Bach im Bayerischen Wald

Foto: Wildnis-in-Deutschland.de/Daniel Rosengren/ ZGF

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Von Bäumen und Bachforellen – Bäche beeinflussen Wälder

Zum Ökosystem Wald gehören nicht nur Bäume, Pilze und Tiere. Auch Bäche als Lebensraum einer Vielzahl von Tieren sind entscheidend für die ökologische Qualität des Waldes. Die EU hat dies erkannt und neue Richtlinien für Gewässer beschlossen. Das Gesetz schreibt vor, dass alle großen Fließgewässer bis zum Jahr 2027 in „gutem ökologischen Zustand“ sein müssen.

In den Tiefen der Wälder rinnen die Bäche mal flach über moosigen Grund, mal springen sie über kalkiges Geröll. Manche wirken unscheinbar, andere vereinen sich aus zehn, 15, 40 Quellen schon im Ursprungsgebiet zu einem kleinen Fluss. Und dann gibt es die, die aus dem Gestein sprudeln und mit Kies und Gestein ins Tal stürzen. Doch ob die Bäche im Hochgebirge entspringen, in den Hügeln davor, im Mittelgebirge oder im Flachland aus dem Boden blubbern – die Bäche ermöglichen charakteristische Wälder und Pflanzengesellschaften. Das Wasser hat in ungezählten Jahrtausenden die Schluchten, Täler und Uferflächen geschaffen, die Bäume und Kräuter besiedeln und zu einem einzigartigen Lebensraum für Insekten, Spinnen, Frösche, Fledermäuse, Vögel machen. „Die Bedeutung der Uferzonen geht weit über ihre geringe Größe hinaus, da sie an der Grenze zwischen den Ökosystemen im Wasser und an Land liegen“, schreibt Gewässerökologe Francis J. Burdon von der Universität Uppsala. „Uferzonen sind wichtige Lebensräume, um die biologische Vielfalt zu erhalten und Ökosystemdienstleistungen zu erbringen wie Wasserreinigung oder Kohlenstoffspeicherungen.“

Foto: Naturwald Akademie

Kennzeichnend für einen Bach sind die Strömungsgeschwindigkeit des Wassers, die Temperaturverhältnisse, der Sauerstoffgehalt, die Lichtverhältnisse und die im Bach auftretenden Arten. Die Strömungsgeschwindigkeit wird durch im Bach befindliche Steine, Totholz und kleinere Inseln, Verengungen, Vertiefungen oder flachere Bereiche beeinflusst. Mehr über die Ökologie des Baches finden Sie hier.

Die unterschiedlichen Tier- und Pflanzenarten an Land beeinflussen das Leben im Bach und umgekehrt. Vom Ufer fallen Blätter, Zweige, Samenkapseln in den Bach und bilden den pflanzlichen Untergrund, auf dem Köcherfliegen, Libellen und andere Insekten ihre Eier ablegen. Käfer, Raupen, Spinnen und anderes Getier fallen von den Bäumen an der Uferzone ins Gewässer und sind ein gefundenes Fressen für Mühlkoppen und Bachforellen. „Es gibt eine direkte Verbindung zwischen Bäumen und Bachforellen“, schreibt der ungarische Ökologe Tibor Erös vom Balaton-Wasserforschungsinstitut in Tihany/Ungarn. Je mehr Insekten in den Bach und Fluss fallen, desto größer und schneller wachsen die Forellen „Förster sollten sich bewusst sein, dass ihre Handlungen nicht nur den Wald selbst beeinflussen, sondern auch die Struktur und die Funktionen der Bäche und Flüsse, die durch diese Wälder fließen.“

Lachse beeinflussen die Artenvielfalt der Singvögel am Ufer

Bachforellen sind die kleinen Verwandten der Lachse, wenngleich sie anders leben. Bachforellen sind territorial. Lachse wandern im Laufe ihres Lebens von den Oberläufen kalter, klarer Bäche mit dem Strom ins Meer und wieder zurück, um auf den Kiesbänken ihrer Geburt selbst Eier abzulegen. Sie verbinden also gleich mehrere Ökosysteme. Dabei beeinflussen die Lachse in den Bächen und Flüssen auf Vancouver Island sogar das Leben von Singvögeln, haben die US-Forscherinnen Marlene A. Wagner und John D. Reynolds an der Westküste Kanadas herausgefunden.

