Wie Europas Wälder Störungen überstehen
Bilder, die den kritischen Zustand der Wälder in die Öffentlichkeit tragen, sind keine Seltenheit mehr. Wir sehen Fotos von braunen, abgestorbenen Fichtenhängen, auf denen sich der Borkenkäfer ausgebreitet hat, Videos von unkontrollierten Waldbränden, die mittlerweile auch in Deutschland auftreten. Der Klimawandel wird in Zukunft solche und noch größere Störungen bringen, welche die Waldstruktur und damit auch die Ökosystemfunktionen des Waldes beeinträchtigen können.
Umweltfaktoren beeinflussen Regeneration
Wie wird es den europäischen Wäldern in Zukunft ergehen? Und wie gut können sie Störungen wie Stürme, Waldbrände oder Borkenkäferbefall überstehen? Eine internationale Arbeitsgruppe aus Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen verschiedener europäischer Universitäten befasste sich mit diesem Thema in einer Studie, die im Jahr 2024 im Fachmagazin Global Change Biology erschienen ist. Sie untersuchten dabei über 143 verschiedene Waldstandorte in Süd-, Ost- und Mitteleuropa (Tschechien, Slowenien, Slowakei, Bulgarien, Polen, Estland, Lettland, Belgien, Dänemark, Frankreich und Italien) die vor mehr als fünf Jahren einer starken Störung ausgesetzt waren. Im Durchschnitt lag die Störung zum Zeitpunkt der Untersuchung etwa 20 Jahre zurück. Die 132 Flächen waren von Windwürfen, 6 von Waldbränden und 5 von Borkenkäferbefall betroffen.
Ziel der Untersuchungen war zum einen, herauszufinden, inwieweit sich Wälder in den gemäßigten Zonen Europas nach starken Störungen (d.h. Verlust von mehr als 70 % der Baumkronen auf Flächen von mehr als 1 ha) hinsichtlich ihrer Struktur und Baumartenzusammensetzung erholen können. Die Regeneration einer Waldfläche nach einem großflächigen Absterben von Bäumen hängt jedoch von vielen verschiedenen Umweltfaktoren wie Topographie, Trockenheit oder Hitze ab, aber auch von der Waldbewirtschaftung. Deshalb untersuchten die Autoren und Autorinnen den Einfluss unterschiedlicher Bewirtschaftung auf die Erholung von Waldflächen.
Für alle untersuchten Standorte wurden die Dichte und Artenzusammensetzung der Verjüngung und der Bäume. Diese dienen als Indikator für die Erholung der zuvor gestörten Waldfläche. Außerdem wurden Informationen über die Waldbewirtschaftung vor und nach der Störung erfasst. Zudem legten die Forschenden Erholungsziele fest, anhand derer sie eine erfolgreiche Regeneration messen konnten.
Deutliche Veränderung im Waldboden messbar
Durch die Untersuchung der Waldstruktur und -zusammensetzung nach einer Störung und dem Vergleich mit den Bestandsmerkmalen vor der Störung konnte gezeigt werden, dass die europäischen Wälder der gemäßigten Breiten insgesamt widerstandsfähig gegenüber Störungen sind. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass sich diese Wälder in der Vergangenheit wiederholt von großen und schweren Störungen erholt haben. Am geringsten ist wohl die Widerstandsfähigkeit gegenüber Waldbränden.
Die Waldbrandflächen erreichten die von den Forschenden festgelegten Erholungsziele nur in etwa 20 bis 30 Prozent der Fälle, während die Windwurf- und Borkenkäferflächen die Ziele in etwa 50 bis 80 Prozent der Fälle erreichten. Allerdings waren Waldbrandflächen in der Stichprobe relativ gering vertreten, so dass die Vergleichbarkeit eingeschränkt ist. Die Ergebnisse stehen jedoch im Einklang mit anderen Studien, die zeigen, dass Sturmschäden und Borkenkäferbefall zumindest die (fortgeschrittene) Verjüngung intakt lassen, während Brände in gemäßigten Waldökosystemen nur sehr wenig lebende Strukturen hinterlassen. Die Autoren und Autorinnen weisen darauf hin, dass die Erholungszeiträume bei Waldbränden deutlich länger sein könnten als bei anderen Störungsarten.
