Wasserschutzgebiet im Wald

Foto: Naturwald Akademie

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Unser Trinkwasserspeicher: der Wald

Wälder sind für die Bereitstellung von Trinkwasser besonders wichtig. Naturwälder und Nadelholzplantagen tragen dabei gleichermaßen zur Reinheit des Wassers bei. Wenn es aber um die Speicherung von Niederschlägen geht, sind Laubwälder die Favoriten.

„Unterm Schirme tief im Tann hab ich heut gelegen. Durch die schweren Zweige rann reicher Sommerregen.“ So reimte Christian Morgenstern in seinem Gedicht „Das Häslein“. Die Kühle, der Duft des feuchten, schweren Bodens und das Tropfen mögen ihn inspiriert haben. Denn der „Tann“, der Nadelforst, bietet mit seinen immergrünen Zweigen tatsächlich ein passables schützendes Dach. Wie stark ein solcher „Tann“ den Regen abhält, haben Forscher inzwischen genau beziffert: Fichten, Kiefern oder Tannen halten etwa ein Drittel des Niederschlags in ihren Zweigen und ihrer Borke zurück. Dieses Wasser erreicht den Waldboden nie, sondern verdunstet gleich wieder. Viele Laubbäume wie etwa die Buche hingegen, lassen deutlich mehr Wasser durch. Christian Morgenstern hatte sich damals also, was den Schutz vor dem Regen angeht, den richtigen Wald als Unterschlupf ausgesucht.

Wasser im Laubwald
Foto: iStock

Niederschläge, die den Waldboden erreichen werden auf verschiedene Weise gereinigt. Das Wasser reagiert mit dem Humus und Mineralien im Erdreich. So werden Schmutzpartikel abgespalten und unschädlich gemacht. Ist der Boden zudem locker wird das Wasser mechanisch, wie in einem Schwamm gefiltert. Schließlich nehmen Pilze, Bodenorganismen und Wurzeln Nährstoffe aus dem Wasser auf und entziehen so dem Boden die Nitrate. Das Ergebnis am Ende: Kostbares Trinkwasser

Reinheit ist wichtig

Aus der Sicht der Wasserwirtschaft aber sind Nadelforste nicht die erste Wahl. Denn sie sammeln und speichern deutlich weniger Wasser als Laubbäume und tragen damit weniger zur Neubildung von Grundwasser bei – das letztlich auch als Trinkwasser genutzt wird. „Trotzdem haben letztlich alle Wälder für die Wasserversorgung eine große Bedeutung“, sagt Jürgen Müller, Leiter des Arbeitsbereichs Waldökologie und Biodiversität am Thünen-Institut für Waldökosysteme in Eberswalde. „Weil sie zur Reinheit des Trinkwassers beitragen.“ Waldflächen würden in der Regel nicht gedüngt oder mit Pestiziden bearbeitet.

So liegen unter mehr als der Hälfte aller deutschen Wälder bedeutende Trinkwasserreservoire. Und in 30 Prozent aller Wälder gibt es Wasserschutzgebiete. Damit sind zum Beispiel die Nitratwerte des Wassers relativ niedrig. Hierzulande liegt der Grenzwert für Nitrat im Trinkwasser bei 50 Milligramm pro Liter. Wasser aus Wäldern enthält meist nur zwischen 5 und 20, jenes in landwirtschaftlich genutzten Regionen hingegen mitunter bis zu 100 Milligramm. Wasserwerke nutzen das Wasser aus Wäldern deshalb nicht zuletzt, um stärker belastetes Wasser zu verdünnen und die Grenzwerte einhalten zu können. Was die Reinheit und Qualität des Wassers betreffe, gebe es keine wesentlichen Unterschiede zwischen Laub-, Misch- oder Nadelwäldern, so Jürgen Müller.

