Europäisches Eichhörnchen

Foto: Bigstock/Pahis

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Wieso tragen Waldbäume nicht in jedem Jahr gleich viele Früchte?

Waldbäume wie Eichen, Buchen oder Fichten bilden von Jahr zu Jahr unterschiedlich viele Früchte und Samen aus. Welche Faktoren diese Menge bestimmen und wie der Klimawandel sie verändert, wollen Schweizer Forscher mit einem Citizen-Science-Projekt beantworten.

Die Unterschiede könnten größer kaum sein. Während in diesem Jahr nur wenige Buchecker am Waldboden in der Schweiz und Süddeutschland zu finden sind, ächzten im Herbst 2016 die Rotbuchen vom Alpennordrand bis nach Dänemark unter der Last ihrer Früchte. „Die Buchen trugen im vergangenen Jahr so viele Früchte, dass ihre Zweige das Gewicht kaum noch halten konnten. Die Äste hingen regelrecht zu Boden, sodass man schon von Weitem erkennen konnte, wie reich die Ernte ausfallen wird“, erzählt Dr. Thomas Wohlgemuth, Waldökologe an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL in der Schweiz.

„Vollmast“ nennen Experten wie er eine derart reiche Ausbeute bei der Samenproduktion von Waldbäumen. Der Fachbegriff stammt noch aus jener Zeit, als die Bauern ihre Hausschweine zur Eichelmast in den Wald trieben. Damals weckte die Aussicht auf fette Schinken den Wunsch, die Frucht- und Samenmenge der Waldbäume vorhersagen zu können. Heute interessieren sich Wissenschaftler wie Thomas Wohlgemuth dafür, um genauere Vorhersagen zur Zukunft der Wälder machen zu können. Die Anzahl der Zapfen, Bucheckern, Eicheln oder Beeren entscheidet nämlich maßgeblich darüber, in welchem Ausmaß sich ein Wald verjüngen und ausbreiten kann. Und ihre Menge variiert im Laufe der Jahrzehnte deutlich.

Bucheckern
Foto: Ulrich Wasern,WSL

Ein Hutewald, ist ein Wald, der auch oder Vollmast an Rotbuche (Fagus sylvatica). In dieser Zeit sind mehr Insekten an den Bäumen zu finden. Und die tausenden Buchecker am Boden lassen die Mäusepopulation und wenig später auch den Eulenbestand anwachsen. Bei der Eichelmast hingegen nehmen die Wildschweinbestände deutlich zu. Dies zeigt, wie unmittelbar der Zustand der Bäume sich auf die Tierwelt auswirkt.

Die Witterung im Vorjahr legt den Grundstein

„Bei Baumarten wie Eiche, Buche oder Fichte können nach einer Vollmast unter Umständen bis zu zehn Jahre vergehen, bis die Bäume wieder eine große Menge Früchte produzieren. Dazwischen tragen sie nur wenige oder so gut wie keine Früchte – und das nicht nur an einem Ort, sondern über große Gebiete hinweg“, sagt der Experte.

Doch welche Faktoren entscheiden darüber, welches Jahr ein Mastjahr wird? Eine wichtige Rolle spielt das Wetter im Vorjahr. Die Basis einer Mast, die sogenannten Blütenknospen, bilden die Bäume nämlich im Sommer vor der Blüte aus. Je besser die Wachstumsbedingungen in dieser Zeit sind, desto mehr Knospen legen die Bäume an und desto mehr Blüten können dann im Frühjahr bestäubt werden.

Positiv wirkt sich auch eine trockene Witterung zur Blütezeit aus. Sie ermöglicht einen intensiven Pollenflug und somit flächendeckende Befruchtungen. „Ist der anschließende Sommer dann auch noch feuchtwarm, führt dies in der Regel zu einer großen Anzahl reifer Früchte“, so Thomas Wohlgemuth. Eine lange Trockenheit während der Samenreifung hingegen mindert die Ausbeute. Die Bäume tragen dann viele Früchte ohne Samen oder die Samen sind klein.

Aus: Quelle 1, s.u.

