Foto: Borger/FBG Saar-Hochwald

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Hausgemachter Trockenstress

Im Sommer schockierten uns wieder erschreckende Bilder vom Baumsterben in Deutschland. Riesige Flächen abgestorbener Nadelbäume waren im dritten Jahr in Folge zu beklagen. Tatsächlich ist das Baumsterben aber nicht nur eine Folge des Klimas, sondern zu einem großen Teil auf falsche Entscheidungen in Politik und Forstwirtschaft zurückzuführen.

Der Sommer und das Frühjahr 2018 werden in die Geschichte eingehen. Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen hatte es in Deutschland zwischen April und August noch nie so viele Tage ohne Regen gegeben. 2018 dörrte der Boden regelrecht aus. Und auch die Sommer 2019 und 2020 waren rekordverdächtig trocken. Eine aktuelle Studie (Quelle 1) von Forscherinnen und Forschern aus der Schweiz und aus Deutschland kommt zu dem Schluss, dass die Hitze bei Bäumen teils extremen Trockenstress verursacht hat. Das belegen Satellitenaufnahmen von Waldgebieten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, mit denen der Grünton, die „greenness“, der Bäume ausgewertet wurde. Bei vielen Arten in der gesamten Region kam es demnach zu einer beispiellosen dürrebedingten Baumsterblichkeit. Das Jahr 2019 machte die Situation noch schlimmer. Das Wasserdefizit des Vorjahres verstärkte sich, sodass sich viele Bäume kaum erholen konnten. In der Folge wurden viele geschwächte Bäume von Insekten oder Pilzen befallen. Extrem betroffen waren unter anderem die großen Fichtenforste in tiefer gelegenen Regionen. Hier starben Fichten teils großflächig ab.

Kompaktierte und drainierte Böden

Die extreme Dürre und der Befall mit Borkenkäfern scheinen wie eine biblische Plage über die Wälder hereingebrochen zu sein. Doch so einfach ist es nicht. Zahlreiche Studien zeigen, dass es sehr von der Art des Waldmanagements abhängt, ob ein Wald mit der nächsten Dürre in die Knie geht oder dem Trockenstress etwas entgegenzusetzen hat. Eine zentrale Frage ist dabei oft, ob Naturwälder und naturnah bewirtschaftete Wälder widerstandsfähiger sind als klassisch und technisch intensiv bearbeitete Wirtschaftswälder. Der Forstexperte und ehemalige leitende Forstdirektor in Lübeck Lutz Fähser sieht hier durchaus hausgemachte Probleme. „Sehr viele Wirtschaftswälder werden mit schweren Maschinen befahren, mit Harvestern, die die Bäume ernten, und mit Großschleppern, die sie transportieren. Das führt dazu, dass der weiche, von feinen Kapillaren durchzogene Boden verdichtet wird – er verliert das Vermögen, Wasser und Luft zu speichern.“ Hinzu kämen Altlasten wie die seit Jahrzehnten durchgeführte Drainage vieler Waldstandorte. Erst dadurch wurde es möglich, die Wälder mit bis zu 40 oder gar 60 Tonnen schweren Maschinen zu befahren. „In vielen stark bewirtschafteten Gebieten fördert das den Wassermangel in Dürrezeiten.“ Ein Kardinalfehler ist in den Augen von Lutz Fähser auch, die während der Dürre abgestorbenen Waldflächen so schnell wie möglich mit Fahrzeugen zu räumen und mithilfe von Maschinen wieder zu bepflanzen. Weil der Boden dadurch weiter kompaktiert wird. „Man hat aufgeräumt, neu gepflanzt, aber der Boden ist hin. Operation geglückt, Patient tot“, sagt Fähser.