Der Boden ist entscheidend

Je nachdem, wie der Boden unter einem Wald beschaffen ist, kann er unterschiedliche Mengen von Wasser speichern. Vor allem die Böden an Laubwaldstandorten sind Wasserspeicher. Sie bestehen aus Humus, lockerem organischen Material, das luftig ist und viele Gänge und Poren hat. Es saugt das Wasser geradezu auf. Damit sind Wälder nicht nur Reservoire. Sie wirken auch Hochwässern entgegen, indem sie den Starkregen aufnehmen und speichern, ehe dieser ins Tal rauscht und Flüsse anschwellen lässt.

Dunst im Wald
Foto: Dreamstime.com

Der Wald ist nicht nur für die Bäume ein Wasserspeicher. Besonders profitieren Pflanzen und Pilze von der Feuchtigkeit am Boden und in der Luft. Sie schützt auch im Sommer vor einer Überhitzung der Pflanzen. Aber auch die Waldtiere sind auf das Wasser angewiesen. Spezialisten wir der Feuersalamander leben eigentlich nur an Bächen im Wald sowie eine Vielzahl von Vögeln und Insekten.

Spätestens seit dem Sommer 2018 stehen die Themen Trockenheit und Wasserversorgung im Fokus. Und so stellt sich auch die Frage, wie wichtig Wälder für die Wasserversorgung sind und inwieweit sie zum sogenannten Landschaftswasserhaushalt beitragen. Und da gebe es, sagt Jürgen Müller, eben durchaus Unterschiede zwischen Nadel- und Laubwäldern. Während die Nadelbäume viel Regen** abfangen und verdunsten, stellt die Buche geradezu ein Leitsystem dar, welches das Regenwasser direkt zum Boden führt: Ältere und größere Äste der Buchen bilden Vertiefungen aus, in denen das Wasser wie in einer Regenrinne zum Stamm hinfließt. Da der Stamm glatt ist, rinnt das Wasser ganz ohne Widerstand hinab. Dieser Stammabfluss trage wesentlich zur Erhöhung der Bodenfeuchte bei, sagt Jürgen Müller.

Bäume als Helfer

Dass der Klimawandel künftig häufiger zu Dürreperioden wie im Sommer 2018 führen könnte, kann Jürgen Müller nicht schrecken. „Die Forstwirtschaft ist natürlich vom Wetter abhängig, ausgeliefert ist sie ihm aber nicht. Denn durch geschicktes Management kann man die Bodenfeuchte und damit auch den Grundwasserspiegel durchaus erhöhen.“ Er spricht aus Erfahrung. Seit Mitte der 1990er Jahre kooperiert er mit den Wasserwerken in Hannover, mit der niedersächsischen Landwirtschaftskammer und Waldbesitzern. Gemeinsam habe sie in der Nordheide, einer sandigen und trockenen Region, Projekte durchgeführt. Viele Waldbauern sind dort zugleich auch Landwirte, die in niederschlagsarmen Sommern ihre Äcker in der Regel bewässern müssen. Mitte der 1990er Jahre standen die Landwirte vor dem Problem, dass der Grundwasserspiegel sank – und der Verbrauch von Trinkwasser für die Bewässerung reglementiert wurde. „Wir haben damals vorgeschlagen, im Zuge des Waldumbaus an vielen Stellen Inseln* aus Laubbäumen in die Kiefernforste zu pflanzen, um so die Speicherfähigkeit der Böden zu erhöhen“, sagt Jürgen Müller. Natürlich sei das eine langfristige Maßnahme, die Zeit brauche. Denn um die Speicherfähigkeit der Böden nennenswert zu erhöhen, müssten die Bäume zunächst einmal heranwachsen. Buchen etwa werden erst ab rund 30 Jahren zum perfekten Wasserableiter.
Doch die Projekte in Niedersachsen hatten Erfolg. Müller: „Vor einiger Zeit haben mir die Kollegen von den Wasserwerken mitgeteilt, dass die Grundwasserspiegel wieder steigen.“ Für die Bauern soll sich das auszahlen. Jene, die sich am Waldumbau beteiligen, sollen sommers in den Genuss größerer Wasserkontingente kommen.