Wann spricht man von einer Vollmast? Was bedeutet eine Sprengmast? Im Bild ganz oben ist die gleiche Weistanne in den verschiedenen Zuständen abgebildet. Mit einem einfachen Bewertungsschema kann dies jeder interessierter Naturfreund in den Wälder unterscheiden und über die Website mastweb.ch melden.

Drei gute Gründe für eine Vollmast

Eine große Anzahl Früchte auszubilden, kostet Kraft. Fichten, Eichen, Buchen und Tannen wachsen in diesen Jahren nicht so stark. Dennoch lohnt sich der Aufwand. „Wenn die Bäume einer Art zur gleichen Zeit und über ein großes Gebiet hinweg viele Blüten und Pollen produzieren, steigt zunächst die Wahrscheinlichkeit, dass die einzelne Blüte bestäubt wird“, so Thomas Wohlgemuth. „Später, wenn die Früchte zu Boden fallen, gelingt es Räubern wie Eichhörnchen, Mäusen oder Vögeln nicht, alle Samen aufzufressen. Das heißt, es bleiben genügend Samen für die Keimung übrig.“ Die Wissenschaftler vermuten außerdem, dass der Wind und die Tiere des Waldes die Samen über größere Distanzen verbreiten, wenn das Fruchtangebot groß ist.

Bürgerprojekt zeigt, Buchen tragen öfter viele Früchte

Wissenschaftler bewerten die Samen- und Fruchtproduktion bei Waldbäumen nach einem einfachen vierstufigen Schema (siehe Infokasten). Dieses bildet auch die Grundlage für das Bürgerprojekt „Mastweb“, mit dem Thomas Wohlgemuth und seine Kollegen an der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL die Muster und treibenden Kräfte der Samenbildung besser verstehen wollen. „Wir rufen waldbegeisterte Schweizer und ihre Gäste auf, uns ihre Beobachtungen von der Samen- und Fruchtproduktion der Wälder zu melden. Vor allem auch in jenen Jahren, in denen die Bäume keine Früchte tragen. Denn nur auf Grundlage flächendeckender Langzeitbeobachtungen kann es uns gelingen, Veränderungen im Zuge des Klimawandels festzustellen“, sagt der Initiator. Erste Beobachtungen deuten zum Beispiel darauf hin, dass Buchen im Zuge der Erderwärmung öfter Halb- und Vollmasten tragen.

Thomas Wohlgemuth
Foto: privat

Thomas Wohlgemuth und seine Kollegen an der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL wollen die Muster und treibenden Kräfte der Samenbildung besser verstehen. Sie bewerten die Samen- und Fruchtproduktion bei Waldbäumen dahe rnach einem einfachen vierstufigen Schema (siehe oben) und zählen bei der Datenaufnahme auch auf die Beteiligung von vielen Bürgern.

Von hoher Samenausbeute profitiert vor allem die Tierwelt

Anleitungen sowie erste Ergebnisse bieten die Wissenschaftler auf der Projekt-Webseite www.mastweb.ch. Die Informationen dort dürften auch für Jäger, Biologen und Artenschützer interessant sein. Studien zeigen nämlich, dass Halb- und Vollmasten die Artenvielfalt eines Waldes beeinflussen. Thomas Wohlgemuth: „Wir haben beobachtet, dass im Zuge einer Buchenmast mehr Insekten an den Bäumen zu finden sind. Mehr Buchecker am Boden lassen die Mäusepopulation und wenig später auch den Eulenbestand anwachsen – und im Schweizer Jura wurde gezeigt, dass eine Buchenmast zu einer größeren Anzahl von Rauhfußkatzen führte. Bei einer Eichelmast hingegen nehmen die Wildschweinbestände zu.“ Die Frage, wie viele Früchte die Waldbäume in den nächsten Jahren bilden werden, bleibt also ein ausgesprochen spannendes Forschungsfeld.

Literatur


Quellen und weiterführende Literatur:

  1. Wohlgemuth et al (2016): Muster und treibende Kräfte der Samenproduktion bei Waldbäumen, Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen, hier als Link
  2. Monika Konnert et all (2014): Blühen und Fruktifizieren unserer Waldbäume in den letzten 60 Jahren. Freising: Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, LWF Wissen 74: 37–45, hier als Link
  3. Projekt-Webseite der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL  zur Samenhäufigkeit von Waldbäumen: www.mastweb.ch

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