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Wildschweine fühlen sich sauwohl im Wald

Wildschweine sind intelligente Tiere: Sie haben ein ausgeprägtes Zeitgefühl und können Menschen in Feind und Freund unterscheiden. Ein erfahrenes Weibchen – die Leitbache – führt den Familienverband aus weiblichen Tieren und nur ganz jungen Keilern. Im Wald sind Wildschweine nützlich: sie lockern beim Stöbern den Boden und fressen die Larven von Baumschädlingen und Aas.

Matschig mögen es die Wildschweine, mit Pfützen und Tümpeln im Wald, in denen sie baden und sich suhlen. Natürliche Wälder mit Mooren, Wasserläufen und Tümpeln sind daher genau der richtige Lebensraum für „Sus scrofa“, das europäische Wildschwein. In der Nähe ihrer Suhlen fallen Kiefern oder Eichen auf, an deren Borke sie sich so oft gescheuert haben, dass das darunter liegende Holz blank glänzt. Ganz dünn sind die Stämme, verbogen von Wildschwein-Generationen.

Schweine ruhen sich im Kessel aus

Von ihren Suhlen führen ausgetretene Pfade zu den Schlafplätzen, tief im Wald, wo die Wildschweine hausen. Zwischen engstehenden Fichten oder unter den herabhängenden Zweigen einer Tanne ruhen sie geschützt vor neugierigen Blicken, rotten sich im Familienverband zusammen, verdauen, was sie außerhalb ihres Wohn- und Schlafzimmers gefunden haben. „Kessel“ heißt so ein Ruheplatz und Spaziergänger erkennen ihn an sechs, sieben, neun oder noch mehr freigescharrten ovalen Liegeflächen auf dem Waldboden, von einem Wall aus Laub und Zweigen begrenzt. (Riechen können Menschen den Kessel oft auch, denn zwischen den Ruheplätzen liegen zu Würsten verdichtete Pellets aus Kot.)

Foto: Niesters/DJV

Das Wildschwein (Sus scrofa) bringt seine Jungen meist in der Zeit von März bis Mai zur Welt. Die Frischlinge werden sehend und behaart geboren. Die Leitbache synchronisiert die Empfängnisbereitschaft, die sogenannte Rausche, der weiblichen Tiere. Alle Weibchen einer Rotte werden deshalb zur selben Zeit rauschig, besamt, trächtig und werfen auch zur selben Zeit. Das erhöht die Überlebenschance der Frischlinge.

Die Wege der Wildschweine im Wald verraten, dass sie an manchen Plätzen den Boden regelmäßig durchstöbern, dort immer wieder mit ihrem kräftigen, keilförmigen Schädel und der feinen Nase nach Käferlarven, Regenwürmern, Wühlmäusen, Eicheln oder Bucheckern suchen. Wildschweine fressen zwar alles, sind aber wählerisch und bevorzugen die Baummast von Eicheln, Bucheckern und Nüssen. In Mastjahren, wenn Eichen oder Buchen üppig Früchte tragen, fressen Wildschweine nur die Baumfrüchte. Bis zu fünf Kilo Eicheln vertilgen sie dann an einem einizigen Tag.

Die Gesundheitspolizei des Waldes

Wildschweine sind im Wald äußerst nützlich. Sie lockern den Boden, fressen die Larven von Forstschädlingen wie Kiefernspinner und Gespinstblattwespen und dämmen Wühlmausplagen ein. Wildschweine jagen nicht, sondern finden ihre Nahrung. Dafür drehen sie auch liegende Baumstämme um oder zerlegen einen morschen Stamm, um an die Mäuse zu kommen. Wildschweine gehören zur Gesundheitspolizei des Waldes. Sie fressen tote Tiere, die an Krankheiten oder durch einen Autounfall gestorben sind.

Wildschein
Foto: Rolfes/DJV

Wildschweine verlassen heute viel öfter die Wälder als ursprünglich. Ein Grund dafür ist, dass die mitunter großen Populationen in ihren naturfernen, artenarmen Wäldern nicht mehr genug Futter finden. Zudem liegen Felder und Siedlungen dichter an den Wäldern. Das dort reichlich vorhandene Futter wie Mais, Raps oder Gartengemüse lockt die Borstentiere dann aus dem schützenden Wald.

Wildschweine leben im Matriarchat. Die Weibchen – Bachen genannt – geben den Ton an. Eine erfahrene Bache führt eine Familienrotte, in denen sich die weiblichen Jungschweine vom vergangenen Jahr und ihre Nachkommen mit den Frischlingen der Führungssau mischen. In den ersten Lebensmonaten leben auch die männlichen Schweine in einer Rotte. Ansonsten bleiben die Bachen unter sich. Sie werden alle zur selben Zeit rauschig, was bedeutet, dass sie zur selben Zeit empfängnisbereit und fortpflanzungsfähig sind. Das führende weibliche Wildschwein gibt den Takt vor und ihre Töchter und gegebenenfalls auch ihre Enkelinnen in der Rotte passen ihre Rausche an. Herumziehende Eber decken sie, was sie bei gutem Futter schon als Frischlinge im ersten Jahr können. Hartnäckig hält sich in Deutschland der Irrglaube, dass die Leitbache die Empfängnisbereitschaft der jungen Bachen unterdrückt.

Mais oft interessanter als Eicheln und Bucheckern

„Die Lebensbedingungen sind dermaßen optimal, dass es aus Sicht eines Führungsschweins keinen Sinn macht, die Nachkommen zu begrenzen“, sagt Ulf Hohmann, Leiter der Forschungsgruppe Wildökologie bei den Landesforsten Rheinland-Pfalz. Wildschweine vermehren sich wie Kaninchen – ständig und zahlreich, wenn sie ausreichend Futter und Schutz finden. So wie in Deutschland. Seit den 1980er-Jahren haben sich Wildschweine einen neuen Lebensraum erschlossen: das Maisfeld. Wo früher eine nasse Wiese am Waldrand lag, steht heute Mais direkt neben Eiche und Buche. Zwischen Mai und Oktober leben Wildschweine erst im Raps und dann im Mais. Der Mais für die Biospritanlagen ist den Allesfressern zu fade. Doch sie leben dort wie hinter den Palisadenwänden eines Forts, sicher und unsichtbar. Und wenn sie gar nichts anderes finden, fressen sie eben doch die Ackerfrüchte. Angepasst sind Wildschweine von Natur aus an die Mastjahre von Eichen und Buchen. In Jahren mit wenigen Eicheln und Bucheckern, überleben wenige Tiere den Winter. In Mastjahren kommen viele Wildschweine durch.

In der Agrarlandschaft ist diese natürliche Anpassung der Wildschweine an den Wald durcheinander geraten. Seit rund 40 Jahren ist die Anzahl an Wildschweinen in Ost- und Westdeutschland explodiert. Eine Million Wildschweine stöbern hierzulande vor der Jagdzeit im Herbst durch die Wälder und Äcker. Nach den winterlichen Gemeinschaftsjagden leben noch rund 300.000 Wildschweine, die sich bis zum Herbst wieder auf ca. eine Million vermehren.

Schlaue Viecher und gute Beobachter

„Erstaunliches Gedächtnis, hohes Lernvermögen, ausgeprägtes Zeitempfinden“ schreibt Franz Müller in den „Wildbiologischen Informationen für den Jäger“ über das Wildschwein. Wildschweine erkennen, ob ein Mensch im Wald mit Gewehr oder friedlich unterwegs ist. Sie ignorieren Spaziergänger und Nordic Walker auf dem Weg, selbst wenn sie wenige Meter daneben liegen.


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