Mykorrhiza-Pilze helfen Bäumen im Klimawandel
Hohe Temperaturen und wenig Regen stressen Bäume und Wälder. In Deutschland zeigen die Jahre der Dürre seit 2018, wie der Klimawandel die Ökosysteme unter Druck setzt. Hilfe für die darbenden Bäume, Sträucher, Kräuter kann aus dem Untergrund kommen, legen Studien aus Nordamerika und Europa nahe. Mykorrhiza-Pilze können Pflanzen vor den Auswirkungen des Klimawandels schützen, denn die Pilze versorgen sie mit Wasser und Nährstoffen auch in trockenen Zeiten. Da Pilze mehr Wärme vertragen als Pflanzen, halten sie im Klimawandel länger durch.
Aber auch Pilze leiden unter der zunehmenden Trockenheit und unter dem Klimawandel. Und auch im Reich der Pilze gilt, dass die biologische Vielfalt die Vielfalt stärkt. Mehr Baumarten im Wald fördern die Vielfalt der Mykorrhiza-Pilze – und damit die Überlebenschancen in heißen Zeiten. Denn die Mykorrhiza können Pflanzen helfen, sich an die neuen Klimaverhältnisse anzupassen. Mykorrhiza-Pilze verlangsamen zudem den Abwanderungsprozess von Pflanzen aus nährstoffarmen, trockenen und zu warmen Gegenden. Und sie ermöglichen, dass die Pflanzen neue Lebensräume besiedeln können.
Mykorrhiza und Bäume in guter Gesellschaft
Pflanzen und Mykorrhiza-Pilze leben in einer abhängigen Gesellschaft miteinander. Sie bilden eine Symbiose. Die Mykorrhiza erschließen im Boden die Nährstoffe und Mineralien, die Pflanzen zum Wachstum benötigen und selbst nicht aus dem Untergrund gewinnen können. Die hauchfeinen Pilzfäden (Hyphen) dringen noch in die verstecktesten Poren im Erdreich vor und ziehen dort Wasser, mit dem die Mykorrhiza-Pilze ihre Gastpflanzen versorgen. Die Pflanzen geben ihnen dafür Zucker – Kohlehydrate, die die Pilze nicht selbst herstellen können.
Das Ektomykorrhiza, hier an einer Eiche, ist die in den Wäldern Mitteleuropas am häufigsten vorkommende Wurzelsymbiose. Das Mycel (Gesamtheit der sich verzweigenden Hyphen) bildet einen dichten Mantel um die jungen Wurzelenden. Als Reaktion schwellen die Wurzelenden an und entwickeln keine feinen Wurzelhaare mehr. Die Pilzhyphen wachsen auch in die Wurzelrinde hinein, dringen aber nicht in die Wurzelzellen ein. Sie bilden in den Extrazellularräumen ein Netzwerk, das den Nährstoffaustausch zwischen Pilz und Pflanze erleichtert.
Mykorrhiza leben mit rund 80 Prozent der Pflanzen in einer symbiotischen Gemeinschaft. Die unterschiedlichen Pilzarten haben sich auf bestimmte Pflanzenarten spezialisiert. Pilzsucher wissen das und suchen Steinpilze unter Fichten oder Buchen. Waldspazierende nehmen Pilze meist nur wahr, wenn sie mit einem Fruchtkörper – dem Pilz – auf dem Boden stehen. Doch nicht alle Mykorrhiza bilden einen Fruchtkörper. Viele Arten leben als Pilzgeflecht verborgen im Boden oder im verfaulenden Holz. Die Mykorrhiza-Pilze beeinflussen den Wald und andere Ökosysteme jedoch weit mehr als ein Steinpilz hier, ein Fliegenpilz dort, vermuten lassen. Ohne die unterschiedlichen Mykorrhiza-Pilze könnten Bäume, Kräuter, Gräser, Heidepflanzen auf manchen Böden gar nicht wachsen. So leben die ericoiden Mykorrhiza ausschließlich mit Heidepflanzen in unwirtlichen Gegenden wie Tundren oder Truppenübungsplätzen. Sie ziehen für die Heiden sogar hartnäckig gebundene Nährstoffe aus Sand und Gestein. Die ericoiden Mykorrhiza sind im Klimawandel gefährdet, da sich ihr Lebensraum in der Tundra, in Heidegebieten und in Mooren stark verändern wird.
