Flussauenwald

Foto:pixabay, Lubos Houska

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Wald, Land, Fluss

Flussauenwälder gehörten einst zu den prägenden Landschaften in Deutschland. Die Begradigung der Flüsse, der Bau von Deichen und die Landwirtschaft haben diesen extrem artenreichen Lebensraum hierzulande aber fast verschwinden lassen. Erste Großprojekte zur Renaturierung entlang der Elbe zeigen, dass sich der Trend umkehren lässt – und dass Flussauen wesentlich zum Hochwasserschutz beitragen.

„In Europa gibt es kaum ein artenreicheres Ökosystem als die Flussauen mitsamt ihren Auenwäldern“, sagt Dr. Meike Kleinwächter. „Es ist die einzigartige Kombination verschiedener Lebensräume in einem kleinen Gebiet, die diese Vielfalt hervorbringt.“ Solche Auen und Auenwälder findet man entlang der Flüsse, dort wo sich das Wasser noch relativ frei seinen Weg bahnen kann, wo es sich bei Hochwasser aus seinem Bett in die Umgebung ergießt, erzählt die Leiterin des Auenökologischen Zentrums des Umweltverbandes BUND auf Burg Lenzen an der Mittelelbe. Auen seien amphibische Lebensräume, die mal unter Wasser stehen und dann wieder trockenfallen.

Flussaue
Foto: Dieter Damschen /BUND

Hartholzauenwald: Entlang größerer Flüsse mit natürlicher Überflutungsdynamik findet sich der FFH-Lebensraumtyp der Hartholzauwälder (91F0). Sie sind meist nur kurzzeitig überflutet. Dominierende Baumarten sind Esche und Eiche. Ulmen sind eingestreut.
Weichholzauenwald: Der FFH-Lebensraumtyp 91E0 fasst Fließgewässerbegleitende Erlen- und Eschenauwälder sowie quellige, durchsickerte Wälder in Tälern oder an Hangfüßen zusammen.Typische Baumarten sind Schwarz- und Grauerle.

Von der Weide bis zur Stieleiche

Experten teilen Auen in verschiedene Zonen ein, die sich vor allem darin unterscheiden, wie häufig diese überschwemmt werden. Nah am Fluss, wo es permanent feucht ist, bilden sich ausgedehnte Röhrichte, in denen Rohrsänger brüten und Jungfische Unterschlupf finden. Daran schließen sich Wälder aus Weichholz, aus Weiden und Schwarzpappeln an, die häufige Überflutungen sehr gut vertragen. In den eher trockenen Zonen finden sich Hartholzwälder aus Stieleichen und Flatterulmen, die mit ihren stämmigen Pfahlwurzeln auch im weichen Boden Halt finden. Auch diese Harthölzer ertragen Überflutungen – ein- bis zweimal im Jahr, teils mehr als einen Monat können sie unter Wasser stehen, ohne Schaden zu nehmen. Mancherorts brüten in den Hartholzwäldern Schwarzstörche und Seeadler; und in der feuchten Tümpellandschaft der Weichholzwälder Kraniche. Denn im Wasser sind sie vor Füchsen und Mardern sicher.

Nur ein Prozent erhaltene Auenwälder

Doch vielerorts sind die Auenwälder verschwunden. Weil Flüsse über die Jahrhunderte und vor allem im 20. Jahrhundert begradigt und zwischen Dämmen und Deichen in enge Flussbetten gezwängt wurden, werden die Auenwaldgebiete vielerorts nicht mehr überflutet. Anderswo wurden Häfen und Industrieanlagen gebaut. Auen sind ausgesprochen fruchtbare Gebiete. Über die Jahrhunderte wurden Sedimente und Nährstoffe in die Flächen eingetragen, weshalb man sie vielfach in Acker- oder Weideland gewandelt hat. „Von den ursprünglichen Auenwäldern in Deutschland ist heute nur noch etwa ein Prozent übrig“, sagt Meike Kleinwächter. „Und deshalb müssen wir diese Gebiete unbedingt schützen.“ Tatsächlich gebe es einen positiven Trend, sagt die Zoologin: In den vergangenen Jahren sind an verschiedenen Flüssen Projekte gestartet, mit denen verlorene Auenbereiche zurückgewonnen werden – an der Elbe, der Donau, der Isar, der Lippe, dem Rhein oder an der Weser. Dafür werden Deiche zurückverlegt oder geöffnet, damit das Hochwasser wieder in die Landschaft fließen kann.