Die pazifischen Lachse bringen Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoffe aus dem Meer in die nährstoffarmen Bäche. Wölfe und Bären schleppen die Lachse an Land, wo sie den Waldboden düngen und Bäume zum Wachsen bringen. Insekten legen Eier in die Lachskadaver hinein, womit die Lachse die Vielfalt und Menge der Insekten fördern. Und die wiederum beeinflusst die Vielfalt und den Artenreichtum der Singvögel, haben Wagner und Reynolds in zwei Jahren gemessen. „Mit einer größeren Biomasse an Lachsen haben wir eine höhere Menge an allen Vögeln festgestellt, sowohl bei den Generalisten, den Insektenfressern und Pflanzenfressern. Das gilt sowohl für die Anzahl der Arten als auch ihre Menge.“

Die Zivilisierung der Bäche stört den Wasserhaushalt im Wald

Der ökologische Flossenabdruck der Lachse und anderer wandernden Fischarten in den Wäldern kann in Deutschland nicht mehr gemessen werden. „Der menschliche Druck aus Aktivitäten wie Abholzung, Landwirtschaft und Verstädterung degradiert die Bach-Ufer-Netzwerke“, schreibt Gewässerökologe Burdon. In Deutschland wurden zudem die meisten feucht- kühlen Wälder in den vergangenen 150 Jahren trockengelegt. Waldbesitzer wollten schnell wachsende Fichten und Kiefern anpflanzen. Aus rund 70 Prozent des Wald wurde Forst. Die Waldbäche wurden in Kanäle und Rohre gezwängt, auch um ein Netz von geraden Forststraßen für schweres Gerät zu bauen. Wehre, Brückentunnel unter Forstwegen, Abstürze, Beton zwängen viele Gewässer im Wald bereits kurz nach dem Ursprung in ein Korsett.

Feuersalamander
Foto: shutterstock.com /Pavel Hajer

Der Wald ist nicht nur für die Bäume ein Wasserspeicher. Besonders profitieren Pflanzen und Pilze von der Feuchtigkeit am Boden und in der Luft. Sie schützt auch im Sommer vor einer Überhitzung der Pflanzen. Aber auch die Waldtiere sind auf das Wasser angewiesen. Spezialisten wir der Feuersalamander leben eigentlich nur an Bächen im Wald sowie eine Vielzahl von Vögeln und Insekten.

Die „Zivilisierung“ der Bäche stört den Wasserhaushalt im Wald, die kanalisierten Bäche entwässern auch den Wald. In den Zeiten der Dürre 2018 bis 2020 war das einer der Gründe, weshalb die Wälder in Deutschland vertrocknet sind. Doch bleiben wir im Bach. Die Betonröhren und Wellblechtunnel verhindern, dass Bachflohkrebse, Wasserschnecken, Muscheln, Insektenlarven und andere kleine Lebewesen den Bach hinauf- und hinabwandern können. Bachforellen, Mühlkoppen und andere Fische kommen nur schwer oder gar nicht im Fluss voran.

Kleine Wasserkraftwerke zerschneiden Bäche und graben dem Wald das Wasser ab

„Jedes Wasserkraftwerk zerteilt einen Lebensraum in nicht verbundene Einzelteile“, schreibt der WWF in einem Hintergrundbericht zum Zustand der Fließgewässer in Bayern.
Rund 7000 stromerzeugende Anlagen der „Kleinen Wasserkraft“ verbauen in Deutschland Flüsse und Waldbäche, die manchmal nicht mehr als einen Kubikmeter Wasser pro Sekunde führen. So wenig, dass man durch den Bach waten, an einigen Stellen sogar hinüber springen kann. Die kleinen Wasserkraft-Anlagen zerstören an tausenden Gewässern die natürlichen Lebensräume von Fischen, Bachmuscheln und anderen Tieren.