Pilze stärken das Ökosystem Wald im Klimawandel
Die Pilzfadengeflechte der Mykorrhiza vergrößern die Oberfläche, auf die Regen fällt und aus der heraus die Bäume Wasser aufnehmen können. Über mehrere hundert Quadratmeter erstrecken sich die Hyphen-Geflechte um einen Baum, verbinden sich mit den Pilzfäden der Nachbarbäume und leiten über die Fäden Wasser in dem Netz zu den Baumwurzeln. Die Mykorrhiza schaffen auch den richtigen Wasserdruck für die Bäume, die ja selbst nicht aktiv Wasser saugen können. „Mykorrhiza Pilze können die negativen Folgen von schwankenden Regenmengen lindern, da sie den Wasserfluss verbessern und die Wassernutzungseffizienz erhöhen“, schreiben Alison E. Bennett und Aimée T. Classen. Die beiden Ökologinnen haben wissenschaftliche Studien zum Einfluss von Temperatur, Starkregen bzw. Trockenheit und erhöhte CO2 Konzentration auf die drei unterschiedlichen Mykorrhiza-Typen untersucht (Quelle siehe unten).
So haben Mykorrhiza-Pilze im Verhältnis zu den Pflanzen eine größere Toleranz gegenüber steigenden Temperaturen. Da Pilze also bei Hitze und in wärmeren Zeiten weiter arbeiten, können Mykorrhiza auch in der Erderwärmung die Pflanzen weiter unterstützen. Bennett und Classen kommen nach Auswertung aller Studien zu dem Schluss: „Mykorrhiza Pilze können die Toleranz der Pflanzen gegenüber abiotischen Stress im Klimawandel erhöhen, das mindert das Risiko von Pflanzensterben und gibt den Pflanzen, Zeit sich woanders anzusiedeln und sich anzupassen.“
Mykorrhiza-Pilze helfen Pflanzen bei der Ausbreitung im Klimawandel
Mykorrhiza mit Fruchtkörper – also einem oberirdisch wachsenden Pilz – verbreiten Sporen mit Wind, Insekten und Vögeln über weite Strecken. Die Pilzsporen landen auf Böden und bereiten den Grund vor, auf dem sich Pflanzen mit ihnen vergesellschaften können. Die Ausbreitung der Pilze wird eine Voraussetzung für den Erfolg der Pflanzen sein, sich im Klimawandel neue Gegenden zu suchen und erfolgreich zu besiedeln. Auch die im Boden verborgen lebenden Mykorrhiza vermehren sich mit Sporen, wenngleich ihre Ausbreitung länger dauert. „Das Fehlen von Mykorrhiza-Pilzen kann die Verbreitung der Pflanzen einschränken“, schreiben Bennett und Classen. Waldumbau für den Klimawandel reicht also nicht, es müssen auch die Böden ökologisch sorgsam gepflegt werden, damit die Mykorrhiza ungestört leben und die Bäume unterstützen können. Und um die Vielfalt der Pilzarten zu stärken, müssen unterschiedliche Baum-, Kraut- und Straucharten in einem Wald wachsen.
Pilze wirken als Zersetzer toten organischen Materials, ernähren sich von anderen Lebewesen, oder sie leben in einer wechselseitigen Symbiose mit Pflanzen (Mykorrhiza) oder mit Cyanobakterien (dann werden sie Flechten genannt). Aufgrund der effektiven Verbreitung ihrer Sporen sind sie praktisch überall vorhanden, wo ein geeigneter Nährboden verfügbar ist.
Mit Melanin gestärkten Pilzfäden sind unangreifbar
Der Klimawandel beeinflusst jedoch auch die Pilze. Starke, vermehrte Regenfälle verändern die Zusammensetzung von Pilzgemeinschaften. Trockenresistente Arten können verschwinden. Bei lang anhaltender Dürre sterben schließlich auch die Bäume, Gräser, Kräuter. Geht die Pflanzengesellschaft ein, versorgen die Pflanzen die Pilze nicht mehr mit Kohlehydraten. Wenn es weniger regnet, produzieren einige Pilze mehr Melanin. Mit den rotbraun oder braun aussehenden Kohlenstoffverbindungen schützen die Pilze ihre Fäden. Je mehr Melanin im Pilzfaden, desto langwieriger zersetzt er sich. Bennett und Classen haben Hinweise gefunden, dass der höhere Melanin-Anteil die Kohlenstoffspeicherung in Böden mindert.
