Wald mit See in Norditalien

Quelle: Naturwald Akademie

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Wie viel Wasser braucht der Wald?

Waldbäume benötigen Wasser, um zu wachsen und sich vor Überhitzung zu schützen. Die genaue Menge lässt sich jedoch nur schwer bestimmen, denn entscheidende Faktoren wie das Wetter und die Bodenverhältnisse sind in jedem Waldgebiet anders.

Wenn Bäume ihren Durst löschen, kann man das hören. Man braucht dazu nur ein Stethoskop, wie es Ärzte zum Abhören eines Patienten benutzen. Behutsam an den Baumstamm gedrückt, überträgt es die Geräusche vom Wasserfluss in den Baumadern als stetes Rauschen. Probieren Sie es selbst einmal aus – am besten im Frühjahr oder Sommer. Zu dieser Jahreszeit saugen Buche, Linde, Eiche, Fichte und Co. besonders viel Feuchtigkeit aus dem Boden.

Was passiert mit dem Wasser im Wald?
Quelle: Naturwald Akademie

Die Bäume benötigen das Wasser zum einen, um zu wachsen – genauer gesagt, um in ihren Blättern Photosynthese zu betreiben und Energie zu gewinnen. Zum anderen schwitzen die Bäume das Wasser aus. „Bäume besitzen an ihren Blättern oder Nadeln winzige Spaltöffnungen, über die Wasser verdunstet sowie sich die Umgebungsluft erwärmt und mehr Wasserdampf aufnehmen kann“ sagt Dr. Stephan Raspe, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft in Freising. Die dabei entstehende Verdunstungskälte kühlt die Blattoberfläche. Das Schwitzen erfüllt aber noch einen zweiten überlebenswichtigen Zweck. „Durch die Verdunstung an den Blättern kommt der Saftfluss innerhalb des Baumes überhaupt erst zustande. Ohne sie könnte der Baum weder Wasser noch Nährstoffe von der Wurzel bis in die Krone transportieren“, erklärt der Wissenschaftler.

Viele Faktoren bestimmen den Durst des Waldes

Stephan Raspe und Kollegen forschen seit mehreren Jahrzehnten zu der Frage, welche Wassermenge Wälder und individuelle Baumarten benötigen. An 19 Waldklimastationen verteilt über ganz Bayern messen die Wissenschaftler dazu nicht nur Wetterparameter wie die Temperatur, den Wind, die Niederschlagsmenge und die Luftfeuchtigkeit. An sechs Schwerpunktstationen dokumentieren die Forscher auch die Bodenbeschaffenheit- und -feuchte. Sie verfolgen das Stammwachstum der Bäume und notieren, wann im Jahr die Gehölze austreiben, blühen, Früchte bilden, sich verfärben oder ihr Laub abwerfen. Veränderungen in der zeitlichen Abfolge können auf Trockenstress hinweisen. Wichtig sind außerdem Fragen zur Waldstruktur: Welche Baumarten stehen in dem Bestand? Wächst vielleicht eine dichte Kraut- oder Strauchschicht am Waldboden, die dem Erdreich ebenfalls Wasser entzieht? „Der Wasserverbrauch von Wäldern ist keine feste Größe, sondern hängt von vielen physikalischen und biologischen Faktoren ab, die den Wasserkreislauf eines Waldes bestimmen“, sagt Stephan Raspe.

Dunst im Wald
Foto: Dreamstime.com

Ob Nadel- oder Laubbaum – beiden ist gemein, dass sie Wasser durch das Erdreich aufnehmen und Wasserdampf über die Blätter oder Nadeln ausstoßen. Regen läuft am Stamm entlang oder tropft über die Blätter hinab. Über den Boden gelangt das kostbare Nass dann in die Wurzeln und so in den Stamm. Für die Photosynthese wird das Wasser in die Blätter bzw Nadeln transportiert. Dort wird der überschüssige Wasserdampf dann an die Luft wieder abgegeben. Video zum Trinken der Bäume.

Einer dieser Faktoren ist die Blattmasse. Je mehr Blätter ein Baum besitzt, desto größer ist seine Blattoberfläche, über die Wasser verdunstet. Eine Fichte beispielsweise benötigt an einem schönen Sommertag bis zu 3 Liter Wasser pro Quadratmeter. Auf das Jahr gerechnet sind es 350 bis 700 Liter. Eine Buche verdunstet im selben Zeitraum nur etwa 300 bis 600 Liter pro Quadratmeter. Die Differenz ist biologisch bedingt, denn Laubbäume können nur solange transpirieren, wie sie Blätter tragen – meist von April bis November. „Immergrüne Nadelbäume dagegen verdunsten bei günstiger Witterung auch in Wintermonaten nicht unerhebliche Wassermengen“, so Stephan Raspe.

Jeden Wassertropfen, der in der Krone verdunstet, müssen die Bäume durch Wasser aus dem Erdreich ersetzen. Dazu entwickelt sie in ihren Wasseradern und Feinwurzeln eine sagenhafte Saugkraft. Mit einer Zugkraft von 15 bis 20 Bar ziehen sie die Feuchtigkeit aus dem Boden. Jeder Hausstaubsauger sähe im Vergleich dazu blass aus.

