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Wald ohne Wasser!?

Die Entwässerung von Wäldern und die übermäßige Nutzung des Grundwassers verstärken die Dürre der vergangenen Jahre. Denn ist der Pegel zu niedrig, reichen die Wurzeln der Bäume nicht mehr an das Grundwasser heran wie in der Schorfheide in Brandenburg oder im Hessischen Ried. Größter Wasser-Konkurrent der Wälder sind die Industrie – und unser Lebensstil.

Mindestens 300.000 Hektar Wald sind in den deutschen Forsten in drei Dürrejahren seit 2018 vertrocknet, denn es regnete und schneite Jahr für Jahr zu wenig. Allein im Frühjahr 2020 fiel nur die Hälfte des üblichen Niederschlags, hat der Deutsche Wetterdienst gemessen. Da auch 2018 und 2019 zu wenig Regen und Schnee fielen, war der Boden vielerorts noch ein Jahr nach der Dürre in 60 Zentimeter Tiefe so trocken, wie im Hochsommer des Vorjahres. Kein Regentropfen war bis dahin durchgesickert. Trockenheit und extreme Hitze haben die vom Menschen verursachten Gründe für den Wassermangel im Wald verstärkt.

Wasserschutzgebiet im Wald
Foto: Naturwald Akademie

Gesetzeslage: Wasser ist in Deutschland ein höheres Gut und gehört somit allen. Gesetzliche Grundlage für die Regelung der Wasserverteilung ist das Wasserhaushaltsgesetz und die Wasserrahmenrichtlinie. Innerhalb der Bundesländer, Landkreise und Kommunen sind die Oberen und Unteren Wasserbehörden sowie Wasserwirtschaftsämter zuständig. Sie kontrollieren u.a.  das richtige Maß aus Wasserverbrauch und Grundwasserneubildung.

Deutlich werden die von Menschen verursachten Fehler bei der Entwässerung der Waldböden. Im 19. und 20. Jahrhundert haben Förster in Deutschland systematisch Wälder mit Kanälen durchzogen, Drainagerohre vergraben und Wälder entwässert. Heute scheint es gesichert zu sein, dass Kanäle und Drainagerohre im Wald verheerende Folgen haben. „Laut einer Untersuchung von Reimann (2006) in der Schorfeide in Brandenburg führten 470 Gräben mit einer Gesamtlänge von 265 km zu einem Abfluss von insgesamt 22- 25 Mio. m³ Wasser pro Jahr aus der Landschaft“, schreibt das Ökoinstitut in einer Studie für den NABU zum Wasserhaushalt im Wald. Von 1980 bis 2000 sank in der Schorfheide der Grundwasserspiegel bis zu 2,30 Meter ab, fasst das Ökoinstitut eine weitere Studie zusammen (Goral und Müller 2010).

Wasser ist ein hohes Gut, Nutz und Schutz streng geregelt

Sinkt der Grundwasserpegel, kommen die Wurzeln der verschiedenen Baumarten je nach Höhe des Wasserstands seltener oder gar nicht mehr an das Wasser heran. In Trockenzeiten finden flachwurzelnde Bäume wie die Fichte dann im Humus der oberen Bodenschichten kein Wasser. Ebenso reichen die Wurzeln der tiefer wurzelnden Bäume wie Stieleichen nicht mehr an das Grundwasser heran.

Wasser im Laubwald
Foto: iStock

Der Wald macht das Grundwasser: Herbst und Winter sind besonders wichtig für die Grundwasserbildung im Wald. Dabei kommt es auch auf die Baumartenzusammensetzung an, da die Bäume unterschiedlich viel Wasser in den Boden ableiten. Das sieht man deutlich z.B. an Rotbuchen, die am Stamm Rillen haben, die senkrecht zum Boden führen. Waldboden filtert zudem das Regenwasser hocheffektiv, sodass das Wasser unter Wäldern oft besonders rein ist.

Das Ableiten von Wasser aus Wäldern ist legal, denn das Entwässern ist nicht gesetzlich Wasserhaushaltsgesetz geregelt. Wasser ist sonst in allen Fließrichtungen und Nutzungen bürokratisch erfasst. Das bundesweit gültige Wasserhaushaltsgesetz und die EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) regeln Schutz und Nutz des Wassers. In kleinen Mengen bis 50 m3 dürfen Grundbesitzer Wasser aus dem oberen, erdbodennahen Grundwasserstock nutzen, um zum Beispiel einen Gemüsegarten zu bewässern oder Tiere auf der Weide zu tränken. Für Bohrungen ins Grundwasser oder Pumpen brauchen alle eine Genehmigung. Die erteilen die zuständigen Wasserämter – wenn die Grundwassermenge eine weitere Nutzung erlaubt. Denn laut Wasserhaushaltsgesetz, sind Wasserentnahmen nur dann zulässig, wenn dadurch andere, Tiere, Pflanzen und ihre Lebensräume im Wasser nicht beeinträchtigt und die Wasserbeschaffenheit nicht nachteilig verändert werden.