Mit Melanin gehärteten Myzelsträngen breitet sich auch der Hallimasch aus. Damit macht sich der Pilz unangreifbar, denn Bäume, Bakterien oder andere Pilze können das Melanin nicht knacken. Mit Melanin-ummantelten Fäden dringt der Hallimasch in Bäume ein und schmarotzt in der nährstoffführenden Schicht unter der Borke. Hallimasche gehören von Natur aus zu den größten und ältesten Lebewesen der Erde. Im Schweizer Nationalpark lebt ein Hallimasch auf einer Fläche von 800 mal 500 Metern. Der Pilz ist rund 1000 Jahre alt und bleibt auch im Klimawandel unangreifbar. Er bedroht mittlerweile den Wald des Schweizer Nationalparks.
Unklar ist: Passen sich Pilze und Pflanzen in gleicher Weise an den Klimawandel an?
Die beiden in den USA lehrenden und forschenden Wissenschaftlerinnen Bennett und Classen haben vor allem herausgefunden, dass noch sehr viel Forschung über Pilze im Klimawandel notwendig ist. Pilze spielen eine Schlüsselrolle in den Ökosystemen, denn sie versorgen die Pflanzen nicht nur als Mykorrhiza mit Nährstoffen. Andere Pilzarten sorgen als sogenannte Zersetzer dafür, dass Totholz, Aas und Laub zersetzt wird und die Nährstoffe wieder in den Kreislauf der Natur gelangen. Doch die ökologische Verarmung der Wälder in Deutschland macht auch diesen Pilzen zu schaffen. Kein Totholz, wenige Baumarten zerstören die Vielfalt der zersetzenden Pilze. Seit den 1970er Jahren sind die Fundstellen von Großpilzen um ein Viertel zurückgegangen. Pilzforscher stellen zudem fest, dass in den Naturwaldreservaten wie im Bayerischen Wald die Vielfalt der Pilze höher ist, als in bewirtschafteten Wäldern.
Der Klimawandel verändert das Zusammenwirken von Pflanzen, Pilzen und Bodenlebewesen. Die Pilze unterstützen die Pflanzen, zersetzen sie und sorgen für dynamische Prozesse im Ökosystem Wald. Doch ist vollkommen unklar, ob die Pilze sich in einer Weise an den Klimawandel anpassen, die dann auch zu den Anpassungen der Pflanzen passt. Pilze und Pflanzen könnten sich auch auseinanderentwickeln, was das Pflanzenwachstum ebenso beeinflusst wie die Ökosystemdienstleistungen wie saubere Luft und Trinkwasser aus dem Wald.
Der Klimawandel hat den Wald erreicht. Und die Erderwärmung verändert bereits das Leben der Pilze. So findet der Wärme und Trockenheit liebende Fransige Wulstling nun auch in Norddeutschland ein passendes Klima. Sein Hauptverbreitungsgebiet lag früher am Mittelmeer.
Die Vielfalt an Pilzen ist enorm: Bis heute sind etwa 100.000 Pilzarten bekannt. Nach aktuellen Schätzungen existieren aber zwischen 2 und 5 Millionen Arten. Es gibt sie in unzähligen Formen, Farben und sie kommen in unterschiedlichen Gestalten und Größen in fast jedem terrestischen Lebensraum auf der Erde vor. Die Wissenschaft von den Pilzen ist die Mykologie. Pilzexpertise und Pilzfachleute finden Sie hier.
Quellen und weitere Medien
Alison E. Bennett, Aimée T. Classen: Climate change influences mycorrhizal fungal – plant interactions, but conclusions are limited by geographical study bias, Ecology 101, 2020. https://esajournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ecy.2978 (kostenpflichtiger Volltext)
Pilzarten und ihre pflanzlichen Wirte im Klimawandel (PD Dr. Mika Tarkka, Dr.-Ing. Jakob Hildebrandt (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung)
Mehr zu Pilzen auf unserer Website finden Sie hier und noch hier speziell zu den Mykorrhiza.
Reportage aus der Serie „Lesch Kosmos“ über den Wechsel in der Pilzwelt auf ZDF, 2021.