Das große Fichtensterben

In den Jahren 2018 bis 2020 sind insbesondere Fichtenmonokulturen in flacheren Regionen abgestorben; nicht zuletzt, weil die Fichte in Deutschland eigentlich ein Baum der kühlen und feuchten Regionen ist. Gerade im Hinblick auf den Klimawandel werde es daher immer wichtiger, dass sich wieder die natürlichen Waldgesellschaften entwickeln können, die an die verschiedenen Standorte angepasst sind, sagt Lutz Fähser – etwa Buchenmischwälder, die auf rund zwei Drittel des deutschen Bundesgebietes heimisch wären. Je nach Region sind die Buchen mit jeweils anderen Baumarten vergesellschaftet. Zwar ist auch die Buche von der Dürre betroffen gewesen, aber nicht in dem Maße wie etwa die Fichte. Selbst im Nationalpark Hainich sind Laubbäume abgestorben. „Doch nur vereinzelt und nicht massenhaft“, sagt Fähser.“

Seit geraumer Zeit diskutieren Forst- und Waldexpertinnen und -experten, ob man Buchenbestände durch Forstmaßnahmen ebenfalls vor der Dürre schützen sollte. Eine Option ist die sogenannte Auflichtung – die Baumkronen werden durch starke Durchforstung frei (fachlich: licht) gestellt. Die Idee: Vor allem jüngere Bäume erhalten so mehr Sonnenlicht, entwickeln ein kräftigeres Blätterdach und können so mehr Energie sammeln. Zudem könne dank der lichten Kronen mehr Regen bis zum Waldboden vordringen, was besonders in Dürrejahren wichtig sei. Doch diese Theorie ist umstritten. Chemische Analysen des Wassers (Quelle 2), sogenannte Isotopen-Messungen, legen nahe, dass für die Wasserversorgung der Bäume vor allem die Niederschläge im Winter von Bedeutung sind, die die tiefen Wasservorräte in den Wäldern auffüllen. Im Winter tragen Laubbäume keine Blätter. Der Regen kann ungehindert zum Boden gelangen. Die Niederschläge im Sommer tragen, so das Forscherteam aus den USA und der Schweiz (Quelle2), deutlich weniger zur Versorgung während der Sommermonate bei.

Streit um die Auflichtung

Die Auflichtung von Wäldern könnte aber auch dazu führen, dass in Trockenjahren verstärkt Wasser verdunstet, weil die Sonnenstrahlung bis zum Waldboden reicht. Insofern kann eine Auflichtung im Hinblick auf Dürren eher kontraproduktiv sein. Dr. Peter Meyer von der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt untersucht daher in einer wissenschaftlichen Studie genauer, inwieweit die Auflichtung von Buchenwäldern die Sterblichkeit, die Mortalität, von Buchen erhöht. Die Studie wird Ende 2020 abgeschlossen. Erste Ergebnisse legen nahe, dass es keine einfache Antwort gibt. In jungen Buchenwäldern scheint die Auflichtung tatsächlich zu einer höheren Stresstoleranz zu führen. „Andererseits sieht man landauf, landab, dass vor allem in aufgelichteten älteren Buchenwäldern Bäume stark geschädigt sind und absterben“, sagt Meyer. „Diese Auflichtung scheint während der Dürre zu erhöhtem Trockenstress in den eigentlich dichten und feuchten Wäldern zu führen.“

Forstexperten wünschen sich, besser einschätzen zu können, wie stark Bäume durch eine Dürre in Mitleidenschaft gezogen werden. Als Maß dafür gilt bislang meist der jährliche Stammzuwachs. Für Peter Meyer ist das ein eher unscharfer Parameter. „Völlig unberücksichtigt bleibt dabei ein sehr wichtiger Teil des Baumes: das Wurzelsystem“, sagt er. „Es gibt Hinweise darauf, dass ein Baum versucht, sich an die Trockenheit anzupassen, indem er nicht das Stammwachstum, sondern das Wachstum des Wurzelwerkes forciert, um mehr Wasser aufnehmen zu können.“ Der wesentliche Parameter für die Einschätzung von Dürreschäden bleibt für Peter Meyer daher die Messung der Mortalität – die Antwort auf die Frage, wie viele Bäume in einem Gebiet tatsächlich sterben. „Erstaunlicherweise gibt es dazu kaum detaillierte Untersuchungen. Mit unserer aktuellen Studie wollen wir die Datenlage deutlich verbessern.“

