Waldmeister Buchenwald

Foto: Knut Sturm

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Ein Wald aus Punkten

High-Tech für die Waldinventur: Regelmäßig erfassen Forstleute die Anzahl, Dicke und Höhe von Bäumen, nicht zuletzt um die neu gewachsene Holzmenge abzuschätzen. Bislang werden die Waldgebiete mühsam und zeitaufwändig per Hand inventarisiert. Künftig aber sollen 3D-Laserscanner die Arbeit erleichtern. Die Technik ist bereits in der Architektur etabliert. Für die Waldinventur bringen Forstwissenschaftler ihr jetzt bei, Baumarten zu bestimmen.

Architekten nutzen sie, Ingenieure und sogar Archäologen – sogenannte 3D-Laserscanner. Ähnlich wie ein Laser für Heimwerker misst ein solcher Scanner den Abstand zu einem Gegenstand sehr präzise. Doch anders als das simple Heimwerker-Gerät bringen es die Hightech-Apparate in einer Sekunde auf viele hunderttausend Messungen. Selbst große Objekte wie Brücken oder gar die Fassade von Bürogebäuden kann ein solcher 3D-Laserscanner in wenigen Minuten komplett abtasten.

Der Scanner sendet Laserlicht aus, das zum Beispiel von einer Mauer reflektiert und zum Sensor zurückgeworfen wird. Aus der Zeit, die dazwischen vergeht, kann die Software den Abstand zum Objekt ermitteln. Anschließend werden die Daten am Computer in eine dreidimensionale Grafik gewandelt. Dass sich massive Gebäude oder historische Ausgrabungen leicht mit einem Laser erfassen und abbilden lassen, leuchtet ein. Seit einigen Jahren aber arbeiten Forscher daran, die Laserscan-Methode in einer neuen Domäne heimisch zu machen – in der Forstwirtschaft. Die Laser sollen künftig dabei helfen, Baumbestände zu erfassen, die Zahl, Dicke und Höhe der Bäume. Eine solche Waldinventur ist heutzutage noch gänzlich Handarbeit. Und sie ist zeitaufwändig und mühsam.

Laserscan von Bäumen
Foto: TU Dresden, Professur f. Biodiversität & Naturschutz

Mühsame Waldinventur

Alle paar Jahre findet im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums zum Beispiel die Bundeswaldinventur statt. Mit ihr wird erfasst, welche Baumarten wo wachsen, wie stark die Holzmenge zugenommen hat oder auch wie gesund der Wald an verschiedenen Standorten ist. Darüber hinaus erfassen beispielsweise Privatwaldbesitzer regelmäßig, wie viel Holz auf ihren Flächen wachsen. Diese Erfassungen sind aufwändig, weil man dafür regelmäßig hinein in die Forste muss, um bestimmte Probeflächen mit Standardmethoden zu erfassen. Gemessen wird unter anderem der Durchmesser der Bäume in Brusthöhe sowie die Baumhöhe. Erfahrene Forstleute können einen Bestand damit tatsächlich gut bewerten. „Möchte man den Wald aber präziser vermessen, stoßen traditionelle Verfahren schnell an ihre Grenzen“, sagt Louis Georgi, Forstwissenschaftler am Institut für Allgemeine Ökologie und Umweltschutz der Technischen Universität Dresden. „Laserscanner können tatsächlich sehr präzise Äste und Baumstämme abbilden“, sagt er. „Aus den vielen Millionen Messpunkten, die der Laserscanner beim Abscannen eines Waldstücks erzeugt, entsteht zunächst eine Punktwolke. Ein Mensch kann in dieser Wolke leicht Strukturen erkennen. Mit einer intelligenten Software lassen sich daraus anschließend Bäume mitsamt ihren Äste automatisch extrahieren.“

Verbesserungswürdig: die Artbestimmung

Tatsächlich wird die Vermessung von Baumbeständen bereits in einigen Ländern als Dienstleistung angeboten. Doch Louis Georgi schränkt ein. „Die Verfahren funktionieren gut, wenn man bei der Vermessung nicht zugleich die Baumarten bestimmen muss – also bei Monokulturen wie etwa reinen Fichten- oder Kiefernbeständen.“ Die Höhe oder Dicke der Bäume lasse sich damit gut erfassen. Und tatsächlich gebe die Software am Ende genaue Werte über die Verteilung der Stärkeklassen oder, bei wiederholten Messungen, den Zuwachs an Holz aus. Schwierig werde es in Mischwäldern, in denen viele verschiedene Baumarten wachsen. „Für die Forstwirtschaft ist es wichtig, dass Daten für jede Baumart einzeln bestimmt werden können. Doch soweit ist die Software-Entwicklung im Moment noch nicht. Noch haben die Verfahren Schwierigkeiten damit, verschiedene Baumarten zu unterscheiden.“