Weniger Grundwasser im Klimawandel

Dabei haben Waldbesitzer und Landwirte, Unternehmen und Wasserwerke dasselbe Recht, eine größere Menge Wasser aus dem Grundwasser zu beantragen, als sie sowieso bekommen. Doch selbst in den dürren Zeiten der vergangenen drei Jahre haben Waldbesitzer ihre Wälder nicht aus dem Grundwasser bewässert. Bäume kommen von Natur aus selbst an das Wasser im Untergrund.

Doch die Harmonie zwischen Wald und Wasser ist in manchen Regionen gestört. Der Grundwasserpegel in dem wasserreichen Deutschland sinkt je nach Gebiet, und das nicht erst seit den geringen Regenmengen der vergangenen drei Jahre . In Bayern hat zum Beispiel die Grundwasserneubildung um 15 Prozent abgenommen zwischen den Messperioden 2003-2018 und 1971-2000. „Aufgrund der Heterogenität der natürlichen Einflussfaktoren fiel diese Abnahme in den vergangenen Jahren regional sogar noch deutlich stärker aus“, schreibt das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU). „In Teilen Südbayerns lag die Neubildungsrate etwa ein Viertel unter dem langjährigen Mittel.“ Die Grundwasserstände sind laut LfU „bayernweit seit mehreren Jahren auf anhaltend niedrigem bis sehr niedrigem Niveau.“

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Klimawandel und Ökologie: Die EU-Wasserrahmenrichtlinie verpflichtet Deutschland, bis 2027 dafür zu sorgen, dass alle Fließgewässer in einen „guten ökologischen Zustand“ sind oder ihr „ökologisches Potenzial“ erreichen können. Für Waldbäche bedeutet das zum Beispiel, dass die Ufer frei und unverbaut sind und ausreichend Wasser zum Erhalt der Tiere und Pflanzen im Bach fließt.

Deutschland trocknet in Folge des Klimawandels aus, wenngleich das Land noch kein Wasserproblem hat. Damit das so bleibt, arbeitet das Bundesumweltministerium bis zum Sommer 2021 an einer Wasserstrategie.

Geschützte Wälder im Hessischen Ried trocknen aus

Katastrophale Folgen für den Wald hat das Absenken des Grundwasserpegels im Hessischen Ried. Seit den 1960iger Jahren pumpen die Wasserwerke so viel Wasser aus dem Grundwasser, dass die Laubbäume in vielen Wäldern des Rieds vertrocknen. „Insbesondere die Perspektiven für die Eichen- und Buchen-Waldgesellschaften sind ungünstig“, schreiben Forstwissenschaftler der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt 2013 in einem Gutachten über das Hessische Ried. „Ein geordneter Forstbetrieb ist vielerorts nicht mehr möglich. Die betriebswirtschaftlichen Verluste der letzten 40 Jahre belaufen sich bei vorsichtigen Annahmen auf ca. 70 Millionen Euro.“

Die „gravierenden ökologischen Veränderungen“ und die Forstverluste brachten den Hessischen Landtag bereits 2006 dazu, eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe einzurichten. 2015 legte die ihren Abschlussbericht vor, der eindeutige technische Lösungen für den Wald und die Region empfiehlt. An mehreren Stellen sollte Berieselungsanlagen geschaffen werden, auf denen Rheinwasser auf das Land gepumpt wird und das Grundwasser so wieder aufbaut. Doch die massive Entwässerung des Rieds hatte in den 1960er Jahren zwei politische Vorteile, die die Landschaft bis heute so verändern, dass die Landesregierung dem Großraum Darmstadt und Frankfurt nicht einfach den Hahn zudrehen kann.

