Baumartenvielfalt erhöht das Wachstum, wenn die Baumbestände strukturell komplexer sind
Die Ergebnisse der hier vorgestellten Studie sind im Rahmen des seit 2015 bestehenden MyDiv-Experiment im Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig entstanden. Das MyDiv-Experiment testet dabei die Haupthypothese, dass ein Baumbestand mit einem hohen Artenreichtum von Bäumen und dem Vorhandensein von funktionell ungleichen Mykorrhiza-Typen die höchsten Ebenen der Ökosystemfunktionen aufweisen.
Die gemeinsame Studie der TU Dresden, Leuphana Universität Lüneburg, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Universität Leipzig, Universität Montpellier und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) ist im Journal Science Advances erschienen und besagt, dass viele verschiedene Baumarten in Mischbeständen zusammen schneller wachsen und damit eine höhere Holzproduktion aufweisen. Allerdings haben das schon einige andere Studien zuvor bewiesen. Hier wird der Fokus stark auf die Interaktion zwischen Biodiversität und Ökosystemfunktionen zu erfahren.
Was ist neu an dieser Studie uns was wurde untersucht?
Baumartenvielfalt und Mykorrhiza-Assoziationen spielen eine zentrale Rolle für die Produktivität von Wäldern, aber die Faktoren, die positive Beziehungen zwischen Biodiversität und Produktivität bewirken, sind noch wenig bekannt. Bislang war noch nicht verstanden, wie die Baumartenvielfalt, das Wachstum der Bäume und die strukturelle Komplexität von Wäldern zusammenhängen und darüber hinaus welche Bedeutung dabei verschiedene Mykorrhiza-Typen spielen.
Was versteht man unter struktureller Komplexität?
Unter der strukturellen Komplexität von Wäldern versteht man in diesem Experiment die dreidimensionale Gestalt der einzelnen Bäume und ihre effektive Raumnutzung. Dabei wird die strukturelle Komplexität der Bestände durch eine große Variation der Baumgröße und eine große Unähnlichkeit in der räumlichen Anordnung der Baumkronen (Plastizität) verursacht. Die strukturelle Komplexität eines Bestands wird also durch die Baumartenvielfalt bestimmt, welche wiederum verschiedene vertikale Verteilungen von Strukturelementen wie Stämmen, Ästen und Blättern im dreidimensionalen Raum ausbilden.
Wie ist der Versuchsaufbau?
Im Frühjahr 2015 wurden in 80 Parzellen zu je 121 m2 (11 m x 11 m) insgesamt 140 Setzlinge gepflanzt. Die Pflanzung erfolgte in einem regelmäßigen Pflanzabstand von 1 m. Zum Zeitpunkt der Pflanzung waren alle Bäume 2 bis 3 Jahre alt. Es handelt sich um insgesamt zehn heimische Laubbaumarten in unterschiedlichen Kombinationen als Monokulturen oder mit einer Mischung aus zwei oder sogar vier verschiedenen Baumarten. In den vergangenen zwei Jahren untersuchten die Forscher, welche Bedeutung die strukturelle Komplexität der Parzellen für die Produktivität hat. Neben der direkten Messung der Baumhöhe und des Stammdurchmessers zur Berechnung des Holzvolumens der Bäume wurde mittels terrestrischem Laserscanning ein Index der dreidimensionalen strukturellen Komplexität für jede Parzelle berechnet.
Was sind die Hauptergebnisse
- Die strukturelle Komplexität und Wachstum der Bestände nimmt mit dem Baumartenreichtum zu, wird aber nicht durch Mykorrhiza-Assoziationen beeinflusst. Nach 6 Jahren hatten Vier-Arten-Gemeinschaften fast doppelt so Holzvolumen als Monokulturen angesammelt. Es wird davon ausgegangen, dass das Mischen von Bäumen mit unterschiedlichen Mykorrhiza-Typen in den ersten sechs Jahren des Experiments noch keinen Einfluss nimmt, obwohl bekannt ist, dass ausgewachsene artenreiche Wälder durch verschiedene Mykorrhiza-Assoziationen ein höheres Wachstum aufweisen.