Natürliche Sukzession scheint beste Lösung
Vor den Störungen dominierten in den untersuchten Beständen erwartungsgemäß die Arten der späten Sukzessionsstadien, während nach den Störungsereignissen die Pionierarten sowie Arten der frühen Sukzessionsstadien deutlich zunahmen. Dieser Effekt muss laut den Autoren und Autorinnen jedoch noch nicht auf eine langfristige Veränderung der Artenzusammensetzung hindeuten. In diesen anderen Studien wird ersichtlich: Je mehr Zeit nach der Störung verging, desto mehr nahmen die Pionierbaumarten ab und wurden durch Arten der späteren Sukzessionsstadien ersetzt. Die Forschenden verweisen daher auf die natürliche Sukzession nach großen und schwerwiegenden Störungen als eine praktikable Option für die Waldbewirtschaftung. Zudem betonen die Wissenschaftler, dass Störungen im Klimawandel auch eine Chance für eine beschleunigte Anpassung der Waldstruktur an die neuen klimatischen Verhältnisse darstellen können. Dies gilt insbesondere für die anthropogen geschaffenen Monokulturen einer Altersklasse.
Über alle Standorte hinweg war die Buche die häufigste Art nach der Störung, gefolgt von der Fichte. Von Buche dominierte Standorte wiesen mit etwa 80 Prozent der Flächen ein deutlich größeres Erholungspotenzial auf als von Fichte dominierte Standorte, die nur auf etwa der Hälfte der Flächen die gesteckten Erholungsziele erreichten.
Verjüngung schädigt die Entwicklung
Für die Bewirtschaftung der Waldflächen vor Störungen konnte in der besprochenen Studie kein Effekt auf die anschließende Regeneration festgestellt werden. Allerdings zeigte sich, dass beräumte Flächen sich weniger erfolgreich erholten als Flächen, die nach der Beräumung bepflanzt wurden oder auf denen kein Management nach der Störung stattfand. Die Autor:innen weisen darauf hin, dass nach einer Störung der Holzeinschlag oft aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt, obwohl bekannt ist, dass er die Verjüngung direkt schädigt und sich somit negativ auf die Regeneration des Waldes auswirken kann. Zudem weisen die Wissenschaftler:innen darauf hin, dass das entnommene Totholz langfristig als Substrat, als Wasserspeicher oder als Hindernis für Pflanzenfresser die Bedingungen für die Verjüngung verbessern könnte.
Kommentar
Die hier besprochene Studie ist eine der ersten Untersuchungen, die auf kontinentaler Ebene Aufschluss darüber gibt, wie sich großflächige Störungen auf anschließende Erholung der Waldbestände auswirken. Eine breitere Streuung der Daten in Bezug auf den Störungstyp wäre wünschenswert gewesen. Leider fehlen zudem Daten aus Deutschland, was den Ansatz für Mitteleuropa methodisch deutlich gestärkt hätte.
Im Wald sind die Auswirkungen häufigerer Wetterextreme bereits zu beobachten. Die Wälder haben jedoch grundsätzlich die genetische und strukturelle Fähigkeit, mit starken Störungen umzugehen. Deren zunehmende Intensität stellt jedoch eine neue Herausforderung dar, die durch eine Kombination von Störungen, einschließlich solcher, die durch unangemessene Bewirtschaftung verursacht werden, noch verstärkt werden kann. Es ist durchaus verständlich, wenn man sich manchmal schwertut, abzuwarten und die langsamen Prozesse im Wald nur zu beobachten. Dennoch sollten wir die Wälder in ihrer Anpassung an den Klimawandel nicht zusätzlich beeinträchtigen. Auch in wirtschaftlich genutzten Wäldern ist es ratsam, sich auf minimale Eingriffe zu beschränken. Denn nur so können wir versuchen, nicht selbst zu noch einem weiteren Faktor schwerer Störungen zu werden.
Autorin: Ronja Hoßbach
Literatur
Cerioni et al. (2024):
Recovery and resilience of European temperate forests after large and severe disturbances in
European Journal of Soil Biology, Volume 45, Issue 4, July–August 2009, Pages 312-320