Die boomende Wirtschaft nutzte das Wasser aus dem Hessischen Ried zum Aufbau der Industrie, die Menschen erhielten endlich Trinkwasser aus Leitungen statt wie zuvor üblich mit dem Kesselwagen. Das Abpumpen des Grundwassers im Wald trocknete großflächig den Boden, der dann in der Metropolregion bebaut wurde. Die heute dort stehenden Gebäude drohen nasse Keller zu bekommen, wenn der Grundwasserpegel in den Wäldern steigt. Das Problem ist komplex, die Lösung daher teuer: Mindestens 100 Millionen Euro Investitionen und schätzungsweise 10 Millionen Euro jährliche Betriebskosten würden die Berieselungsanlagen kosten. Die hessische Landesregierung hat seit 2015 nur ein Pilotprojekt auf den Weg gebracht, das am Wassermangel im Wald nichts geändert hat.

Grafik

Wasserverbrauch: Mehr als die Hälfte (ca. 53 Prozent) des Grund- und Nutzwassers braucht die Energiewirtschaft, um Kraftwerke zu kühlen. Industrie und Bergbau verbrauchen knapp ein Viertel (24,2 Prozent) und fast 22 Prozent fließen in die öffentliche Trinkwasserversorgung.  Das Trinkwasser in Küche und Dusche stammt zu 70 Prozent aus Grund- und Quellwasser, in grundwasserlosen Gegenden kommt das Trinkwasser aus Uferfiltrat oder mitten aus dem Bodensee. Mehr Infos hier.

Im Hessichen Ried drohen  auch 5500 Hektar nach der FFH-Richtlinie (Flora-Fauna-Habitat) geschützte Eichen-Buchen-Wälder zu vertrocknen. „Die Altbestände verabschieden sich“, sagt Thomas Norgall, stellvertretender Geschäftsführer des BUND-Hessen. Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat bereits 2019 in einem Urteil dem BUND Recht gegeben: Das Land Hessen ist laut EU-Recht verpflichtet, den Grundwasserstand so weit anzuheben, dass die geschützten Stieleichen-Hainbuchen- und Buchenwaldflächen sich erholen und tatsächlich einen günstigen Erhaltungszustand aufweisen. Auch das Urteil setzt die hessische Landesregierung mit Grüner Umweltministerin nicht um. Die Klage liegt nun beim Oberverwaltungsgericht in Revision.

Der größte Wasserkonkurrent des Waldes ist die Energiewirtschaft

Bisher gräbt nicht die Landwirtschaft der Wald- und Forstwirtschaft das Wasser ab. Landwirte bewässern Weinberge, Obstbäume oder Gemüseplantagen in einigen Regionen Deutschlands und nutzen dafür gerade mal ein Prozent des in Deutschland geförderten Grundwassers (siehe auch Grafik oben).

Die größten Konkurrenten des Waldes sind also die Industrie und wir alle – nicht die Landwirte. Das kann sich jedoch im Klimawandel ändern, wenn auch in Deutschland die Landwirtschaft Wasser für die großflächige Bewässerung von Feldern benötigt. Heiße Kandidaten für extreme Dürre sind Ost- und Mitteldeutschland. „Landwirte werden mit fortschreitendem Klimawandel und trockeneren Sommern vermehrt bewässern wollen“, erwartet Prof. Dr. Petra Döll, Professorin für Hydrologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Dem Science Media Center sagt Professor Döll: „Jegliche Abnahme von Grundwasserspeicherung und verringerten Wasserflüssen in Flüssen, hat negative Auswirkungen für die nicht-menschlichen Lebewesen, die aber bislang sehr schwer zu quantifizieren sind.“

Für Wälder, Moore und andere Ökosysteme wird kein Monitoring durchgeführt, bevor das Grundwasser genutzt wird. Die Wasserbehörden messen vor einer Grundwasserentnahme die Menge des verfügbaren Wassers und schätzen ab, wie sich ein Absenken auf Moore, Wälder, Naturweiden und andere Ökosysteme in der Umgebung der Brunnen auswirkt. In Mooren und Feuchtgebieten sieht dann jeder als erstes, wenn die Wasserwerke zu viel Grundwasser genommen haben. Sie trocknen auch ohne Dürre aus. In Wäldern sehen die Experten das zuletzt – vor allem, wenn die Bäume in extremen Trockenzeiten auch von oben kein Wasser abbekommen haben.

Literatur


Quellen und weiterführende Literatur:

Judith Reise, Cristina Urrutia, Dr. Hannes Böttcher, Dr. Klaus Hennenberg, alle Öko-Institut e.V. Literaturstudie zum Thema Wasserhaushalt und Forstwirtschaft. Studie für den Naturschutzbund Deutschland (NABU)

Wie wird Grundwasser gebildet? Video von 2022 vom SWR erklärt die wichtigsten Aspekte

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