Totgesagte leben länger

Lutz Fähser blickt weiter in die Zukunft und ist sich sicher, dass sich ein Wald von allein erholen kann. „Ganz offensichtlich sterben jene Baumindividuen ab, die an die neue Situation nicht angepasst sind. Das bedeutet aber nicht, dass die Baumart an sich nicht überleben kann“, erklärt Fähser. „Bäume der nächsten Generation, die unter trockeneren Bedingungen keimen, können schon besser an die Dürre angepasst sein. Wir sollten darauf vertrauen, dass das Erbgut und die epigenetische Anpassung der Bäume die nötige Flexibilität besitzen.“ Das bedeute auch, einen abgestorbenen Wald zunächst weitgehend ruhen zu lassen. Die Erholung mitsamt der Anpassung an den Klimawandel komme in vielen Fällen sehr wahrscheinlich von allein.

Insofern sieht Lutz Fähser auch den Anbau „hitzeresistenter“ Baumarten aus trockenen Gebieten wie etwa der Mittelmeer-Region kritisch. „In Mitteleuropa haben sich im Laufe der Jahrtausende Waldgesellschaften mit einer bestimmten Mischung an Baumarten entwickelt“, sagt er. „Diese bilden ein komplexes Ökosystem, das insbesondere über das Wurzelwerk mit seiner einzigartigen Zusammensetzung an Mikroorganismen, Pilzen und Einzellern hoch entwickelt ist. Pflanzen wir dort ortsfremde Arten an, dann addieren wir einzelne Bäume, die nicht auf dieses System abgestimmt sind, sodass das Gesamtsystem dadurch labiler wird.“ Was würde zum Beispiel passieren, wenn in Zukunft mehrfach sehr kalte Winter in Folge aufträten? „Halten das die hitzetoleranten Bäume aus, oder handeln wir uns die nächsten Schäden ein?“, fragt Fähser. Für ihn laufe die technische Klimaanpassung der Wälder, wie sie ein Großteil der Forstwirtschaft anstrebe, in die falsche Richtung. „Man will versuchen, den Wald zu retten, setzt aber wiederum auf einzelne Baumarten und einen Waldumbau, der vorrangig viel Ertrag bringen soll. Am Ende wird alles noch schlimmer.“

Tatsächlich ist der Import ortsfremder Arten möglicherweise gar nicht nötig. Das legen Studien der Universität Göttingen und des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena (Quelle 3) nahe. Die Arbeiten zeigen, dass Buchen in Buchenwäldern bei Dürre stresstoleranter sind, wenn sie nicht in Monokulturen, sondern zusammen mit anderen Baumarten gepflanzt werden – etwa mit Ahorn, Eschen und Linden. „Die systematische Bildung gemischter Bestände ist in der Regel eine geeignete waldbauliche Maßnahme, um die Auswirkungen der globalen Erwärmung und Dürre auf die Wachstumsmuster von Fagus sylvatica (der Rotbuche, red.) zu mildern“, schreiben die Autoren im Fachmagazin Global Change Biology (Quelle 3). Eine Erkenntnis die Hoffnung macht, sollten die Dürren in den kommenden Jahren tatsächlich zunehmen. Besonders, wenn der Wettkampf zwischen Stadt, Land und Wald um die Ressource Wasser noch zunehmen sollte.

Literatur


Quellen und weiterführende Literatur:

  1. Bernhard Schuldt et al., 2020: A first assessment of the impact of the extreme 2018 summer drought on Central European forests, Basic and Applied Ecology, 45, 86 – 103
  2. Scott T. Allen et al., 2019. Seasonal origins of soil water used by trees. Hydrology and Earth System Sciences, 23, 1199 – 1210.
  3. Jerome Metz et al., 2016. Site-adapted admixed tree species reduce drought susceptibility of mature European beech. Global Change Biology, 22, 903 – 922.
  4. Lothar Zimmermann et al., 2008. Wasserverbrauch von Wäldern. Bäume und Bestände verdunsten unterschiedlich stark. LFW aktuell, 66.

Weiterführendes

Bericht über ein mehrjähriges Experiment der TU München, was Fichten machen, nachdem sie jahrelang deutlich zu wenig Regen hatten.


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