- Das Wachstum der Bäume nimmt mit der Komplexität der Bestandsstruktur zu, aber die Stärke dieser Beziehung wird durch die Lichtverhältnisse beeinflusst. Das bedeutet, dass eine hoher Lichtinterzeption, also die Menge an aufgenommener Lichtenergie am Blatt, sich durch eine hohe strukturelle Komplexität ergibt und dadurch das Wachstum befördert wird.
- Eine artenreiche Gemeinschaft, die sich aus Baumarten mit hoher und niedriger Schattentoleranz zusammensetzen, weisen eine sehr hohe strukturelle Komplexität auf, was wiederum zu stärkeren Auswirkungen auf die Biodiversität und die Holzproduktion führte.
- Die Berücksichtigung der strukturellen Komplexität der Bestände scheint ein entscheidendes Element bei der Vorhersage der Kohlenstoffbindung in den frühen Sukzessionsstadien von Mischwäldern zu sein.
Kommentar
Die Ergebnisse in einem Biodiversitätsexperiment unter kontrollierten Bedingungen zeigen welche Faktoren maßgeblich die Holzproduktivität erhöhen. Zusammenfassend sind das eine hohe Baumartenvielfalt (hier 4 Baumarten gemischt) unter Berücksichtigung einer optimalen Kombination aus licht- und Schattenbaumarten, sodass die strukturelle Komplexität und die Lichtaufnahme am effektivsten ist. Bezieht man diese Erkenntnisse auf Naturwälder, so darf man davon ausgehen, dass die im Experiment untersuchten Prozesse aufgrund der Selbstregulations- und Selbstorganisationsfähigkeiten von Waldökosystemen in der natürlicher Waldentwicklung mittels Naturverjüngung und Sukzession von Natur aus in Wäldern ablaufen.
Das heißt Lichtbaumarten wachsen schneller und nehmen eine höhere Baumschicht ein als eher schattentolerante Baumarten, die besser unter den Kronen der Lichtbaumarten aufwachsen. Bäume, die mit Halbschattensituationen gut auskommen, haben hier ebenfalls ihre Nische, so dass alle Bäume eine optimale Raumausnutzung vollziehen um ihre nötige Lichtenergie zu erhalten. Diese optimale Raumausnutzung oder strukturelle Komplexität deutet daher auf Komplementaritätseffekte hin, also Effekte der gegenseitigen Ergänzung, als auf Selektionseffekte, die Ausleseprozesse beinhalten. Dies zeigt sich auch darin, dass es anhand der im Experiment gemessenen Daten keinen statistischen Zusammenhang zwischen der Baummortalität, der strukturellen Komplexität und des Baumartenreichtums gab.
Was heißt das in Bezug auf die praktische Umsetzung?
Für das Ökosystem Wald ist es am besten, wenn durch Naturverjüngung und Sukzessionsprozesse gestörte Waldflächen sich wieder natürlich entwickeln dürfen. Die natürlichen Prozesse sind einer künstlichen Verjüngung (Pflanzung) immer vorzuziehen, da beispielsweise standortbezogene epigenetische Anpassungsprozesse in den gepflanzten Bäumen aus Baumschulen im Regelfall nicht vorhanden sind und auch die Stabilität der gepflanzten Bäume durch Wurzelbeschneidungen reduziert ist.