Zur Beseitigung einer Engstelle im Strom direkt hinter einer scharfen Flussbiegung – dem sogenannten „Bösen Ort“ – wurde auf über sechs Kilometer Länge einer neuer Deich errichtet. Dieser ist teils mehr als einen Kilometer vom alten Elbedeich entfernt. Den alten Deich hat man an mehreren Stellen geöffnet hat, damit das Wasser einströmen kann. Die bis dahin landwirtschaftlich genutzte Fläche wurde mit mehreren Flutrinnen durchzogen, die jetzt bei Hochwasser volllaufen und das Wasser lange halten. Zudem wurden in dem neugewonnenen Feuchtgebiet Bäume gepflanzt, damit sich ein neuer Auenwald bildet. Nur wenige Kilometer elbaufwärts wurde in dem letzten großen Auenwaldgebiet dieser Region, der Hohen Garbe, ganz ähnlich verfahren. Bereits in den 1980er Jahren hatte man landeinwärts einen neuen Deich gebaut; allerdings nicht aus Umweltschutzgründen, sondern um den alten Elbedeich zu unterstützen. Im Winter 2019/2020 wurde der alte Deich dann schließlich geöffnet. Auch die Hohe Garbe mit ihrem Hartholzbestand wird jetzt regelmäßig überflutet. Das Wasser kann sich wieder seinen Weg bahnen. Es ist gut möglich, dass Bäume freigespült werden und absterben. Aber genau das ist für einen Auenwald charakteristisch. In einem Auenwald gibt es jede Menge Totholz, welches seltenen Käfern wie dem Feldbock oder dem Eremiten, der seine Eier in Baumhöhlen legt, als Lebensraum dient.

Flußauen an der Elbe
Foto: Katharina Nabel/BUND

Flussauenlandschaft
Flüsse, die regelmäßig über ihre Ufer treten, nennt man flussbegleitende Auenlandschaften. Je nachdem, wie weit der Wald vom Flussbett weg ist, verändern sich der Einfluss von Grund- und Hochwasser und damit auch die Pflanzenarten. So entsteht die Einteilung in den krautbewachsenen Uferbereich, den Weichholzauenwald und den Hartholzauenwald.

Natürlicher Hochwasserschutz

„Im Wasserbau wurden Auenwälder lange Zeit als Wand betrachtet, als ein Hindernis, das Wasser staut und damit die Hochwassergefahr verschärft“, sagt Meike Kleinwächter. Doch wie das Beispiel Lenzen zeige, sei das Gegenteil der Fall. Beim Elbehochwasser 2013 senkte sich der Scheitelpunkt des Hochwassers, der höchste Punkt der Flutwelle, bei Lenzen um 49 Zentimeter ab, weil das Wasser seit der Deichrückverlegung mehr Raum hat. Die Entlastung wirkte sich bis ins etwa 25 Kilometer flussaufwärts gelegene Wittenberge aus – dort sank der Scheitelpunkt immerhin noch um gut sieben Zentimeter. Meike Kleinwächter: „Wenn man bedenkt, dass es bei einem Hochwasser manchmal auf jeden Zentimeter ankommt, damit ein Deich nicht überspült wird, ist das viel.“ Die Hohe Garbe und das Gebiet bei Lenzen zeigen, dass das Risiko von Hochwasserschäden sogar sinken kann.

Fledermaus und Mittelspecht

Meike Kleinwächter ist gespannt, wie sich der noch relativ junge Waldbestand bei Lenzen entwickelt. Eine Ahnung davon gibt die Hohe Garbe. Hier kommen Tierarten zusammen, die man in dieser Kombination sonst in keinem anderen Waldstandort findet: Fledermausarten, die über den stehenden Gewässern zwischen den Baumgruppen jagen, Mittelspechte, die auf Alt- und Totholz angewiesen sind oder Amphibien wie die seltene Rotbauchunke, die in flachen, von der Sonne beschienen Senken lebt. „Das Mosaik aus lichten und dunklen Bereichen, aus Senken mit Staunässe und trockenen Bulten ist einzigartig für die deutsche Waldlandschaft“, sagt Meike Kleinwächter.

Heute ist dieser Lebensraum die Ausnahme. Noch vor wenigen hundert Jahren gehörte er zu den prägenden Naturelementen Deutschlands. Meike Kleinwächter betont, dass es beim Schutz nicht allein um die Artenvielfalt ginge. Die Auenwälder böten weitere wichtige Ökosystemleistungen. Sie speichern große Mengen an Nährstoffen – etwa überschüssigen Stickstoff- und Phosphatdünger aus der Landwirtschaft, der bei Starkregen und Hochwasser sonst ungefiltert in die Nord- und Ostsee eingetragen wird und dort zu problematischen Algenblüten führt. Und für trockene Zeiten sind sie ein wichtiger Wasserspeicher, der das Grundwasser speist, wenn anderswo der Boden verdorrt. Damit sind Auenwälder ein doppelter Schutz, falls mit dem Klimawandel extreme Wetterlagen zunehmen sollten: Sie schützen während regenreicher Zeiten vor dem Hochwasser und sichern andererseits während trockener Perioden die Wasserversorgung.

Lesetipps

Projekt Blaues Band
Auenschutz in Deutschland
Burg Lenzen Naturschutzprojekt
Projekt Lebendige Elbauen

Video zu den Auen​

Welche Rolle spielt die Art der Forstwirtschaft in Überflutungsgebieten in Mittelgebirgen? Eine Analyse der Naturwald Akademie im Auftrag von Greenpeace, 3.09.2021. Hier als Download.

Welche Instrumente der Landschaftsgestaltung gibt es entlang unserer Flusslandschaften? Planung naturbasierter Lösungen in Flusslandschaften – Ein Handbuch für die Praxis. Hier mehr Infos dazu.



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