Die meisten dieser kleinen Wasserkraftwerke stehen in Bayern, was auch mit dem starken natürlichen Gefälle der Bäche und Flüsse zu tun hat. Die Anlagen sind schlecht für das Leben in und an den Bächen, und sie bringen kaum Strom. WWF-Expertin Sigrun Lange hat ausgerechnet, dass die kleinen Wasserkraftwerke in Bayern „im Mittel 100.000 KWh“ erzeugen. „Etwa zehn Einfamilienhäuser mit Solaranlagen genügen zur Stromproduktion, die ein durchschnittliches Kleinstwasserkraftwerk in einem Jahr erbringt“, schreibt der WWF in seiner Analyse.

Bis 2027 müssen Bäche laut EU in „gutem ökologischen Zustand“ sein

Die EU Wasserrahmenrichtlinie schützt Bäche, Flüsse und Seen. Das Gesetz schreibt vor, dass die Gewässer bis zum Jahr 2027 in „gutem ökologischen Zustand“ sein müssen. Zuständig für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie sind die Bundesländer, denn die Bundesregierung hat den Naturschutz an die Länder delegiert. Sie müssen dafür sorgen, dass Fische durch Bäche und Flüsse zu ihren Laichplätzen wandern und wieder zurück schwimmen können. Auch die Tier- und Pflanzenwelt im sogenannten Makro- und das Mikrozoobenthos muss lebendig sein und den „guten ökologischen Zustand“ des Gewässers bezeugen. Und die Chemie muss stimmen: Gewässer müssen einen „guten chemischen Zustand“ erreichen. Ziel der Wasserrahmenrichtlinie ist, dass die Ökosyteme im Wasser und außerhalb aufleben.

Wichtig für Waldbesitzende

Innerhalb der Bundesländer setzen die Wasserwirtschaftsämter die Wasserrahmenrichtlinie um. Sie prüfen die Durchgängigkeit der Bäche und Flüsse, messen die Wassermenge und checken die Wasserqualität. Unter das Gesetz fallen nur Flüsse und Bäche mit einem Einzugsgebiet von zehn Quadratkilometern (also 1.000 Hektar). Für Waldbesitzende gilt die Wasserrahmenrichtlinie also dann, wenn die Bäche durch ihren Wald großen Zulauf haben. Aus einem Umfeld von 1.000 Hektar fließt dann der Regen in den Bach. Ob im eigenen Wald eine Wassergrenze verläuft und der eigene Bach das Wasser der Umgebung in großen Mengen aufnimmt, weiß ebenfalls das zuständige Wasserwirtschaftsamt.

Der Schutz der Gewässer im Wald ist notwendig – nicht nur für das Ökosystem Wald. Jeder Besuch in einem Wald mit nur dem kleinsten Rinnsal ist auch für die Menschen ein Gewinn: „Loslassen – Setz dich an einen Bach und sei einfach da. Das Lied des Wassers wird deine Sorgen aufnehmen und sie hinab zum Meer tragen.“ (Marcel Proust)

Verwendete Quellen

Tibor Erős et.al., Forest-Stream Linkages: Effects of Terrestrial Invertebrate Input and Light on Diet and Growth of Brown Trout (Salmo trutta) in a Boreal Forest Stream

Marlene A. Wagner, John D. Reynolds, Salmon increase forest bird abundance and diversity

Wootton JT (2012) River Food Web Response to Large-Scale Riparian Zone Manipulations.

WWF Büro Wildflüsse Alpen, Lasst den Flüssen ihren Lauf, Hintergrundbericht zum Zustand der Fließgewässer in Bayern

Welche Folgen hat es für das Ökosystem Bach oder Fluss, wenn es im Sommer kaum noch Wasser im Bachbett gibt?


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