Wenn man allerdings nicht auf die natürliche Waldentwicklung setzen kann und eher Pflanzungen bevorzugt, beispielsweise bei Projekten zur Neuwaldgründung oder Wiederherstellung von Wäldern, dann sollten gemäß den Ergebnissen dieser Studie möglichst viele naturnahe Laubbaumarten mit unterschiedlichen funktionalen Merkmalen ausgewählt werden, die mit der Lichtaufnahme zusammenhängen. Eine Manipulation mit unterschiedliche Mykorrhiza-Typen hat in der Jungwaldphase keinen Erfolg gezeigt, was aber nicht heißt das sich die Vorteile der Mykorrhiza-Typen im fortgeschrittenen Bestandesalter auswirken. Die Ergebnisse dieser Studie zeigte, dass artenreiche und strukturelle komplexe Bestände eine effektive Aufteilung der Lichtressourcen vornehmen und eine sinnhafte Mischung an Licht- und Schattenbaumarten entlang eines Lichtverfügbarkeitsgradienten das Wachstum steigern lassen.
Das Ergebnis der Studie zeigt auch, dass in den ersten sechs Jahren keine Mischungsregulierung – und wahrscheinlich danach auch nicht so schnell – stattfinden muss, da die Komplementaritätseffekte die Selektionseffekte überwiegen. Interessant wird es sein die gleiche Studie etwa nach 20 Jahren zu machen um zu sehen, wie sich die Selektions- und Komplementaritätseffekte entwickelt haben und ob dann auch die Mykorrhizatypen eine Rolle spielen.
Für die forstliche Praxis wäre es interessant zu wissen, welche Baumartenkombination die höchste strukturelle Komplexität und damit die höchste Produktivität aufweist um eine zielgerichtete künstliche Wieder- oder Neubewaldung zu unterstützen. Allerdings muss hierbei auch erwähnt werden, dass es sich um ein kontrolliertes Experiment handelt und die Rahmenbedingungen zum Wald unterschiedlich sind, da äußere Effekte, wie bspw. der Wildeinfluss im Experiment ausgeschlossen sind.
Generell ist es wichtig eine Verbesserung der strukturellen Komplexität von artenreichen Beständen im Auge zu haben, damit sowohl der Erhaltung der biologischen Vielfalt als auch der Abschwächung des Klimawandels positiv beeinflusst werden.
Die Studie liefert wertvolle Informationen für Aufforstungsprojekte und zeigt, dass die richtige Zusammensetzung der Baumarten für ein deutlich schnelleres Wachstum der Bäume sorgen kann. Dies ist umso wichtiger, als Bäume wirksame Kohlenstoffspeicher sind und die Wiederaufforstung als ein wichtiges Instrument im Kampf gegen den Klimawandel gilt.
Autor: Dr. Torsten Welle
Quelle
Ray, T., Delory, B.M., Beugnon, R., Bruelheide, H., Cesarz, S., Eisenhauer, N., Ferlian, O., Quosh, J., von Oheimb, G., Fichtner, A. (2023).
Tree diversity increases productivity through enhancing structural complexity across mycorrhizal types.
Science Advances 9,eadi2362. DOI: 10.1126/sciadv.adi2362
Hintergrund
Rolle der Mykorrhiza
Assoziationen zwischen Mykorrhizapilzen und Baumwurzeln sind eine wesentliche Art der Interaktion in Wäldern. Gemäßigte Baumarten sind mit Ektomykorrhizapilzen (EM), mit arbuskulären Mykorrhizapilzen (AM)) oder gleichzeitig mit EM- und AM-Pilzen assoziiert.
Während EM-Baumarten im Allgemeinen von einer größeren Stickstoffmobilisierung aus organischem Material und einer verbesserten Aufnahme organischer und anorganischer Ressourcen profitieren, profitieren Bäume, die mit AM-Pilzen vergesellschaftet sind, hauptsächlich von einer größeren Aufnahme weniger mobiler Nährstoffe wie Phosphor. Es ist bekannt, dass Mykorrhiza-Assoziationen mit AM- oder EM-Pilzen die Produktivität von Bäumen unterschiedlich beeinflussen. Trotz der Bedeutung von Mykorrhiza-Assoziationen für die Produktivität von Bäumen muss noch geklärt werden, inwieweit funktionell unterschiedliche Mykorrhiza-Assoziationen die strukturelle Komplexität von Waldbeständen beeinflussen, was ein Ziel dieser Studie war.