Märchenwald
Foto: iStock.com/den-belitsky

Regen, der nicht im Boden gespeichert wird verdunstet oftmals gut sichtbar wieder. Geht ein Regenschauer über einem Waldgebiet nieder, benetzen die Tropfen zunächst die Blätter, Zweige und Äste der Baumkronen. Je dichter das Blätterdach, desto mehr Niederschlag kann es aufnehmen. Ist der Schauer nur kurz, verdunstet dieses Wasser anschließend wieder, ohne dass es jemals den Waldboden berührt hat.

„Damit bekommt das Wasser einen Wert“, sagt Müller. „Natürlich leben Waldbauern in erster Linie vom Verkauf des Holzes. Doch sollte man nicht vergessen, dass das zweite materielle Gut des Waldes das Trinkwasser ist.“ Und wie das Beispiel aus der Nordheide zeige, könne es dank eines klugen Managements sogar einen monetären Wert bekommen. „Ich denke, dass man die Forstwirtschaft in diesem Sinne sensibilisieren sollte. Allerdings muss man auch deutlich machen, dass diese Art des Wassermanagements eben über lange Zeit angelegt sein muss. Hier muss man sicher noch ein Verständnis für die Langfristigkeit entsprechender Projekte entwickeln.“

Vielfalt ist entscheidend

Jürgen Müller ist keineswegs ein Theoretiker. Er sagt, dass er als Hydrologe Forstkollegen nicht nur fachlich, sondern auch hemdsärmelig am Stammtisch überzeugen kann. „Ich werde häufig von Forstwirten nach meiner Meinung und um Rat gefragt. Eigentlich ist das das Schönste, was einem Forscher widerfahren kann, dass er in der Praxis gebraucht wird.“

Jürgen Müller will Nadelforste, die von einer oder nur wenigen Arten dominiert werden, nicht verteufeln, weiß er doch, dass viele Waldbesitzer und auch die Holzindustrie diese noch zum Überleben brauchen. Doch mahnt Jürgen Müller, Waldböden mit schweren Erntemaschinen nicht zu verdichten, weil dadurch das Speichervermögen der Wälder deutlich verringert wird. Und als Hydrologe weiß er auch, dass die Vielfalt der Schlüssel für den Wald von morgen ist. „Wenn die Zahl der niederschlagsarmen Sommer mit dem Klimawandel zunehmen sollte, dann ist die Durchmischung von Nadelholzforsten mit Laubbäumen auf jeden Fall sinnvoll.“ Plantagen aus Fichten hätten der Trockenheit wenig entgegenzusetzen. Zwar stürben die Bäume nicht gleich, aber sie werden leicht zum Opfer von Borkenkäfern und anderen Insekten. „Viele einheimische Baumarten wie etwa die Winterlinde, die z.B. in Form kleiner Inseln in solche Plantagen eingebracht werden, wirken der Trockenheit sehr gut entgegen.“

Jürgen Müller ist davon überzeugt, dass solche Wälder dem Klimawandel trotzen werden. „Die Zahl der trockenen Sommer soll zunehmen. Dafür erwartet man mehr Niederschläge im Winter“, sagt er. Sofern es Bäume gebe, die wie die Buche, zur Speicherung der Niederschläge auch im Winter beitragen, sehe er die Zukunft des Trinkwassers unter Wäldern durchaus optimistisch.

*Anmerkung (März 2022): Ideal aus Sicht der Ökologie und der Wasserwirtschaft wäre es natürlich den ganzen Wald langsam in einen stabilen, naturnahen Wald umzuwandeln. Denn dieser würde noch mehr Wasser speichern und filtern.

**Anmerkung (März 2022): Hier weist uns ein fachkundiger Leser und ehemaliger Förster darauf hin, dass neue Erkenntnisse zeigen,  dass nicht nur Kiefer, Tanne und Fichte in größeren Beständen dazu führen, dass wenig Wasser im Boden ankommt (sog. Interzeption). Gerade die Douglasie hat die höchste Interzeptionsrate aller (Wirtschafts-)Baumarten, die nach Stand der Wissenschaft fast keine Versickerung unter sich zulässt. Aber genau diese Nadelholzart ist es, die derzeit weit überwiegend in Deutschland gepflanzt wird.


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