Der Wasserkreislauf im Wald

Die Blattmasse eines Waldes beeinflusst auch, wie viel Regenwasser überhaupt bis zum Wurzelwerk vordringen kann. Geht ein Regenschauer über einem Waldgebiet nieder, benetzen die Tropfen nämlich zunächst die Blätter, Zweige und Äste der Baumkronen. Je dichter das Blätterdach, desto mehr Niederschlag kann es halten. Ist der Schauer nur kurz, verdunstet dieses Wasser anschließend wieder, ohne dass es jemals den Waldboden berührt hat. Hält der Regen dagegen an, können die Kronen die Regenmenge nach einer gewissen Zeit nicht mehr tragen. Das Wasser tropft dann auf den Waldboden oder läuft in kleinen Rinnsalen den Stamm hinab. Auch am Waldboden verdunstet noch einmal ein kleiner Teil des Niederschlags. Das restliche Wasser – oft weniger als die Hälfte der ursprünglichen Niederschlagsmenge – versickert im Erdreich und füllt dort den Bodenwasserspeicher auf, aus dem sich die Bäume mit ihren Wurzeln bedienen.

Spinnennetz am Waldrand
Foto: Shutterstock

„Den Waldboden kann man sich wie einen Schwamm mit vielen Poren vorstellen“, sagt Stephan Raspe. „Abhängig von der Bodenbeschaffenheit sind die Poren dieses Schwammes unterschiedlich groß. Je feiner die Poren sind, desto stärker wird das Wasser gebunden. Doch nicht jede gibt ihr Wasser am Ende auch wieder an Pflanzen und Bäume ab. Ein gewisser Teil des Wassers, das sogenannte Totwasser, ist so fest im Boden gebunden, dass selbst die enorme Saugkraft der Bäume nicht mehr ausreicht, es herauszuziehen.“

Der Wald ist nicht nur für die Bäume ein Wasserspeicher. Besonders profitieren Pflanzen und Pilze von der Feuchtigkeit am Boden und in der Luft. Sie schützt auch im Sommer vor einer Überhitzung der Pflanzen. Aber auch die Waldtiere sind auf das Wasser angewiesen. Spezialisten wir der Feuersalamander leben eigentlich nur an Bächen im Wald sowie eine Vielzahl von Vögeln und Insekten.

Wie entscheidend diese Bodeneigenschaften gerade in Dürrezeiten sind, zeigt ein Vergleich aus diesem Sommer:  An der Waldklimastation im Kranzberger Forst bei Freising wachsen 150-jährige Buchen und Eichen auf einer dicken Lößschicht. Sie speichert pro Quadratmeter bis zu 240 Liter für Pflanzen verfügbares Wasser. Diese stattliche Menge reichte aus, um den Wald auch während der langen Hitzeperiode ausreichend mit Wasser zu versorgen. Die Bäume zeigten keine Stressreaktionen – auch weil vereinzelte Sommergewitter den Bodenwasserspeicher immer wieder auffüllten.

60 Kilometer weiter nördlich, im Hienheimer Forst bei Kelheim, sah die Situation ganz anders aus. Der hier wachsende Eichen-Buchen-Mischwald steht auf tonhaltigem Boden, welcher einen hohen Totwasseranteil aufweist und den Waldpflanzen nur 170 Liter Wasser pro Kubikmeter Erde offeriert. Dieser Wasservorrat war bereits im Juli angegriffen, Anfang August dann fast vollkommen erschöpft. Als Reaktion stellten die Bäume ihr Wachstum ein – zuerst die Eichen, später auch die Buchen.

Stress durch Wassermangel

Bäume beginnen, ihren Wasserverbrauch einzuschränken, wenn 40 Prozent des nutzbaren Bodenwasserspeichers aufgebraucht sind. „Zuerst schließen sie langsam ihre Spaltöffnungen in den Blättern und Nadeln, um die Verdunstung zu reduzieren. Reicht diese Maßnahme nicht aus, beginnen Laubbäume teilweise auch, ihr Laub vorzeitig abzuwerfen. Jüngere Bäume sind dazu oft früher gezwungen als ältere, weil sie den Boden noch nicht so tief durchwurzeln“, sagt Stephan Raspe.

Märchenwald
Foto: iStock.com/den-belitsky

Im Herbst und in den frühen Morgenstunden wird die Verdunstung besonders gut sichtbar. Geht ein Regenschauer über einem Waldgebiet nieder, benetzen die Tropfen zunächst die Blätter, Zweige und Äste der Baumkronen. Je dichter das Blätterdach, desto mehr Niederschlag kann es aufnehmen. Ist der Schauer nur kurz, verdunstet dieses Wasser anschließend wieder, ohne dass es jemals den Waldboden berührt hat.

Beide Stressreaktionen haben zur Folge, dass die Bäume keine Photosynthese mehr betreiben, denn die Aufnahme des lebenswichtigen Kohlendioxids erfolgt ebenfalls über die Spaltöffnungen der Blätter und Nadeln. Infolgedessen fehlt den Bäumen die notwendige Energie um zu wachsen oder Schädlinge abzuwehren. „Wir sehen so gut wie nie, dass ein Baum im wahrsten Wortsinn vertrocknet. In der Regel befallen vorher Schädlinge den geschwächten Baum und machen ihm den Gar aus“, so Stephan Raspe.

Naturwälder punkten beim Boden

Haben naturnahe Wälder einen stabileren Wasserhaushalt als Wirtschaftswälder? „Eine Antwort auf diese Frage ist schwierig, weil der Wasserhaushalt von so vielen Wetter- und Standortfaktoren abhängt und man Wälder in diesem Punkt nicht mit einander vergleichen kann“, sagt Stephan Raspe. Ein Faktor, bei dem Naturwälder jedoch punkten, sei die Bodenbeschaffenheit. „In vollkommen unbeeinflussten Böden mit einem hohen Humusanteil leben viele Regenwürmer und andere wühlenden Organismen. Durch deren Treiben verbessert sich die Porenstruktur des Bodens und damit unter Umständen auch seine Speicherkapazität für Wasser. Böden, auf denen häufig schwere Maschinen fahren, werden komprimiert und können weniger Wasser speichern. In der Landwirtschaft sieht man dieses Phänomen häufig“, so der Fachmann.



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