vor allem, dass sie nicht von Pestiziden aus der Landwirtschaft erreicht werden. Pestizide können Molche und andere Amphibien nicht nur direkt beeinträchtigen, in dem sie diese umbringen, sondern auch indirekt, sagt Penner. Diese sogenannten sub-lethalen Effekte, die zum Beispiel zu veränderten Verhaltensweisen und damit einer veränderten Fitness führen können, sind jedoch meist nicht erforscht. Auch in dieser Hinsicht hätten die Wälder als Rückzugsort eine große Bedeutung – und immerhin stehen fast zwei Drittel der Amphibienarten bundesweit als „gefährdet“ auf der Roten Liste.
Die offene Frage, was Laichgewässer attraktiv macht
Auch der Grasfrosch ist auf den Rückzugsort Wald angewiesen, weil er dort im Frühjahr Tümpel zum Ablaichen aufsucht. Zudem findet er dort bei Trockenheit feuchte und kühle Verstecke. Anders als der Feuersalamander sind Grasfrösche aber auch in Wiesen zu finden. Wie die beiden anderen Arten gibt der Grasfrosch Wissenschaftlern heute noch Rätsel auf. So ist bislang noch unklar, warum Grasfrösche beim Ablaichen manchen ihrer Gewässer besonders treu sind. In einer ausführlichen Studie (Quelle 2) wurde in Bayern untersucht, nach welchen Kriterien Grasfrösche die Gewässer aussuchen. Die Biologen vermaßen die Dicke der Laubschicht, den Moosbewuchs, die Dichte des Blätterdachs und mehr als 20 weitere Parameter; ohne Erfolg: Die Biologen konnten keine eindeutigen Standortfaktoren finden, nach denen Grasfrösche ihr Laichgewässer auswählen. Für den Schutz der Tiere wäre dieses Wissen indes sehr wichtig. „Arten wie der Grasfrosch, die noch recht weit verbreitet sind, sind wenig erforscht, weil es für Projekte kaum eine Finanzierung gibt – anders als bei bedrohten Arten“, sagt Johannes Penner. „Insofern haben wir auf viele Fragen einfach noch keine schlüssigen Antworten, die wir aber dringend brauchen, da auch häufige Arten wie eben der Grasfrosch in jüngster Zeit teilweise deutlich weniger geworden sind.“ Was die Amphibien und den Wald angeht, gibt es also noch einiges zu entdecken – und das, obwohl dort hierzulande nur so wenige Amphibien zuhause sind.
Literatur
- Alexandra E. Laking et. al., 2021: Salamander loss alters litter decomposition dynamics. Science of the Total Environment 776.
- Grözinger et. al., 2012: Environmental factors fail to explain oviposition site use in the European common frog. Journal of Zoology 288.
- Thiesmeier & U. Schulte, 2010. Der Bergmolch. Laurenti
- Süddeutsche Zeitung, 2021: Tödlicher Hautpilz:Feuersalamander in große Gefahr