Laserscan eines Baums
Foto: TU Dresden, Professur f. Biodiversität & Naturschutz

Von Vorteil für eine Erfassung per Laser ist es, wenn die Bäume frei von Laub sind. Nur dann kann der Laser tief in den Wald vordringen. Je nachdem, wie dicht die Bäume stehen, kann mit einem Laser eine Tiefe von bis zu 100 Metern gescannt werden. Die Software-Programme, die bislang von verschiedenen Forschungsgruppen weltweit entwickelt worden sind, bestimmen die Baumarten anhand der Form der Krone, des Stammes oder dem Wuchs der Äste. Finnischen Forschern von der Universität Tampere zum Beispiel ist es kürzlich gelungen, mit ihrer Software drei typische finnische Baumarten mit hoher Zuverlässigkeit voneinander zu unterscheiden, die Fichte, die Birke und die Kiefer.

Mehr als Fichte und Kiefer

In einem deutschen Mischwald aber seien deutlich mehr Arten zu finden, als diese drei recht charakteristischen und für einen Computer relativ leicht zu unterscheidenden Arten, sagt Louis Georgi. In forstwirtschaftlich genutzten Wäldern gebe es neben der Fichte, Kiefer oder Buche auch Eichen und andere Arten. In anderen Wäldern stehen sogar mehr als zehn Baumarten.

Im Team der Dresdner TU-Professoren Goddert von Oheimb und Hans-Gerd Maas entwickelt Louis Georgi zusammen mit Kollegen deshalb neue Algorithmen, die mehr Baumarten aus Laser-Punktwolken herauslesen und bestimmen können. „Wir gehen davon aus, dass unsere Software in etwa zwei Jahren zehn Arten sicher unterscheiden kann.“ Für ihre Programmierarbeit nutzen sie dabei Laserscan-Daten, die sie im Lübecker Stadtwald gewonnen hat – einem artenreichen Wald, der seit vielen Jahren von der Naturwald-Akademie wissenschaftlich betreut wird. Louis Georgi ist sich sicher: In der Forschung könne der Laserscan künftig eine größere Rolle spielen. „Per Laserscan können wir sehr gut beobachten, wie sich ein Bestand entwickelt, vor allem Mischbestände, in denen mehrere Baumarten nebeneinander wachsen.“ Scanne man regelmäßig, könne man gut erkennen, wie die Kronen der verschiedenen Baumarten ineinander wachsen und wie sie den Kronenraum besetzen. „Eine interessante Frage ist dabei, wo die Bäume besser wachsen, in Mischkulturen oder in Monokulturen.“

Stresstest China

Dieser Frage geht das Team aktuell in einem deutsch-chinesischen Kooperationsprojekt nach, in dem man Mischkulturen und artenarme Standorte miteinander vergleicht. Für das Laserscan-Verfahren und die Algorithmen zur Baumartenbestimmung ist die Arbeit in China eine Art Stresstest. „Denn in China gibt es viel mehr Baumarten als bei uns, die sich teils sehr ähnlich sind“, sagt Louis Georgi. Er ist zuversichtlich, dass die Software die Aufgabe meistern wird. Und mit dieser Erfahrung dürfte die Technik in naher Zukunft auch den deutschen Markt erobern.

Höchstens fünf Jahre bis zum Praxiseinsatz

Louis Georgi geht davon aus, dass in etwa fünf Jahren leistungsfähige Laserscan- und Software-Systeme auf dem Markt sein werden, die Forstleute leicht selbst bedienen können. In etwa zehn Jahren, so schätzt er, dürfte die Laserscan-Technik bei der Waldinventur Standard sein und die klassische Inventur per Hand mancherorts ersetzen oder zumindest ergänzen. „Für Monokulturen ist es sogar denkbar, dass der Scanner künftig direkt Informationen an den Harvester schickt, welche Bäume gefällt werden können.“

Literatur


Quellen und weiterführende Literatur:

Beispiel für einen Einsatz des Laserscans:

Buchen werden ohne Bewirtschaftung größer und stabiler.

  1. Eine Studie aus 2018 zeigt, welche erstaunlichen Erkenntnisse das terrestrische Laserscanning als Methode zur Baumvermessung liefern kann. Lesen Sie dazu die Zusammenfassung der Studie hier.
  2. Eine weitere Studie mit Laserscaner aus England, 2022, zeigt, wie bisherige Verfahren, gerade bei alten Bäumen, die Masse unterschätzt haben und wie viel mehr Kohlendioxid in Bäumen vermutlich gebunden ist. Die Studie finden Sie hier.

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